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September 03/1998
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Premiere für 3,3 Millionen

Statistisches zur Bundestagswahl

Schon seit Wochen und Monaten beherrscht sie die Medien, sie kostet rund 100 Millionen Mark und wird 600.000 ehrenamtliche Helfer auf Trab bringen: die Bundestagswahl am 27. September. Sie wird eine Wahl der Superlative: So viele Parteien wie noch nie werben um 60,5 Millionen Wähler. Bundeswahlleiter Johann Hahlen, im Hauptberuf Präsident des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden, und sein Büroleiter Klaus Gaspers sind die Manager der Wahl, die entscheiden wird, ob Bundeskanzler Helmut Kohl erneut die Regierung bildet, oder aber zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik eine Bundesregierung per Wahl abgelöst wird. Entscheiden können rund 60,5 Millionen Bundesbürger. Und wieder einmal ist die Mehrheit der Wähler weiblich. 31,8 Millionen wahlberechtigten Frauen stehen nur 28,8 Millionen Männer gegenüber. Eine starke Mehrheit.
Für das weibliche Übergewicht sind eindeutig die älteren Jahrgänge verantwortlich. Wie aus den Statistiken der Wiesbadener Zahlenkünstler hervorgeht, übertreffen in der Altersgruppe ab 60 die 10,6 Millionen Frauen die 7,1 Millionen männlichen Wähler bei weitem. Eine Übermacht, die durch die jüngeren Altersgruppen nicht geschmälert wird. So ist das Verhältnis bei den Jungwählern bis 21 mit jeweils 1,2 Millionen ausgeglichen. Nur bei den Wählern zwischen 21 und 45 Jahren bilden die Männer mit 13,2 Millionen eine knappe Mehrheit gegenüber 12,7 Millionen Frauen. Wieder gleichauf sind die Geschlechter bei den 45- bis unter 60jährigen (je 7,3 Mio.).

Erstwähler und Nichtwähler

Zum "ersten Mal" wird das Kreuz auf dem Wahlzettel der Bundestagswahl 1998 für 3,3 Millionen Erstwähler der Geburtsjahrgänge 1977 bis '80. Hier haben die Männer mit 1,7 Millionen die Nase vor den Frauen mit 1,6 Millionen ganz leicht vorne. Allerdings werden auch diesmal nicht alle Wählerinnen und Wähler von ihrem demokratischen Recht Gebrauch machen. Bei der Bundestagswahl 1994 lag die Beteiligung bei 79,0 Prozent, so daß damals 47,7 Millionen Deutsche zur Wahlurne gegangen war. Experten rechnen mit einer mindestens so hohen Wahlbeteiligung auch im September; eine Quote, die im internationalen Vergleich einen Spitzenplatz einnimmt.
Und solch ein Berg von Stimmen will erst einmal ausgezählt sein. Deshalb  mag es kaum verblüffen, daß rund 600.000 Helfer am Wahltag versuchen, so schnell wie möglich nach Schließung der Wahllokale um 18 Uhr mit der Auszählung der Stimmen zu beginnen. 600.000 Helfer in rund 80.000 Wahllokalen und weiteren 10.000 Briefwahlbezirken. Wie die Helfer mit der Wahlurne umzugehen haben, das ist peinlich genau im Bundeswahlgesetz festgehalten. Zunächst muß festgestellt werden, wieviele Stimmen überhaupt abgegeben wurden. Dann wird geprüft, welche Stimmen ungültig sind. Auch dies wird dann offiziell "festgestellt". Und dann erst folgt die Auszählung.
Ist das Wahlergebnis im Wahllokal ermittelt, wird es an den Kreiswahlleiter gemeldet. Hat der dann sämtliche Meldungen aus "seinen" Wahllokalen erhalten, meldet er das Kreisergebnis an seinen Landeswahlleiter. Nach einer weiteren Prüfung geht das Ergebnis endlich an Bundeswahlleiter Johann Hahlen. Und dieser kann dann noch in der Wahlnacht das vorläufige amtliche Endergebnis mitteilen.
Doch natürlich klappt nicht immer alles. Noch harmlos sind Computerausfälle in den Wahlbezirken und -kreisen, der Zusammenbruch von Standleitungen oder das Verkleben der Türschlösser von Wahllokalen. Manchmal sorgen auch gewisse Vorlieben der Wahlvorstände für Verzögerungen, wie 1994. Damals dämmerte schon der Montag, als der Bundeswahlleiter vor die Medien trat, um das vorläufige Endergebnis zu verkünden. Der Grund: Damals fielen in einigen ostdeutschen Ländern die Landtagswahlen mit der Bundestagswahl zusammen. Und statt wie vorgeschrieben die Stimmen zur Bundestagswahl zuerst auszuzählen, interessierten sich viele Wahlhelfer mehr für die Stimmen zur Landtagswahl. Und zählten die zuerst.
"Diesmal haben wir die Wahlvorstände noch einmal ausdrücklich auf die richtige Reihenfolge hingewiesen", sagt Büroleiter Gaspers, der in seiner 20jährigen Arbeit in Wiesbaden schon sechs Bundestags- und vier Europa-wahlen organisiert hat. So schnell bringt ihn nichts mehr aus der Ruhe. Deshalb sieht er gelassen, daß auch diesmal rund um die Bundestagswahl einige andere Abstimmungen stattfinden. So wählt nicht nur Mecklenburg-Vorpommern ein neues Landesparlament. In Brandenburg finden am gleichen Tag Kommunalwahlen statt und in einigen Ländern zusätzlich Volksentscheide. So in Schleswig-Holstein, wo die Bürger über die Rechtschreibreform abstimmen. Und 14 Tage vor der Bundestagswahl bestimmen die Bayern, wer im neuen Landtag die Politik macht.

