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März 2/2003
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Wechsel im Dreierschritt

Saal

Hans-Ulrich Gerland ist Sekretär des 1. Untersuchungsausschusses dieser Wahlperiode. Fremd ist ihm die Arbeit nicht, aber das schützt nicht vor Neugier.

Beim Nachdenken darüber, wie das Leben bislang so gelaufen ist, muss sich Hans-Ulrich Gerland eingestehen, dass die Zahl Drei eine Rolle spielt. In gewisser Weise teilt sie sein Berufsleben in unterschiedlichste Abschnitte. Als gäbe eine innere Uhr nach drei Jahren das Signal zum Wechsel. Oder als brächten es die äußeren Umstände mit sich. Das kann er nicht genau sagen. Es ist am Ende auch nicht so wichtig, obwohl darin eine Menge Möglichkeiten enthalten sind. Wo wird der Mann in drei Jahren sein, könnte man fragen.

Die Frage hat schon deshalb ihre Berechtigung, weil in diesen Wochen wieder eine neue Arbeit begonnen hat. Neu und alt zugleich. Hans-Ulrich Gerland ist Sekretär des 1. Untersuchungsausschusses der 15. Wahlperiode geworden. Eine Tätigkeitsbezeichnung, mit der man auf Partys nicht unbedingt einen Vogel abschießt. Viel zu sachlich, um auf spannende Inhalte schließen zu können. Andererseits hat man bei dem Begriff Untersuchungsausschuss schon ein paar Bilder und Geschichten im Kopf. Geht es da nicht auch um die Erforschung ungeklärter Sachverhalte, die Vernehmung von Zeugen nach den Regeln des Strafverfahrens, um Aussagen und Aussageverweigerungen, um offene und geheime Dokumente, um die Aufdeckung von Missständen, um Unerklärliches und Unentdecktes, um Lügen und Geheimnisse?

Saal
Hans-Ulrich Gerland
Aktenordner

So völlig in Abrede stellen mag das der 43-Jährige nicht. In der 13. Wahlperiode hat er als Referent für den Plutonium-Untersuchungsausschuss gearbeitet. Der habe, sagt Gerland, schon so etwas Skandal- und Geheimnisumwittertes gehabt. Ein bisschen wie ein Krimi. Aber, das sagt er auch, nicht jeder Ausschuss sei so spektakulär, doch hinter jedem verberge sich eine Unmenge Kleinarbeit.

Der jetzige Untersuchungsausschuss erhielt in den vergangenen Wochen von den Medien viele Bezeichnungen, von denen die meisten nicht sonderlich schmeichelhaft waren: „Lügenausschuss“ nannten sie ihn, ein Wort, mit dem sich Schlagzeilen machen lassen. Sachlich betrachtet soll in dem Gremium herausgefunden werden, ob im Wahlkampf des vergangenen Jahres wider besseren Wissens falsche Wahlversprechen abgegeben wurden. Aber sachlich oder weniger sachlich: Es klingt nach einem schwierigen Unterfangen. Nicht nach einem Krimi.

Für Hans-Ulrich Gerland beginnt das Ganze sowieso erst einmal recht unspektakulär mit dem Aufbau eines gut funktionierenden Sekretariats. Darin ist er geübt. Er könne sich, sagt er, in eine Arbeit verbeißen und versuche, die anstehenden Sachen schnell und reibungslos vom Tisch zu kriegen. Bei der Arbeit, sagt er, müsse alles seine Ordnung haben.

Mikrophone

Ohne ein funktionierendes Sekretariat wäre ein Untersuchungsausschuss zu heilloser Unordnung verurteilt. Schließlich muss jede Sitzung akribisch vor- und nachbereitet, müssen Akten beigezogen, die Tagesordnungen geschrieben, Zeugen und Sachverständige geladen, die Beweiserhebungen durchgeführt und letztlich Aussagen und Unterlagen ausgewertet werden. Es muss, wenn der Ausschuss seine Arbeit aufnimmt, vom Stempel über das Briefpapier bis zur Raumplanung alles vorbereitet sein. Dafür gibt es das Sekretariat, dem Hans-Ulrich Gerland vorsteht, und dem noch eine Referentin, eine Büroleiterin, eine geprüfte Rechtskandidatin, zwei Schreibkräfte und studentische Hilfskräfte angehören. Am Ende der Ausschussarbeit wird es einen Abschlussbericht geben, bei dem das Sekretariat umfangreiche Zuarbeiten liefert. Aber bis dahin vergeht noch Zeit. Längstens drei Jahre. Man wird sehen.

