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Debatte
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Wortlaut der Reden, die zu Protokoll gegeben wurden

Hansjürgen Doss, CDU/CSU Rudolf Dreßler, SPD >>

Wenn in dieser Diskussion von historischer Verpflichtung und von der Anerkennung außerordentlicher Verdienste für Freiheit, Demokratie und Einheit auf beiden Seiten die Rede ist, kann die Antwort auf die Frage, die wir heute zu entscheiden haben, nur Bonn und Berlin heißen. Beide Städte, Bonn und Berlin, beanspruchen gleichermaßen zu Recht, Ausgangspunkt des souveränen, freien und wiedervereinten Deutschlands zu sein. Bonn: Wiege der zweiten deutschen Demokratie, Symbol für Aufbau, Demokratisierung und europäische Integration. Berlin: Insel der Freiheit, Symbol für das unbeugsame Streben der Deutschen nach Einheit, für die Überlegenheit von Demokratie und Sozialer Marktwirtschaft gegenüber Totalitarismus und Kommandowirtschaft.

Der Verlauf der friedlichen Revolution, die unsere Mitbürger in der ehemaligen DDR durchgesetzt haben, die gewaltlose Überwindung von Gräben, Mauern, Minenfeldern und Stacheldraht, die Wiedererlangung des Selbstbestimmungsrechts, all das ist in der Geschichte einmalig und ohne Beispiel. Deshalb ist es nicht erforderlich, historische oder gegenwärtige Beispiele von Hauptstadt-Regierungssitz-Lösungen vergleichsweise heranzuziehen. Die Einmaligkeit des Vorgangs erlaubt eine Lösung dieser Frage, die sich nicht an Vorbildern orientiert, sondern einzig aus den Gegebenheiten der Nachkriegsgeschichte und der infolge der Ereignisse der vergangen 18 Monate entstandenen Situation heraus vom Gesetzgeber zu entscheiden ist.

»Einen durch Teilen« ist zum Leitmotiv des umfassenden Vollzugs der wiedererlangten Einheit Deutschlands geworden. Die Aufteilung von Kompetenzen und Gewalten ist ein zentrales Prinzip des Föderalismus. Die Trennung der staatlichen Gewalten und ihre Verteilung auf Bonn und Berlin folgt dem Motiv der deutschen Einheit wie dem föderalen Prinzip. Die Glaubwürdigkeit unseres Bekenntnisses zur Unteilbarkeit Deutschlands und seiner Hauptstadt Berlin und die Glaubwürdigkeit unseres Bekenntnisses zu Europa, zum Föderalismus und zu unserer gefestigten Demokratie, die sich in Bonn verkörpert, würde Schaden nehmen, wenn wir uns -- möglicherweise gar mit knapper Mehrheit -- für die Ausschließlichkeit und gegen den Kompromiß entscheiden würden.

Wenn Staatsoberhaupt und gesetzgebende Gewalt ihren Sitz in Berlin nehmen und die exekutive Gewalt in Bonn verbleibt, bedeutet dies die folgerichtige Umsetzung eines Kompromisses und die konsequente Umsetzung des föderalen Prinzips von drei Verfassungsorganen, die sich dann auf Bonn, Berlin und Karlsruhe verteilen. Das Parlament kann seine Kontrollfunktion gegenüber der Regierung ohne Einschränkung auch von Berlin aus vollziehen, weil es sich dabei nicht um eine primär physische, sondern um eine im wesentlichen intellektuelle Kontrolle handelt. Die räumliche Trennung von Legislative und Exekutive kann darüber hinaus zu einer Emanzipation und einer -- wie ich meine -- erforderlichen Aufwertung des Parlaments führen. Wer dagegen die unmittelbare Nachbarschaft von Regierung und Parlament für zwingend notwendig hält, verkennt, daß die Mitglieder des Parlaments über die Wahrnehmung der Kontrollfunktion hinaus vielfältige vom Regierungssitz losgelöste Aufgaben in der Vertretung der Bürger zu bewältigen haben. Hinsichtlich der Organisierbarkeit und der Praktikabilität der räumlichen Trennung von Parlament und Regierung ist der Bundesrat, dessen Glieder ihren Sitz sowohl in Bonn als auch in den Ländern haben und der dennoch völlig reibungslos seine Aufgabe erfüllt, ein Beispiel.

Die DDR ist an der Schwäche ihres Systems, aber auch am Stehvermögen des freien Teils Deutschlands zugrunde gegangen. Zu diesem Stehvermögen gehörte vor allem auch unser Festhalten an Berlin, und dazu gehört jetzt auch unser Festhalten an Bonn.

Die Entscheidung für Bonn und Berlin ist kein Zweckkompromiß, sondern das Zusammenführen der Verpflichtung aus der Geschichte mit der Orientierung in Richtung einer gemeinsamen Zukunft.

Rudolf Dreßler, SPD >>
Quelle: http://www.bundestag.de/bau_kunst/berlin/debatte/bdr_117
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