Die politische Diskussion um den Gebrauch der legalen Suchtstoffe Tabak und Alkohol verschärft sich zunehmend. Gesundheitspolitiker in Bund und Ländern fordern weitreichende, einschränkende Maßnahmen - vor allem beim Jugendschutz oder bei der Werbung. Auch die Europäische Union ist dabei eine treibende Kraft: So startete Verbraucherschutzminister David Byrne im Oktober 2004 eine 72 Millionen Euro teure Medienkampagne gegen das Rauchen. Die Beschriftungen auf den Zigarettenschachteln sind deutlich drastischer geworden. Die EU-weiten Subventionen für Tabakbauern werden bis 2010 nach und nach auslaufen. Dem gesundheitspolitischen Aspekt steht allerdings der wirtschaftliche gegenüber. Mit Tabak und Alkohol werden Millionen verdient.
Der Verband der deutschen Bierbrauer sieht sich keineswegs als legaler Dealer. Er meint vielmehr: "Nicht der Konsum von Alkohol ist das Problem, sondern der Missbrauch. Die weit überwiegende Mehrheit der Alkoholkonsumenten treibt keinen Missbrauch, sondern geht verantwortungsbewusst mit alkoholischen Getränken um." Ebenso sieht das der Zentralverband der Deutschen Spirituosenindustrie (BSI). Und weiter: "Maßnahmen, die an der Verfügbarkeit alkoholischer Getränke ansetzen, gehen am Ziel der Missbrauchsbekämpfung vorbei."
Das gilt offensichtlich vor allem für Jugendliche. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) veröffentlichte in der vergangenen Woche eine Studie über den Umgang von Jugendlichen mit den so genannten Alkopops. Diese alkoholhaltigen Mischgetränke bestehen entweder aus Schnäpsen und Limonaden oder aus Bier und Limonaden. Das Ergebnis der Studie zeigt deutlich: Während das regelmäßige, reine Bier- und Spirituosentrinken seit 25 Jahren bei Jugendlichen zwar tendenziell eher abnimmt, hat sich der Anteil Jugendlicher, die alkoholische Mixgetränke konsumieren, zwischen 2001 und 2004 von 8 auf 16 Prozent verdoppelt. Ursache hierfür ist unter anderem die intensive Vermarktung der Alkopops. Sie gehören zu den beliebtesten alkoholischen Getränken Jugendlicher. Den Verband der Bierbrauer wundert das nicht: "Gerade auf Jugendliche wirken Verbote nicht abschreckend, sondern eher noch anziehend." Und der BSI verweißt auf den generellen Rückgang des Spirituosenkonsums bei Jugendlichen, ohne auf die Alkopops auf seiner Internetseite näher einzugehen. Er sieht die Studie der BZgA sogar als Beleg dafür, dass die Aufklärung über die Gefahren des Alkohols bei den Jugendlichen gefruchtet habe. Es kommt eben immer ganz auf die Sichtweise an. Schließlich verdienen die Spirituosenhersteller sehr gut an den Alkopops.
Wie gut genau, ist schwer zu ermitteln. Auf Nachfrage gab es beim BSI keine konkreten Angaben dazu. Stattdessen verweist der Verband auf die Umsatzrück-gänge nach Einführung der Alkopopsteuer. Überhaupt machten die Alkopops am Gesamtmarkt der alkoholischen Getränke nur einen geringen Anteil aus. 2003 seien es 0,8 Prozent und 2004 ungefähr 0,5 Prozent gewesen, so der BSI.