Gegenwärtig ist der Stand so: Es gibt Sekretariatsräume in der Dorotheenstraße 97, die bezogen sind, es gibt elf ordentliche und elf stellvertretende Mitglieder des Ausschusses, die ersten Sitzungen haben bereits stattgefunden, und es gibt die große Kladde. Die gehört Hans-Ulrich Gerland und in der steht, was alles wann zu tun ist. Was erledigt ist, wird durchgestrichen.

Der Raum, in dem Hans-Ulrich Gerland arbeitet, verrät nicht viel über ihn. Sachlich, praktisch, funktional ist die Einrichtung. Nur eine golden glänzende Glocke auf dem Tisch macht eine Ausnahme. Die bekommt der Ausschussvorsitzende, um bei den Sitzungen für Ruhe und Ordnung zu sorgen, sollte es mal hoch hergehen. Hans-Ulrich Gerland sitzt bei jeder Sitzung links neben dem Ausschussvorsitzenden. Ein exklusiver Platz ist das, hin und wieder werden die beiden Kinder ihren Vater im Fernsehen sehen können. Ansonsten ist ein Untersuchungsausschuss nicht unbedingt eine familienfreundliche Veranstaltung.

Klar ist, dass es kein Studium gibt, das einen zum Ausschusssekretär qualifiziert. Wie wird man es dann?

Angefangen hat Hans-Ulrich Gerland mit einem Studium der Sonderpädagogik. Es war die Zeit des „Parkas“, der „Selbststrickpullover“ und der WDR-Rockpalastsendungen. Für Sonderpädagogen sah der Arbeitsmarkt nicht gut aus und ohne Perspektive machte das Studieren wenig Spaß. Also sattelte Hans-Ulrich Gerland auf Jura um.

Nach dem Studium arbeitete Hans-Ulrich Gerland erst einmal als Assistent bei dem Verfassungsrechtler Prof. Dr. Hans-Peter Schneider. 1989 bewarb er sich auf eine Stelle, die der Bundestag ausgeschrieben hatte: Wissenschaftlicher Dienst, Fachbereich Verfassung und Verwaltung. Es war die Zeit der Vereinigung beider deutscher Staaten und auf Verfassungsrechtler kamen ungeahnte Fragen zu. Vieles musste neu bedacht und überdacht werden – interessante Jahre waren das also. Drei an der Zahl im Übrigen.

Hans-Ulrich Gerland
Fenster

Danach kamen drei Jahre im Bereich Parteienfinanzierung, einer Verwaltungseinheit des Bundestages, die den Präsidenten bei der Kontrolle der Rechenschaftsberichte der Parteien unterstützt. 1995 begann die Arbeit im Plutonium-Untersuchungsausschuss. Da sei er hineingeworfen worden, ohne viel Zeit zum Überlegen zu haben, sagt er und empfindet es noch heute als einen Glücksfall. Insbesondere weil es so spannend war, mitten im Ablauf der Ereignisse zu sein. Wenn man einmal in einem Untersuchungsausschuss gearbeitet hat, kann es schnell passieren, dass man wieder geholt wird. So wie dieses Mal. Da kam ein Anruf von der Personalstelle, ob er für den Untersuchungsausschuss arbeiten wolle, und wenige Tage später schon hat er angefangen. Alles musste schnell gehen, denn schon einige Tage, nachdem der Antrag eingebracht worden war, und wenige Minuten, nachdem der Bundestag der Einsetzung des Ausschusses zugestimmt hatte, konstituierte sich das Gremium.

Was ihm an allen bisherigen Tätigkeiten gefallen hat, ist die Möglichkeit, viele Menschen mit höchst unterschiedlichen Biographien kennen zu lernen. Meistens im Drei-Jahres-Takt. Das schützt davor, auf der Stelle zu treten und so gefällt es ihm. So wie er es manchmal mag, zu Hause aus der Rolle des seriösen Beamten zu schlüpfen und ein bisschen auf der E-Gitarre „rumzuhämmern“. So nennt er es selbst, weil ihm spielen zu hoch gegriffen wäre. Die Kinder, vier und sieben Jahre alt, verdrehen etwas die Augen und sagen dann nicht frei von Ironie: „Papa geht in den Keller, jetzt wird’s laut.“ „So ganz kann man die Rockpalast-Jahre halt nicht ablegen“, gibt Gerland, ebenfalls nicht unironisch, zu. Und obwohl er da in seinem eher kühlen Büro mit den hellgrauen Möbeln und weißen Wänden sitzt, ein fachlich versierter Mann mit Anzug und Krawatte, kann man ihn sich vorstellen, wie er hin und wieder im Keller seine eigene kleine Revival-Party macht. Nur für sich und fürs Vergnügen.

Text: Kathrin Gerlof
Fotos: studio kohlmeier

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/2003/bp0302/0302033a
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