Bildwortmarke des Deutschen Bundestages . - Schriftzug und Bundestagsadler
English    | Français   
 |  Sitemap  |  Kontakt  |  Fragen/FAQ  |  Druckversion
 
Startseite > Blickpunkt Bundestag > Blickpunkt Bundestag - Jahresübersicht 1998 > Blickpunkt Bundestag - Juni 1998, Nr. 1/98, Seite 2, Inhalt >
Juni 01/1998
[ zurück ]   [ Übersicht ]   [ weiter ]

H. Eylmann

NS-Unrechtsurteile aufgehoben

Interview mit dem Vorsitzenden des Rechtsausschusses, Horst Eylmann (CDU/CSU)

Der Bundestag hat am 28. Mai 1998 nach langem Ringen mit großer Mehrheit alle in der NS-Zeit ergangenen Unrechtsurteile pauschal aufgehoben. Mit dem Gesetz werden mehrere Hunderttausend Opfer der NS-Justiz rehabilitiert " unter ihnen auch Deserteure, Homosexuelle und Zwangssterilisierte. Noch lebende Verurteilte oder Angehörige von Hingerichteten erhalten mit der pauschalen Aufhebung der Urteile allerdings keinen Entschädigungsanspruch. Dies wird damit begründet, daß die Wiedergutmachung von NS-Unrecht bereits in früheren Gesetzen ausreichend geregelt sei.
Sprecher der Koalitionsfraktionen CDU/ CSU und F.D.P. und der SPD-Opposition zeigten sich in der Aussprache grundsätzlich zufrieden mit dem erst kurz zuvor im Rechtsausschuß des Bundestages erzielten Kompromiß. Bundesjustizminister Edzard Schmidt-Jortzig (F.D.P.) sprach von einer "überfälligen Entscheidung". Die Rechtsexpertin der SPD, Herta Däubler-Gmelin, sagte, mit dem Gesetz werde jetzt der Peinlichkeit der Boden entzogen, daß NS-Urteile nach dem Krieg von Gerichten der Bundesrepublik bestätigt worden seien. Volker Beck von Bündnis 90/Die Grünen, dessen Fraktion sich der Stimme enthielt, meinte, das Gesetz bringe zwar einige Fortschritte, aber nicht die notwendige Rechtsklarheit für alle Opfergruppen.
Über die Aufhebung der NS-Unrechtsurteile durch den Deutschen Bundestag sprachen wir mit dem Vorsitzenden des Rechtsausschusses Horst Eylmann (CDU/CSU).

Der Bundestag hat am 28. Mai 1998 die NS-Unrechtsurteile aufgehoben. Warum hat das mehrere Jahrzehnte gedauert?
Wir mußten einsehen, daß es uns erst dieser zeitliche Abstand ermöglicht hat, die Geschehnisse in der Nazi-Zeit in ihrer Qualität und Quantität zu erkennen und ohne Befangenheit zu bewerten.

Dennoch sehen viele Beobachter dies sehr kritisch...
Ich nehme die früheren Bundestage ausdrücklich in Schutz. Früher wäre diese Aufhebung gar nicht möglich gewesen. Bei der Durchsicht früherer Protokolle ist mir klar geworden, daß man sich damals noch in einer größeren Kontinuität gegenüber dem Staat sah, der von den Nazis beherrscht wurde. Thomas Dehler hat 1950 auf die Rechtssicherheit verwiesen und gesagt, man könne doch nicht alles aufheben, was an Strafurteilen ergangen ist.

Wurden die Deserteure der Wehrmacht in die Generalklausel des Beschlusses aufgenommen?
Ja. Allerdings gab es die Schwierigkeit, daß auch schon in der Weimarer Republik die Fahnenflucht bestraft wurde, in schweren Fällen gar mit dem Tode. Wir haben ja nur das typisch nationalsozialistische Unrecht aufgehoben. Aber beginnend in den späten 30er Jahren waren alle Urteile der Militärstrafgerichte wegen Fahnenflucht derart vom NS-Denken beherrscht, daß sie typisch nationalsozialistisches Unrecht darstellten.

Was geschieht mit den Entscheidungen der Erbgesundheitsgerichte?
Die wurden alle aufgehoben.

Wie viele Menschen sind davon noch betroffen?
Das ist schwer zu sagen. Es hat in der Nachkriegszeit auf Länderebene viele Gesetze gegeben, die derartige Urteile aufgehoben haben. In diesen Ländergesetzen gab es allerdings Lücken. In vielen Fällen wußte man nicht, ob Urteile aufgehoben waren oder nicht. Jetzt liegt ein abschließendes Gesetz vor.

Was geschieht mit den Urteilen der Kriegsgerichte?
Auch sie sind aufgehoben. Wir haben im ersten Paragraphen eine Generalklausel. In ihr werden alle Entscheidungen aufgehoben, die gegen elementare Grundsätze der Gerechtigkeit verstoßen und die zur Durchsetzung des NS-Unrechtsregimes aus politischen, militärischen, rassischen, religiösen oder weltanschaulichen Gründen ergangen sind. Im zweiten Paragraphen werden besonders die Entscheidungen des Volksgerichtshofs erwähnt. Und dann sind in einer Anlage 59 Gesetze und Verordnungen erwähnt. Alle Entscheidungen, die darauf beruhen, sind nichtig.

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/1998/bp9801/9801073
Seitenanfang
Druckversion