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Dezember 05/1998
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Keine Zeit zum Atemholen

Der 14. Deutsche Bundestag hat nach seiner Konstituierung am 26. Oktober 1998 mit der Regierungserklärung und der Aussprache darüber seine Arbeit aufgenommen. Nach der Bundestagswahl bleibt den Abgeordneten keine Zeit zum Atemholen, denn wichtige Gesetzesvorhaben sollen unbedingt noch vor Weihnachten auf den Weg gebracht werden. Die Projekte des neuen Jahres stehen bereits mit auf der Tagesordnung.
Deutscher Bundestag
Ist das hier immer so?" Hinrich Thelen schüttelt den Kopf. Der Zuhörer auf der Besuchertribüne des Bundestages ist verwundert und ein wenig erschrocken. Gerade eben hat der Oppositionsführer, CDU/CSU-Fraktionschef Wolfgang Schäuble, die Gegenrede zur Regierungserklärung des neuen Bundeskanzlers Gerhard Schröder gehalten, mit heftigen Attacken auf das Regierungsprogramm für die Legislaturperiode. Die Redner sparen nicht mit gegenseitigen Vorwürfen, ihre Fraktionen reagieren mit lautstarken Zwischenrufen und Empörungsbekundungen.

Lebhafte Debatten

Nein, so lebhaft hat sich der Landwirt aus dem niederrheinischen Kreis Viersen die Bundestagsdebatten nicht vorgestellt. Sabine Melchinger stört das nicht. "Hier geht's ja echt ab", kommentiert die Schülerin aus Apolda, die ihre bisherigen Vorstellungen von Parlamentariern korrigieren muß. Sie begrüßt die Leidenschaftlichkeit der Debatten: "Da sieht man wenigstens, daß den Politikern so existentielle Dinge wie die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit wirklich wichtig sind." Daß große Teile der Parlamentsarbeit, etwa in den Ausschüssen, eher sachorientiert als polemisch ablaufen, beruhigt den Landwirt aus Viersen; und die Abiturientin aus Apolda findet es "echt gut", daß die Kontrahenten aus dem Plenarsaal sonst durchaus freundlich miteinander umgehen.

Große Vorhaben

Dabei steckt das neugewählte Parlament schon mitten in der Arbeit. Die Regierung und die sie tragende "rot-grüne" Koalition haben sich viel vorgenommen: Steuerreform, Rentenreform, Gesundheitsreform ? sie müssen in ihren Auswirkungen bedacht, genau durchgerechnet und in Gesetzesform gebracht werden. Und das alles natürlich neben den "normalen" Aufgaben des Parlaments, von der Beratung des Bundeshaushalts bis zur Reaktion auf außenpolitische Krisen.

Erste Schritte getan

Erste Reformschritte sind schon getan. Die Steuerreform wurde in erster Lesung bereits beraten und an die zuständigen Ausschüsse überwiesen, ebenso wie die Einführung der Ökosteuer. Da die Vorhaben vielfältige Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft haben, müssen sie in ihrer Verflechtung genau abgewogen werden. Beispiel Steuerreform: Nach dem Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 sollen vor allem Arbeitnehmer und Familien entlastet und im Gegenzug 78 Steuervergünstigungen abgebaut werden. Bei einem Gesamtvolumen von 57 Milliarden Mark ist eine Nettoentlastung von 15 Milliarden Mark vorgesehen. Damit aber die Haushalte von Bund, Ländern und Gemeinden durch die Einnahmeverluste nicht überlastet werden, wird die Senkung der Steuersätze auf drei Stufen bis zum Jahr 2002 verteilt.
Dabei ist unbestritten, daß der Gestaltungsspielraum vor allem von Großunternehmen bei der Ausnutzung von Steuervergünstigun-gen eingeschränkt werden soll. Eine Nebenwirkung haben die Steuerreformer aber erst kurz vor Einbringung des Gesetzes in den Bundestag erkannt: Gerade mittlere und kleine Unternehmen profitieren relativ spät von der Steuersenkung, müssen aber von Anfang an die Streichung von Steuerausnahmen mittragen. Unter dem Druck der mittelständischen Wirtschaft haben SPD- und Grünen-Fraktion noch Änderungen eingearbeitet, die nunmehr den Mittelstand um zusätzliche 5 Milliarden Mark entlasten sollen. Die Opposition hält gleichwohl die Steuerreform für verfehlt, neue Investitionen und Arbeitsplätze seien durch die geplante Reform nicht zu gewinnen. Die Wirtschaftsverbände beklagen, daß sie zu Mehrbelastungen von rund 30 Mrd. DM führen werde.

