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November 10/1999
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ANHÖRUNG IM FACHAUSSCHUSS

Experten fürchten "Flucht aus Solidarsystem"

(ge) Ein weiterer Anstieg der Beitragssätze und eine Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) wird die freiwillig Versicherten zu einer "Flucht aus dem Solidarsystem" und hin zur Privatkasse treiben. Dies betonte ein Experte der Ersatzkassen am 2. November in einer öffentlichen Anhörung des Gesundheitsauschusses zur Reform der Gesetzlichen Krankenversicherung ab dem Jahr 2000.

Basis der Diskussion waren Änderungsanträge von SPD und Bündnis 90/Die Grünen zum Risikostrukturausgleich (RSA) im Rahmen der GKV­Reform ( 14/1245). Es sei ein "Akt der Gerechtigkeit", so der Vertreter der Ersatzkassen, die Kassenarten miteinander zu vergleichen und zu sehen, wer sich bemühe, das Problem kassenintern zwischen Ost und West zu lösen. Ohne diese "kassenartinterne Solidarität" sei eine Lösung des hohen Verschuldungsproblems der Ostkassen nicht möglich.

Die Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) müssten sich selbst helfen. Im Übrigen habe man durch den derzeitigen Risikostrukturausgleich bereits eine "dramatische Übersteuerung".

Probleme struktureller Art

Der Vertreter des Bundesverbandes der Ortskrankenkassen (AOK BV) bewertete den von den Koalitionsfraktionen vorgeschlagenen Risikostrukturausgleich hingegen positiv. Die Probleme der AOKen in Ostdeutschland seien struktureller Art und eine Folge der Wiedervereinigung. Solange in Ostdeutschland weiterhin niedrigere Löhne gezahlt würden als im Westen des Landes, die Ausgaben für das Gesundheitswesen jedoch gleich hoch seien, sei ein Finanzausgleich unabwendbar. Bei gleichen Beitragssätzen hätten die AOKen unterschiedliche Belastungen, so dass sie im Laufe der letzten zehn Jahre ihre Rücklagen hätten abbauen müssen. Für die AOK sei es "völlig unmöglich" zu einer anderen Beitragssatzgestaltung zu gelangen. Ohne die Finanzmittel aus dem RSA sei es für sie nicht möglich, aus der Verschuldung herauszukommen.

Auch der Vertreter des Fachministeriums des Landes Sachsen­Anhalt hielt den Vorschlag der Koalitionsfraktionen für "zielführend", wenn auch nicht für ausreichend. Trotz des Risikostrukturausgleiches sei es nicht möglich, den Schuldenstand der Ostkassen abzubauen. Dafür brauche man eine andere Lösung. Denkbar wäre zum Beispiel, bestimmten Regionalkassen durch eine Einmalzahlung dabei zu helfen, die Schulden abzubauen. Nur so werde vermieden, dass man auf Dauer mit hohen Schulden und hohen Zinszahlungen leben müsse.

Der Vertreter des Bundesversicherungsamtes in Berlin rechnete den Abgeordneten vor, konservativen Schätzungen zufolge werde der RSA inklusive der Änderungen durch die GKV­Reform im kommenden Jahr zu Transferzahlungen von West nach Ost in Höhe von 4,05 Milliarden DM führen. Dies bedeute einen Anstieg der Beitragssätze in Westdeutschland zwischen 0,18 Prozent­ und 0,2 Prozentpunkten. Gleichzeitig würden die Beitragssätze in Ostdeutschland um 0,74 bis 1 Prozent zurückgehen.

Der Vertreter der Barmer Ersatzkasse fügte ergänzend hinzu, die AOK­Ost habe 1998 durch den RSA 20,61 Milliarden DM erhalten. Ihre tatsächlichen Leistungsausgaben hätten jedoch nur bei 20,55 Milliarden DM gelegen. Die Barmer Ersatzkassen müssten zum Beispiel in den RSA und an die Barmer Ersatzkassen in Ostdeutschland zahlen. Dies sei eine "glatte Überforderung" der Beitragszahler im Westen.

"Eklatanter Verstoß"

Auch der Verband der Angestelltenkrankenkassen (VdAK) wandte sich gegen die Pläne, im Jahr 2000 zusätzliche Finanzhilfen in Höhe von 1,3 Milliarden DM insbesondere an die Ost­AOKen fließen zu lassen. Dies bedeute eine weitere Belastung der Ersatzkassenversicherten in Höhe von etwa 560 Millionen DM. Dieser beabsichtigte zusätzliche Finanztransfer an die AOKen in die neuen Länder stelle einen "eklatanten Verstoß" gegen jeden Gerechtigkeitsgrundsatz dar und führe dazu, dass die keineswegs immer einhellige Akzeptanz des RSA "völlig zerstört wird".

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/1999/bp9910/9910020a
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