Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 08 / 21.02.2005
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Volker Koop

Demokraten rücken zusammen

"Bei Extremisten darf es kein Pardon geben"

Die deutschen Neonazis werden zufrieden sein: Mit ihrem Einzug in den Sächsischen Landtag, mit der Gleichsetzung von Holocaust mit dem Bombenangriff der Alliierten auf Dresden, mit ihrer Ankündigung am 60. Jahrestag des Kriegsendes am 8. Mai am Brandenburger Tor und dem Holocaust-Mahnmal demonstrieren zu wollen und mit ihrer Absicht, bei der Bundestagswahl im kommenden Jahr mit einem Wahlbündnis von NPD und DVU anzutreten, haben sie für ein Aufsehen in den Medien und für eine Resonanz in der Politik gesorgt, von dem sie vor einem Jahr sicherlich nicht einmal zu träumen gewagt hätten.

Das Verbot der NPD ist plötzlich ebenso wieder zum Thema geworden wie Änderungen im Versammlungsrecht. Richtig dürfte sein: Eine extremistische Partei wird man vielleicht verbieten können, aber nicht die Geisteshaltung ihrer Anhänger. Die Ursache nach den Gründen für das Aufkommen der Neonazis hat begonnen und die Schuldzuweisungen reichen von der hohen Arbeitslosigkeit bis zum Vorwurf an alle demokratischen Parteien, sie hätten ohne Not das vorpolitische Feld geräumt und es den braunen Rattenfängern überlassen.

Einig sind sich alle Demokraten: Es wäre eine unerträgliche Provokation, wenn die NPD am 8. Mai durch das Brandenburger Tor marschieren und vor dem Holocaust-Mahnmal demonstrieren dürfte. Doch um dies zu verhindern, müsse man nicht das Versammlungsgesetz ändern, sondern geltendes Recht nur konsequent anwenden, ist die Überzeugung des innenpolitischen Sprechers der FDP-Bundestagsfraktion, Max Stadler. Wegen der NPD sollte man nicht über Nacht die Aufhebung traditioneller Verfassungsvorschriften vornehmen. Ohnehin sollte im Vordergrund nicht die juristische, sondern die politische Auseinandersetzung stehen, sagt Stadler, und weiter: "Ich habe auch große Zweifel, ob ein neues Verbotsverfahren zum Erfolg führen würde, Schon nach der Einstellung des erstens Verfahrens hat die NPD an Zulauf gewonnen. Ein zweites Scheitern in Karlsruhe können wir nicht riskieren. Zudem kann man Gesinnungen nicht verbieten, sondern man muss ihnen politisch entgegenwirken." Anzusetzen sei bei der politischen Bildung der Jugend. Der relativ niedrige Altersdurchschnitt der NPD-Mitglieder in Sachsen von 30 Jahren zeige, dass hier eine Hauptaufgabe liege. Der FDP-Abgeordnete schlägt vor, im Fernsehen die fünfteilige Serie "Holocaust" zu wiederholen, die in den 70er-Jahren vielen Zuschauern die Augen über die schrecklichen Verbrechen der Nazis geöffnet habe. Schulklassen sollten mit Zeitzeugen diskutieren und sich an Gedenkstätten informieren. Dazu sollten die Aussteigerprogramme für NPD-Mitglieder intensiviert werden. Das alles aber reiche nicht. Nötig sei auch eine Wirtschaftspolitik, die zu neuen Arbeitsplätzen führe und gerade jungen Menschen eine bessere Perspektive biete.

Auch der CSU-Bundestagsabgeordnete Hartmut Koschyk geht noch einmal auf den von der NPD im Sächsischen Landtag provozierten Eklat ein und verweist darauf, dass für die übergroße Mehrheit in Deutschland klar sei: "Trauer über deutsches Leid, wie zum Beispiel das Bombeninferno von Dresden, darf nicht missbraucht werden, um das verbrecherische Nazi-Regime zu verharmlosen." Mit ihrem üblen Auftritt habe die NPD erneut bewiesen, dass Rechtsextremisten nur vordergründig und zur Täuschung der Wähler Glatze und Stiefel gegen Anzug und Krawatte eingetauscht hätten. Ihre wirklichen Ziele blieben die alten. Ebenso wichtig wie die Prüfung eines erneuten Parteiverbotsverfahrens sei es, dass die Demokraten die Extremisten bekämpften und ihnen ihr gefährliches Spiel nicht erleichterten: "Weder durch überzogene Reaktionen, noch durch Wegsehen. Und: Wo Extremisten gegen Recht und Gesetz verstoßen, darf es kein Pardon geben." Aufmärsche, wie sie die NPD am 29. Januar 2000 unter dem Brandenburger Tor veranstaltet hätten, müssten unterbunden werden. Die Unionsfraktion habe bereits im Januar - so Hartmut Koschyk weiter - ein Gesetz vorgelegt, mit dem das Brandenburger Tor und das Holocaust-Mahnmal, ähnlich wie heute schon das sowjetische Ehrenmal, in die so genannte Bannmeile um den Bundestag einbezogen werden sollten. Er hoffe auf eine breite Zustimmung zu diesem Gesetz, denn: "Eine wehrhafte Demokratie kann es nicht bei Appellen gegen Rechtsextremisten belassen."

Selbstkritisch räumt Monika Lazar, ein, dass der erstarkende Rechtsextremismus zu lange ignoriert worden sei. Warnungen seien in den Wind geschlagen oder verharmlost worden, sagt die Abgeordnete vom Bündnis90/Die Grünen. So habe man rechtextremistische Gruppen vor Ort als ein vorübergehendes Phänomen eingestuft, um den Ruf einer Region nicht zu beschädigen. Dadurch seien rechtzeitige Gegenmaßnahmen verhindert worden. Zudem sei die rechtsextreme Gefahr verschleiert worden, indem man die PDS mit rechtsextremen Parteien in einen Topf geworfen und nicht zu den demokratischen Parteien gezählt habe. Wozu so etwas führe, sehe man im Sächsischen Landtag. Monika Lazar: "Wer Rechtsextremen den Nährboden entziehen will, muss Demokratie, Freiheit und Gleichheit aller Menschen als Grundwerte selbstbewusst vertreten. Die Grundlage hierfür muss schon im Kindesalter von Eltern und Bildungseinrichtungen gelegt werden. Auch ist es notwendig, die demokratischen Kräfte im Land zu stärken und zu vernetzen. Dazu zählt auch die finanzielle Förderung nicht-staatlicher Initiativen, welche die Zivilgesellschaft ausbauen und Aufklärung betreiben." Alle demokratischen Parlamentarier müssten sich nach Überzeugung der Grünen-Abgeordneten daran messen lassen, ob sie in der Lage seien, sich mit rechtsextremen Abgeordneten wirksam auseinanderzusetzen. Dazu seien gemeinsame Handlungskonzepte quer durch alle Parteien einzuhalten. Jede Zusammenarbeit mit rechtsextremen Parteien seien auszuschließen. Monika Lazars Überzeugung: "Um deren wahren Charakter zu entlarven, genügt es nicht, sie zu ignorieren oder sich abzuwenden. Zivilcourage und offensives Reagieren innerhalb und außerhalb des Parlaments sind unerlässlich."


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2005.