Blickpunkt
Dezember 06/1998
Union und Liberale kritisieren "Chaos" und "neue Verwirrung"(as) "Wir haben vor der Wahl versprochen, daß wir die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in den Mittelpunkt unserer Politik stellen werden, und zwar nicht nur rhetorisch. Mit diesem Versprechen machen wir ernst", betonte Bundesarbeitsminister Walter Riester am 10. Dezember im Bundestag bei der 2. und 3. Beratung des Gesetzentwurfs von SPD und Bündnis 90/Die Grünen zu Korrekturen in der Sozialversicherung und zur Sicherung der Arbeitnehmerrechte ( 14/45, 14/151). Riester verwies auf die von der Bundesregierung initiierten Gespräche mit den Arbeitgebern und Gewerkschaften für ein Bündnis für Arbeit und erläuterte, man wolle mit der Wirtschaft und den Gewerkschaften die vorhandenen Probleme anpacken und auch lösen. Zum Bündnis für Arbeit gehöre es auch, die Situation auf dem Ausbildungsstellenmarkt zu verbessern. Die Vermittlung einer Berufsausbildung sei daher ein wesentlicher Baustein des Sofortprogramms zum Abbau von Jugendarbeitslosigkeit.Der Minister betonte die Notwendigkeit, die Arbeitskosten zu senken und so den Faktor Arbeit zu entlasten. Dies werde nun nach jahrelangem Anwachsen der Lohnnebenkosten mit dem Korrekturgesetz umgesetzt. So werde der Beitrag zur Rentenversicherung ab April 1999 abgesenkt. Damit stärke die Regierung die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft und die Kaufkraft der Arbeitnehmer jährlich um 11 Milliarden DM. Die sozialpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion, Birgit Schnieber-Jastram, warf der Regierung "Chaos" in der Sozial- und Steuerpolitik vor. Grundsätzlich müsse man ihr zwar eine "Schonfrist" zubilligen, aber eine neue Regierung müsse sich natürlich auch an ihren selbstgesteckten Zielen messen lassen. Wenn es hier um konkrete Maßnahmen gehe, nämlich um ein Mehr an Beschäftigung und an sozialer Gerechtigkeit, dann müsse die Regierung es sich schon gefallen lassen, daß man ihr keine Schonfrist einräume. Im übrigen sei es gerade der alten Koalition gelungen, in den letzten neun Monaten die Arbeitslosenzahl um 850.000 zu senken. Für die Bündnisgrünen verwies Annelie Buntenbach vor allem auf die Aufweichung des Kündigungsschutzes und die Kürzung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, die "geradezu Symbole für verfehlte Politik der Kohl-Ära" geworden seien. Mit diesem Affront gegen die Gewerkschaften habe die alte Regierung das erste Bündnis für Arbeit zum Scheitern gebracht. Deshalb sei das rot-grüne Korrekturgesetz die Rücknahme dieser "Brüskierung der Gewerkschaften" und somit eine wichtige Voraussetzung, um den Weg zu einem neuen Bündnis für Arbeit freizumachen. Angestrebt werde mehr soziale Gerechtigkeit. Dr. Irmgard Schwaetzer (F.D.P.) erklärte im Namen ihrer Fraktion, mit diesem Gesetzentwurf löse die neue Mehrheit zweifellos Wahlversprechen ein, aber sie stifte auch "neue Verwirrung und neue Unsicherheit". So werde die gesetzliche Regelung der vollen Lohnfortzahlung im Krankheitsfall in die nächsten Tarifverhandlungen zusätzlichen Streit hineintragen. Im übrigen führe diese Regelung wieder zu einer Verteuerung der Arbeit in Deutschland und "zweifellos nicht zu Neueinstellungen". Zudem werde die Wiedereinführung der "undifferenzierten Sozialauswahl" bei Entlassungen im Betrieb die Betriebe zwingen, hochmotivierte und hochqualifizierte Arbeitnehmer zu entlassen, nur weil sie unverheiratet seien. Dr. Heidi Knake-Werner (PDS) warf Union und Liberalen vor, während ihrer Regierungszeit sei die Arbeitslosenzahl "ins Unermeßliche" gestiegen, und die Menschen in Ost und West hätten den Glauben an die soziale Gerechtigkeit verloren. Die Quittung dafür hätten sie nun bekommen. Mit dem rot-grünen-Gesetz werde nun versucht, die größten Fehlleistungen der Kohl-Regierung im sozialen und im arbeitsrechtlichen Bereich zu korrigieren. Ob etwas Vergleichbares auch beim Bündnis für Arbeit gelingen werde, dürfe allerdings bezweifelt werden. Allein die Tatsache, daß es nach der ersten Runde zu einem Bündnis für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit "aufgeblasen" wurde, lasse leider "nichts Gutes ahnen". Die PDS-Abgeordnete mahnte in diesem Zusammenhang die Selbstverpflichtung der Industrieverbände an, für mehr Ausbildung und mehr Beschäftigung zu sorgen. |
Quelle:
http://www.bundestag.de/bp/1998/bp9806/9806020a