Dennoch sind die Alkopops zwar ein kleiner, aber dennoch ein feiner Markt: Denn er bringt den Herstellern enorme Zuwachsraten. Nach Berichten der Forschungsgruppe AC-Nielsen sind bereits 2002 für den Absatz von Alkopops die größten Umsatzsteigerungen aller Getränke und Lebensmitteln überhaupt verzeichnet worden. 2003 habe der Boom angedauert, mehr als 200 Millionen Flaschen Alkopops seien in den Handel gegangen. Dabei wurde die Absatzsteigerung zunächst in der Gastronomie und in der zweiten Jahreshälfte durch den Vertrieb im Lebensmittelhandel erzielt. Es scheint also so, als ob vor allem die Spirituosenproduzenten mit den Alkopops Umsatzrückgänge im allgemeinen Geschäft aufgefangen haben. Die Caritas schätzt, dass seit der Einführung der Mixgetränke ihr Umsatz um 340 Prozent gestiegen ist, die Bremer Bürgerschaft spricht von einer Verdreifachung der Zahlen seit 2001. Die Spirituosenhersteller verweisen darauf, dass sie natürlich auf den verantwortungsvollen Umgang der Jugendlichen mit dem Alkohol setzen. Nicht nur die Studie der Bundeszentrale zeigt aber, dass das nicht der Fall ist. Die meisten Jugendlichen können mit den Mischgetränken, deren Alkoholgehalt man nicht herausschmeckt, eben nicht umgehen. Gesundheitspolitiker haben daher schon eine Einschränkung der Werbung gefordert. Dadurch aber sieht der BSI sein vitales ökonomisches Interesse bedroht. Er meint: "Die kommerzielle Kommunikation spielt eine fundamentale und unverzichtbare Rolle in einem freien, fairen und lauteren Wettbewerb."
Des Deutschen liebstes Kind beim Alkoholkonsum bleibt aber nach wie vor das Bier. 2003 setzten die deutschen Brauer 9.022 Millionen Euro um. 34.412 Menschen waren direkt in der Bier-Industrie beschäftigt. Insgesamt gab es 2003 1.268 Braustätten, die die Bierhersteller selbst betrieben. Die Restaurant-Gastronomie ist noch nicht eingerechnet. Bier ist also ein Arbeitsmarktfaktor, nicht nur bei den Brauern, sondern auch in zahlreichen Zulieferbetrieben. So investierten die Brauer mehr als eine halbe Milliarde Euro in neue Maschinen; die technische Ausstattung muss ständig von Experten gewartet werden. Deutsche Glashütten fertigen Millionen von Flaschen, Spediteure verladen und transportieren sie. Die Flaschen müssen zudem vorher etikettiert werden, das freut die Verpackungsindustrie. Für fast jedes deutsche Bier wird irgendwo geworben: Agenturen, Zeitungen oder Fernsehsender profitieren davon. Und nicht zuletzt müssen die Brauer ihre Rohstoffe, zum Beispiel Hopfen und Malz, in der Landwirtschaft einkaufen.
Auch der Staat nimmt sich seinen Schluck aus den Flaschen: 2003 waren es 783 Millionen allein durch die Biersteuer. Neben dieser, wenn man so will Branchen-spezifischen Steuereinnahme kommen natürlich noch die Steuern hinzu, die bei jedem anderen Geschäftsfeld auch anfallen würden: Die Körperschafts- oder Einkommenssteuer für die Brauerei-Betriebe beziehungsweise ihre Angestellten. Ebenso die Getränkesteuer und die Mehrwertsteuer.
Lukrativer Weinanbau
Der Suchtstoff Alkohol befindet sich aber nicht nur im Kölsch, Pils oder Alt. Auch der Genuss eines Rieslings oder Spätburgunders kann zu Abhängigkeit oder Suchtverhalten führen. Im Jahr 2003 setzten die deutschen Winzergenossenschaften insgesamt 750 Millionen Euro um. Die Zahl der Beschäftigen in diesem Bereich ist nur schwer zu beziffern, da die saisonbedingt eingestellten Helfer in den Statistiken nicht auftauchen. Der Fiskus nähert sich dem Rebensaft allerdings nur auf Umwegen. Eine allgemeine Weinsteuer gibt es nicht. Das mag vielleicht auch an den Erfahrungen von 1926 liegen, als Winzer in Bernkastel-Kues das Finanzamt stürmten und damit die Reichsweinsteuer zu Fall brachten. Offiziell wird der Verzicht auf eine Weinsteuer auch damit begründet, dass Winzer angewandte Landschaftspflege betrieben und daher für die Allgemeinheit besondere Dienste leisten würden, für die sie nicht noch als Dank zusätzlich besteuert werden sollten.