Einstieg in die Ökosteuer

Gleichzeitig will die rot-grüne Koalition mit der Verteuerung von Energie die Lohnnebenkosten senken, um die Schaffung von Arbeitsplätzen zu erleichtern. So sollen bis zum Jahr 2002 die Sozialbeiträge unter 40 Prozent (derzeitiger Stand: 42,3 Prozent) sinken, wofür zwischen 30 und 40 Milliarden Mark aufgebracht werden müssen.
Im Verlauf der Beratungen zeigte sich aber, daß die Belastung durch höhere Energie-steuern in vielen Betrieben nicht durch die Entlastung über niedrigere Sozialbeiträge ausgeglichen wird. Die BASF etwa erwartet für ihren Stammsitz in Ludwigshafen zusätzliche Kosten in Höhe von 130 Millionen Mark jährlich, aber nur eine Entlastung von 14 Millionen Mark. Das würde Arbeitsplätze gefährden, anstatt neue zu schaffen.
Um das Ziel zu verwirklichen, einerseits die Umwelt zu entlasten und andererseits die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen,  sollen nun Ausnahmeregelungen für energieintensive Branchen eingeführt werden, auch wenn das dazu führt, daß ausgerechnet die Großverbraucher von Energie relativ niedrige Ökosteuern zahlen.
Kritik entzündet sich vor allem an eben dieser Ökosteuer. Die Opposition wirft der Bundesregierung vor, mit dieser Steuer nichts für die Umwelt zu tun, da sie zu niedrig sei, um wirklich Verhaltensänderungen auszulösen. Dem Staat gehe es nur darum, neue Finanzierungsquellen zu erschließen.
Um die Ökosteuer unter Dach und Fach zu bringen, sind ausführliche Beratungen und Anhörungen der Betroffenen und der Sachverständigen notwendig. Vorgänge, die viel Zeit kosten. Das gilt auch für die langfristigen Vorhaben der Renten- und Gesundheitsreform.

Weitere Schritte angekündigt

Des weiteren sollen einige Beschlüsse der alten Bundesregierung rückgängig gemacht werden: In der Rentenversicherung wird die Dämpfung der Rentensteigerungen, der sogenannte demographische Faktor, zurückgenommen, in der Krankenversicherung die Zuzahlungen für Arzneimittel gesenkt. Hinzu kommen die Belastungen aus den weiteren geplanten Reformmaßnahmen. Deshalb beraten die Sozialexperten der Bundestagsfraktionen und der Ministerien parallel zu den aktuellen Gesetzesvorhaben auch schon über die "große" Reform, die bis zum Jahr 2000 Gestalt annehmen soll.

Deutsche EU-Ratspräsidentschaft

Keine Zeit zum Atemholen haben nach der Bundestagswahl auch die Außenpolitiker und die Abgeordneten im Europa-Ausschuß des Bundestages. Die müssen nämlich, zusammen mit den Europa-Experten aller Sachgebiete, die deutsche EU-Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 1999 vorbereiten. In dieser Zeit müssen wichtige Entscheidungen über die Finanzen und die innere Reform der EU fallen; beides ist Voraussetzung für die Aufnahme der Beitrittskandidaten aus Ost- und Mitteleuropa.
Von den Deutschen erwarten die anderen EU-Staaten nun, daß sie mit ihrem politischen und wirtschaftlichen Gewicht den "Entscheidungsstau" in der EU auflösen helfen. Im Kern geht es um die Neuordnung des EU-Haushalts, wobei die Nettozahler mit Deutschland an der Spitze eine Verringerung ihrer Beitragspflicht fordern. Darüber hinaus müssen die Agrarfinanzen und die Förderung für strukturschwache Gebiete reformiert werden, weil die Aufnahme der relativ armen osteuropäischen Staaten ohne Veränderung der Förderrichtlinien den EU-Haushalt sprengen würde. In dieser Situation müssen die Parlamentarier im Europa-Ausschuß des Bundestages ebenso wie die deutschen Diplomaten all ihr Verhandlungsgeschick aufbieten, um die absehbaren Interessenkonflikte bis zur nächsten Tagung des Europäischen Rates im Juni 1999 in Köln auszugleichen.

Mitten in der Arbeit

So steckt der Bundestag kurz nach dem Regierungswechsel bereits wieder mitten in der Arbeit. Und wenn die aktuellen Vorhaben in trockenen T
Quelle: http://www.bundestag.de/bp/1998/bp9805/9805006
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