Wahlhelfer werben

Daß Bayern kurz hintereinander gleich zweimal wählen wird, bedeutet auch, zweimal die Wahllokale mit Helfern zu besetzen. Das ist offenbar nicht immer leicht, so daß sich einige Kommunen etwas einfallen lassen, um genügend Wahlhelfer zu finden. "Aus Nürnberg haben wir gehört, daß dort die Helfer freien Eintritt ins Schwimmbad erhalten", so Gaspers. "Und unter allen Helfern wird eine Reise in die Türkei verlost." Andere Städte wie die ehemalige Hauptstadt Bonn lösen das Problem, indem sie städtische Bedienstete "bitten", am Wahltag zur Verfügung zu stehen. Immerhin gewährt die Stadt Bonn einen freien Tag und 45 Mark Aufwandsentschädigung, so Sprecherin Elke Palm. "Deshalb haben wir keine Probleme, die Wahllokale zu besetzen."
Probleme nicht, aber Kosten. Dies erklärt auch, daß die Bundestagswahl nicht gratis zu haben ist. Sämtliche Kosten, die den Kommunen, Landkreisen und den Ländern entstehen, übernimmt der Bund. 1994 waren das genau 98.672.000 Mark. Erheblich mehr als 1953, der ersten Bundestagswahl, die der Bund bezahlt hat. 4,6 Millionen Mark reichten damals. 1949 hatten die Länder die Kosten sogar noch vollständig selbst übernommen. Einen Kostenschub gab es naturgemäß durch die Wiedervereinigung. Kostete die Bundestagswahl 1987 in der alten Bundesrepublik 59,3 Millionen, stiegen die Kosten für die erste gesamtdeutsche Wahl 1990 auf 90,4 Millionen Mark. Die Kosten der 98er Wahl schätzt Klaus Gaspers auf rund 100 Millionen Mark. Auf Basis der Wahlbeteiligung von 1994 würde dies 2,10 Mark pro Stimme bedeuten.

So viele Parteien wie nie zuvor

Dabei bewerben sich so viele Parteien wie noch nie seit 1949 um die Gunst der Wähler. Der Bundeswahlausschuß ließ 43 Parteien zu, wobei nicht alle Parteien in allen Bundesländern vertreten sind. Je nach Land schwankt die Zahl der Parteien erheblich. So kandidieren in Sachsen-Anhalt nur elf Parteien, in Nordrhein-Westfalen dagegen 25. In einigen Ländern hat sich die Zahl der Parteien im Vergleich zu 1994 besonders deutlich erhöht. In Hamburg zum Beispiel treten 15 Parteien an, vor vier Jahren waren es nur zehn. In der Bundeshauptstadt Berlin stieg die Zahl der Listen von 14 auf 23, in Niedersachsen von 13 auf 18 und in Rheinland-Pfalz von elf auf 16.

Auslandsdeutsche wählen auch

Eine besondere Rolle bei der Wahl spielt ein letztes Mal der Regierungssitz Bonn. Denn alle Auslandsdeutschen wählen per Briefwahl in Bonn und werden dort gezählt. "Vor vier Jahren machten rund 10.000 Deutsche im Ausland von der Wahlmöglichkeit per Brief in Bonn Gebrauch", so Sprecherin Elke Palm. 1998 könnten aber erheblich mehr Stimmen in der Stadt am Rhein eintreffen als vor vier Jahren. Denn das aktive Wahlrecht dürfen jetzt auch Deutsche ausüben, die schon bis zu 25 Jahre im Ausland leben. Bislang erlosch das Wahlrecht nach zehn Jahren. Für Deutsche, die in einem Mitgliedsland des Europarates leben, gilt diese Frist allerdings nicht. Und zum Europarat gehören praktisch alle Länder Europas einschließlich Rußlands. Ausnahmen sind beispielsweise der Vatikanstaat, Nord-Zypern und Weißrußland. Daß die kommende Bundestagswahl die Deutschen selbst ganz weit weg fasziniert, zeigt die Tatsache, daß schon Anfang August die ersten Wahlanträge eingetroffen sind. Nicht nur aus Ländern wie den USA, Pakistan, den Philippinen, Südafrika oder Burkina Faso. "Wir haben auch schon einen Wahlantrag aus der Republik Vanuatu", lächelt Palm. "Ich mußte selbst erst einmal nachschauen, wo das liegt." Vanuatu liegt im Südpazifik. Wie man sieht: Wählen bildet.
Quelle: http://www.bundestag.de/bp/1998/bp9803/9803013
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