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März 02/1999
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630­DM­REGELUNG HEFTIG UMSTRITTEN

SPD: "Wahlversprechen eingelöst"­ CDU/CSU: "Trilogie des Grauens"

(as) "Heute ist ein wundervoller Tag", weil mit der Verabschiedung des Gesetzes zur Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse ( 14/280, 14/441) ein weiteres Wahlversprechen eingelöst werde. Das betonte Leyla Onur (SPD) am 4. März im Bundestag, als sie für ihre Fraktion die Rednerrunde eröffnete.

Die Sozialdemokraten hätten im Wahlprogramm und konsequenterweise auch in der Koalitionsvereinbarung festgeschrieben, den Mißbrauch der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse zu stoppen. Man habe sehr wohl die Schwierigkeiten erkannt, vor diesen jedoch nicht kapituliert, sondern sei "mutig und kraftvoll" an sie herangegangen. Mut habe man auch bei der Feststellung bewiesen, nicht alle Probleme auf einmal "konsequent und optimal" lösen zu können. Die Sozialdemokratin konstatierte, man habe nun Probleme zu lösen, die auch von der jetzigen Opposition eigentlich nie bestritten worden seien. Diese habe jedoch nicht das "Rückgrat" gehabt, um die Probleme anzugehen.

Entwicklung stoppen

Der "dramatische Aufwuchs" von geringfügiger Beschäftigung müsse endlich gestoppt werden. Systematisch, so Onur, seien Vollzeit­ und Teilzeitarbeitsverhältnisse "zerstückelt" worden. Und zunehmend seien von Arbeitgeberseite nur noch geringfügige Beschäftigungsverhältnisse angeboten worden, weil so Kosten gespart werden konnten. Diesen "verheerenden Entwicklungen" werde mit dem Gesetz ein Riegel vorgeschoben.

Für die CDU/CSU­Fraktion führte Dr. Peter Ramsauer aus, dies sei kein "wunderschöner Tag", sondern die beiden letzten Tage seien "rabenschwarze Tage für unser Land", und zwar für die Menschen, vor allen Dingen für die "kleinen Leute", für die Gerechtigkeit, die Wirtschaft, die Investitionen und die Arbeitsplätze gewesen. Die Ökosteuer, die Steuerreform und die Änderung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse seien eine "Trilogie des Grauens".

Die Neuregelung der geringfügigen Beschäftigung könne nur als "verheerender Pfusch" bezeichnet werden. Ramsauer zitierte kritische Zeitungsartikel und verwies in seiner Rede auf Äußerungen des Bundeskanzlers, der erklärt habe, die Arbeitsverhältnisse blieben steuerfrei, und zwar unabhängig von weiteren Einkünften. Bei dem jetzigen Gesetz sei jedoch etwas ganz anderes herausgekommen. Das Gesetz habe in seiner parlamentarischen Beratung "eine Kette von gebrochenen Versprechen" erlebt. Noch in der letzten Legislaturperiode habe die SPD vorgeschlagen, die geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse ab einem Arbeitsentgelt von etwa 90 DM im Westen und 77 DM im Osten in die Sozialversicherung einzubeziehen. In der Regierungserklärung des Kanzlers habe es dann geheißen, die Grenze für die Mini­Jobs werde auf 300 DM gesenkt, die Pauschalsteuer solle aufgehoben werden. Auch sei zu befürchten, so Ramsauer, daß mit dieser Politik die Schwarzarbeit gefördert werde.

Dr. Thea Dückert von Bündnis 90/Die Grünen räumte ein, das Gesetz sei tatsächlich eine "schwere Geburt" gewesen, und es könne "in der Tat nicht alle Probleme im Bereich der geringfügig Beschäftigten lösen". Insbesondere könne es nicht die arbeitsmarktpolitischen Probleme von Frauen lösen. Das habe man aber auch nicht versprochen. In diesem Bereich gebe es keine einfachen Lösungen. Dennoch habe man dieses Gesetz gemacht und verglichen mit dem, was von CDU/CSU und F.D.P. im Bereich dieser prekären Beschäftigung hinterlassen wurde, eine "erhebliche Verbesserung" erreicht.

Sozialkassen stabilisieren

So würden die Sozialkassen stabilisiert und einem Aufwuchs der Mini­Jobs entgegengewirkt. Außerdem würden Kontrollmöglichkeiten in diesem Beschäftigungsbereich eingeführt, so daß er "endlich aus der Grauzone" herauskomme. Ferner werde von der ersten Mark an der Zugang zur Rentenversicherung eröffnet. Im Gesetzgebungsverfahren habe man versucht, so Dückert, "in sachlicher Weise und mit kühlem Kopf" die Änderungswünsche und die Kritik aufzunehmen und umzusetzen.

Das Wahlversprechen der Koalitionsfraktionen habe sich als ein "Qualversprechen" entpuppt, betonte Dr. Irmgard Schwaetzer für die F.D.P. Das 630­DM­Gesetz sei ein "Flop" oder ein "Trauerspiel in fünf Akten". Als erstes blieben die Vetorechte des Betriebsrats auf der Strecke, dann gebe es für den Pauschalbeitrag doch Entgeltpunkte im Rentenrecht. Auch versuche die Koalition, sich bei der Krankenversicherung aus den "selbstgestrickten Fangnetzen" zu befreien. Die Bemühungen der "rotgrünen Reparaturkolonne" stellten allerdings die Sinnhaftigkeit des Vorhabens erst recht in Frage. Sie behaupteten, ein Problem zu lösen, und hätten dabei drei neue am Hals.

Liberale: Mehrbelastung

Auch stimme es nicht, daß es keine neuen Belastungen geben werde. In Wahrheit sei die Ablösung der Lohnsteuerpauschale durch die Pauschalbeiträge "natürlich eine Mehrbelastung", da die Lohnsteuerpauschale im Gegensatz zu den Pauschalbeiträgen lediglich eine Option für den Arbeitgeber gewesen sei.

Dr. Heidi Knake­Werner (PDS) erklärte, sie könne "ausdrücklich zustimmen", wenn die Sozialdemokraten sagen, sie hätten Mut gezeigt, weil sie sich endlich mit den Mini­Jobs befassen. Mut allein reiche aber nicht. Es müsse ein Konzept her, und zwar eines und nicht fünf verschiedene. Die Einbeziehung der 630­DM­Jobs in die Sozialversicherung und das Stoppen des Mißbrauchs damit seien seit Jahren überfällig. Ziel der neuen Regierung sei es nun, eine weitere Zersplitterung des Normalarbeitsverhältnisses in 630­DM­Jobs "endlich zu stoppen" und mehr sozialen Schutz für die dort Beschäftigten zu schaffen. Jede Erwerbsarbeitsstunde solle versicherungspflichtig werden, und vor allem Frauen würde eine bessere Alterssicherung versprochen. Das seien "ehrgeizige Ziele", die auch die PDS unterstütze. Mit dem Gesetzentwurf würden diese Ziele jedoch nicht erreicht. So sehr man natürlich die Angleichung des Niveaus begrüße, so deutlich müsse gesagt werden, daß die Angleichung auf das Niveau von 630 DM gerade für Ostdeutschland das "völlig falsche Signal ist".

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/1999/bp9902/9902045
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