Allerdings sehen das offenbar in der Europäischen Kommission nicht alle so. Im November vergangenen Jahres berichtete das Magazin "Wein Plus": "In der EU gibt es Überlegungen, eine Weinsteuer zu erheben. So eine Steuer würde aber nach Ansicht der einheimischen Winzer einen erheblichen Wettbewerbsnachteil im Vergleich zu Nicht-EU-Erzeugern bedeuten." In einigen Bundesländern leben ganze Regionen vom Weinanbau. Die Einführung einer allgemeinen Weinsteuer dürfte also auch einiges an unangenehmen politischen Gerbstoffen beinhalten. Das heißt aber nicht, dass der Fiskus gänzlich seine Finger vom Wein lässt. Vom Korn und Likör übrigens auch nicht. Er konzentriert sich dabei sowohl auf Hoch- als auch auf Niedrigprozentiges. So brachte die Branntweinsteuer 2003 2204,4 Millionen Euro ein, bei der Schaumweinsteuer waren es 432,3 Millionen.
Den Löwenanteil an den Verbrauchssteuern macht aber immer noch die Tabaksteuer aus. Das Statistische Bundesamt hat ermittelt, dass im Jahr 2003 14.093,9 Millionen Euro in die Staatskasse flossen. Nach Angaben der Gewerkschaft Nahrungsmittel, Genuss, Gaststätten (NGG) betrug der Umsatz der Tabakindustrie (einschließlich der Tabaksteuer, aber ohne Umsatzsteuer) im selben Zeitraum 22,1 Milliarden Euro. 11.677 Menschen seien in der Branche direkt angestellt, so die Wiesbadener Statistiker. Der Verband der Cigarettenhersteller (VDC) gibt an, dass insgesamt 100.000 Arbeitsplätze in Deutschland am blauen Dunst hingen. Im Gegensatz zur Alkoholindustrie behauptet der VDC nicht, dass nur der Missbrauch seiner Produkte schädlich ist: "Es gibt keine ungefährliche Zigarette." Angesichts von Millionen von Schadensersatzklagen in den USA ist diese Einsicht wohl nicht nur gesundheitspolitisch motiviert, sondern wohl auch juristisch sehr weitsichtig. Der VDC setzt außerdem auf seine aktive Rolle als Arbeitgeber. Nicht nur in Deutschland. In einer Pressemitteilung propagiert er das Rauchen als praktizierte Entwicklungshilfe: "Tabak wird weltweit in rund 90 Ländern der Erde angebaut und schafft dort Arbeit und Einkommen für sehr viele Kleinbauern und ihre Familien. Die meisten Länder sind Entwicklungsländer."
Gleichzeitig betonen die Tabakhersteller, dass sie sich ihrer sozialen Verantwortung stellen und verweisen auf die zahlreichen Werbebeschränkungen, wie zum Beispiel das Verbot der Tabakwerbung in Jugendzeitschriften oder in Sportstätten. Ob diese Einschränkungen aber immer auch tatsächlich freiwillig vollzogen wurden, oder ob die Produzenten damit nicht eher härteren gesetzlichen Regeln zuvorkommen wollten, sei dahin gestellt. Seit Dezember 2004 gilt die neue Stufe der Tabaksteuererhöhung. Das verteuert die einzelne Zigarette um durchschnittlich 1,2 Prozent. Der Verband der Zigarettenindustrie läuft Sturm dagegen, da im September 2005 die Steuer noch einmal um denselben Betrag steigen wird. Er befürchtet Umsatzeinbußen von 800 bis 900 Millionen Euro, weil die Verkäufe deutlich zurückgingen beziehungsweise weil mehr aus dem Ausland eingeschmuggelt werde. Selbst der Finanzminister hat zwischenzeitlich schon mit einer Aussetzung der dritten Stufe der Tabakerhöhung geliebäugelt, weil er feststellen musste, dass die Verbraucher kurzfristig weniger geraucht haben. Welch ein Dilemma?