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Debatte
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Wortlaut der Reden, die zu Protokoll gegeben wurden

Manfred Opel, SPD Friedhelm Ost, CDU/CSU >>

Wir alle stehen noch im Bann der deutschen Einheit. Stets ist man versucht, sich die Augen zu reiben, wenn man Zeuge der Freizügigkeit und Freiheit in Deutschland wird, wenn der Blick nach Mauer und Stacheldraht Ausschau hält.

Sicher, die Wunden der Teilung sind erst oberflächlich vernarbt. Und allenthalben entdeckt man die Spuren des gegenmenschlichen, autoritären Systems. Ein Symbol hatten die Deutschen. Es gab darum keinen Streit. Wenige Jahre nach dem Krieg sah die Welt gebannt auf die geteilte Stadt Berlin, die von Stalin eine Blockade verordnet bekam. Berlin war der Stachel im Fleisch des Kommunismus. Die Prüfung dieser Stadt dauerte an. Sie wurde zerrissen und gequält. Niemand wäre es in den Sinn gekommen, daran zu zweifeln, daß Berlin in der Sekunde des Wiedergewinnens der deutschen Einheit auch wieder die deutsche Hauptstadt mit allen ihren Funktionen würde. Berlin stand nicht nur für Deutschland, sondern es gab keinen Zweifel daran, daß alle Deutschen auch für Berlin einstehen würden.

Dann kam die Einheit als Folge von Entspannung und Ausgleich. Sie kam überraschend. Die Zeit wurde genutzt. Niemand dachte etwas anderes als nur, dieser geteilten Stadt zu helfen. Noch vor zwei Jahren hätte jeder mit Freuden einen wesentlich höheren Preis für die Einheit bezahlt, als wir es jetzt tun.

Mit dem Wiedergewinn der deutschen Einheit vollzog sich in den Deutschen eine bemerkenswerte Wandlung. Selbst jene, die sich bisher in den Feuilletons der Zeitungen tummelten, entdeckten plötzlich ihre Krämerseelen. Gutachten jagte Gutachten. Jeder wußte es besser.

Es ging um eine einfache Frage. Die Frage lautete nicht: Wo soll der Bundestag in Zukunft tagen? In Bonn oder Berlin? Die wirkliche Frage war: Was spricht dafür, den Traum der Deutschen nach einer geeinten wiedergewonnenen wirklichen Hauptstadt Berlin so sang- und klanglos aufzugeben? Was veranlaßt eigentlich die Deutschen, sich überhaupt die Frage vorzulegen, ob man jetzt wortbrüchig werden dürfe -- und was es dafür an fadenscheinigen Entschuldigungen wohl geben könnte?

Die deutsche Einheit kostet Geld; viel Geld. Doch es gibt wohl niemanden, der dieses Opfer nicht gerne brächte. Was wäre denn die Alternative? Weiterhin weit über 40 Milliarden DM jährlich nur an teilungsbedingten Kosten?

Die Schein- und Pseudo-Argumente jagten einander und wurden Legion. Jene Staatsmänner (solche gibt es tatsächlich in Deutschland), welche in historischen Dimensionen zu denken vermochten, waren samt und sonders für die Erfüllung des deutschen Nachkriegstraumes.

Doch die Krämerseelen fraßen sich immer tiefer ins Gemüt der Deutschen. Scheinbar renommierte Politiker tauchten auf, gelegentlich sogenannte Gutachten in Händen, und verkündeten Horrorzahlen für die Kosten des Ausbaus von Berlin zum Regierungs- und Parlamentssitz.

Natürlich wußten diese Politiker, daß alle diese Zahlen falsch waren. Natürlich wußten diese Politikerinnen und Politiker, daß sie damit nur verschleierten, wie wichtig und auch preisgünstig es für sie war, in der Umgebung Bonns wohnen bleiben zu können. Ich will nicht behaupten, daß jene schwachbrüstigen Gründe die Hauptmotive der Bonn-Befürworter sind. Doch weit liege ich mit meiner Vermutung sicherlich nicht von der Realität entfernt.

Bewegt man sich außerhalb der Bundesrepublik, so gibt es fast niemanden, der diese geisterhafte Diskussion noch versteht.

Da haben die Deutschen die Einheit gewonnen und verspielen zugleich das lebendige Symbol dieses Einheitswillens. Das macht die Deutschen unberechenbar, unkalkulierbar und herausfordernd für das Mißtrauen der Welt. Doch dieses mag man begreifen als historisches oder gar historisierendes emotionales Element. Zwar ist es das nicht; doch das bringe man einem Deutschen bei!

Ich werde mich aus einem zweiten Grund nicht loslösen lassen von Berlin. Ich möchte Antwort geben können, wenn mich meine Enkel in ein oder zwei Generationen fragen, weshalb ich wohl so gestimmt habe, wie ich es tun werde. Ich möchte dann keine Ausflüchte suchen müssen. Ich möchte dann nicht zugeben müssen, daß ich mich geirrt habe. Ich möchte dann ganz einfach sagen können, daß ich jene Entscheidung verfocht, die als einzige Bestand haben kann und den Tag nicht verflucht, an dem sie entstand.

Man mag das alles abtun als das Gerede eines Traditionalisten. Die Bürger hat man ja schon aufgehetzt mit dem falschen Kostenargument. Die Frage, die uns unsere Enkel stellen würden, hieße nicht: Warum warst Du für Bonn? Sie würde heißen: Warum warst Du nicht für Berlin?

Wir erleben heute eine wahrhaft historische Stunde. Wir entscheiden nicht nur über den zukünftigen Sitz von Regierung und Parlament. Wir entscheiden darüber, ob wir uns heute und morgen und vor der Geschichte der wiedergewonnenen Einheit in Freiheit als würdig erweisen.

Deutschland ohne sein Herz Berlin wird immer eine seelenlose Wirtschaftsmaschine bleiben. Geben wir daher unserem Volk jene Metropole als wirkliche Hauptstadt, die sich seit langem diesen Platz erworben und erlitten hat!

Man mag heute gegen Berlin entscheiden. Doch Berlin wird stärker sein. Berlin wird sich dann gegen uns selbst kehren, ob wir wollen oder nicht. Davor gilt es, unser Volk zu bewahren.

Friedhelm Ost, CDU/CSU >>
Quelle: http://www.bundestag.de/bau_kunst/berlin/debatte/bdr_170
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