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Debatte
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Wortlaut der Reden

Horst Eylmann, CDU/CSU Bernd Reuter, SPD >>

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es geht hier nicht um die bloße Auswahl zwischen zwei Städten. Es geht nicht vorrangig um Bonner oder Berliner Interessen. Es geht auch nicht ums Geld. Diejenigen, die so viel vom Geld geredet haben, werden sich noch wundern, wieviel Geld wir aufwenden werden, um die unterlegene Stadt zu entschädigen und die Enttäuschung und den Zorn ihrer Einwohner zu besänftigen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Es geht, auch wenn einige das nicht mehr hören wollen, um Glaubwürdigkeit.

(Peter Kittelmann [CDU/CSU]: So ist es!)

Am meisten hat mich berührt, daß das jüngste Mitglied dieses Parlaments heute mittag gesagt hat, Glaubwürdigkeit sei ein rückwärtsgewandter Begriff, der in die Geschichte weise.

(Peter Kittelmann [CDU/CSU]: Das war hoffentlich nicht repräsentativ für die Jugend!)

Ich kenne keinen Begriff, der für die Zukunft wichtiger ist als der Begriff der Glaubwürdigkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP, der SPD und des Bündnisses 90/GRÜNE)

Glaubwürdigkeit ist eines der höchsten Güter des Parlaments. Darüber sollten wir uns alle im klaren sein.

Jetzt gibt es manche, die sich damit trösten, daß es ja auch die anderen Fraktionen treffe. Ich sage: um so schlimmer. Ich weiß, wovon ich rede, aus vielen Gesprächen mit den Bürgern und Bürgerinnen in meinem Wahlkreis. Viele Tausende in unserem Land werden der Auffassung sein, daß dieses Parlament in seiner Glaubwürdigkeit schwerwiegend gelitten hat, wenn es Berlin mit einem Etikett abfindet. Das ist die Tatsache.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und der SPD und des Bündnisses 90/GRÜNE)

Das, meine Damen und Herren, sind vornehmlich Angehörige derjenigen Generation, die diesen Staat aufgebaut hat und sich mit diesem Staat identifiziert

(Peter Kittelmann [CDU/CSU]: Sehr gut!)

und deren Hoffnung mit der Wiedervereinigung in Erfüllung gegangen ist.

Es geht weiter um die innere Einheit unseres Volkes. Zur Zeit sind wir Ossis und Wessis. Die größte politische Aufgabe, vor der wir stehen, ist, wieder ein Volk zu werden. Berlin und Bonn -- das ist wahr --, beide Städte sind Symbole der freiheitlichen Demokratie in Deutschland. Berlin ist aber das Symbol der Trennung und das Symbol der Wiedervereinigung. Berlin ist das Symbol der Einheit. Der Name Berlin ist für viele Bürger eine unauflösbare Verbindung mit dem Gefühl eingegangen, wieder ein Volk zu sein.

Was die Entscheidung Bonn und Berlin wirklich bedeutet, sehen Sie doch an den Trennungslinien hier in diesem Parlament. Die Trennungslinien gehen quer durch die Fraktionen. Ich hätte ja noch Verständnis dafür, wenn es nur um die Parlamentarier aus dem Bereich Bonn oder Berlin ginge, aber so ist es doch nicht.

(Freimut Duve [SPD]: Wir versöhnen uns alle wieder!)

Ministerpräsident Rau hat doch diesen Tatbestand hier schon eher wohlmeinend, bagatellisierend kommentiert. Wer weiß, wie stark die parteipolitischen Bindungen in diesem Hause sind, der muß doch auch realisieren, auf welche Grundüberzeugungen wir hier stoßen, wenn es um die heutige Entscheidung geht;

(Dr. Hans-Jochen Vogel [SPD]: Richtig!)

Grundüberzeugungen, die tiefer reichen als die reine parteipolitische Bindung.

Mit einer Entscheidung für oder gegen Berlin oder Bonn reißen wir Gräben auf, die lange offen bleiben werden. Wenn viele in der alten Bundesrepublik für Bonn sind, so ist das ein Ausdruck unserer Schwierigkeiten, uns bewußtzumachen, daß wir nicht mehr ein Teilstaat sind, der sich längst über das Provisorium, das er zunächst sein wollte, hinaus entwickelt hat. Wir alle denken und fühlen noch mehr in diesen Kategorien, als wir es vor uns selber wahrhaben wollen.

Die Kollegen aus den neuen Bundesländern, die heute gegen Berlin votieren, weil für sie Ost-Berlin das materiell bevorzugte Zentrum kommunistischer Diktatur war, geben damit unbewußt, aber überdeutlich zu erkennen, daß auch sie noch in diesen alten Gedankengängen befangen sind. Ich sage das ohne Vorwurf; ich stehe doch selbst in diesen Schwierigkeiten. Aber die Stunde erfordert es, daß wir uns über die wahren Gründe, weshalb wir so oder so votieren, im klaren sind

(Beifall des Abg. Peter Kittelmann [CDU/CSU])

und daß wir uns nicht hinter Schein- und Zweckargumenten verstecken.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Berlin soll mit Regierung und Parlament das föderale System gefährden. Zwei Drittel der Länder sehen das anders. Berlin soll doch ohnehin, so sagen die Bonn-Befürworter, das geistige und kulturelle Zentrum werden.

(Jochen Feilcke [CDU/CSU]: Ist es schon lange!)

Welche groteske Selbstüberhebung ist es dann, daß ausgerechnet wir Abgeordnete etwa den geistigen oder kulturellen Rang Münchens oder Hamburgs gefährden sollten!

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und der SPD)

Die Wahrheit ist: Man sagt Metropole oder Moloch Berlin und meint preußischen Zentralismus und vergißt, daß Preußen tot und Berlin heute eine Stadt in einem wirtschaftlich schwachen und mit großen Problemen konfrontierten Bundesland Brandenburg ist.

Ich bin Berlin-Anhänger und trotzdem für Heiner Geißlers Kompromiß, weil ich in einer Zeit, in der es darauf ankommt, zu versöhnen und zu teilen, ein hartes Ja oder Nein fürchte.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich will dieses harte Ja oder Nein vermeiden. Wenn man einen Kompromiß will, meine Damen und Herren, dann kann man ihn erreichen. Noch vor vierzehn Tagen waren viele Bonn-Befürworter für diesen Kompromiß. Dann haben sie gezählt. Heute meinen sie, sie könnten es sich erlauben, nicht mehr dafür zu sein.

(Dr. Renate Hellwig [CDU/CSU]: Sie werden sich

täuschen!)

Ich warne vor solchen taktischen Spielen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich bin für die Doppelspitze als Kompromiß, um der inneren deutschen Einheit willen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Als nächster hat das Wort der Abgeordnete Bernd Reuter.

Quelle: http://www.bundestag.de/bau_kunst/berlin/debatte/bdr_062
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