Wirtschaft und Arbeit. Gegen das Votum von CDU/CSU und FDP hat der Bundestag am 15. April den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts (15/3917, 15/4068) in geänderter Fassung angenommen. Er folgte dabei der Empfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit vom 13. April (15/5268). Das Gesetz zielt darauf ab, durch Regulierung der Energieversorgungsnetze und durch Entflechtung ("Unbundling") von Netzbetreibern und der Energieerzeugern einen diskriminierungsfreien Zugang zu den Versorgungsnetzen zu ermöglichen.
Damit beauftragt wird die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post, die künftig auch für den Strom- und Gasmarkt zuständig sein wird. Dazu soll sie in "Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen" umbenannt werden, wie die Koalitionsfraktionen in einem ihrer Änderungsanträge im Ausschuss verlangt hatten. Die Opposition signalisierte, dass sie mit Fristverkürzungen einverstanden ist, damit sich der Bundesrat am 29. April mit dem Gesetz beschäftigen kann. Damit könnte trotz des zu erwartenden Vermittlungsverfahrens der 1. Juli 2005 als Zeitpunkt des Inkrafttretens eingehalten werden.
Eigentlich hätten die zugrunde liegenden EU-Richtlinien bereits zum 1. Juli des vergangenen Jahres in deutsches Recht umgesetzt sein müssen. Dieser Termin war nicht zu halten gewesen, weil Deutschland zunächst auf ein System der Verbände-Vereinbarungen gesetzt hatte, um Wettbewerb auf dem Strom- und Gasmarkt herzustellen. Nachdem dieses System jedoch gescheitert war, wurde ein Paradigmenwechsel hin zu einem Regulierungssystem erforderlich. Die im Ausschuss vorgenommenen Änderungen am Regierungsentwurf betreffen unter anderem die Missbrauchsaufsicht.
Neues System der Anreizregulierung
Zusätzlich unterliegen künftig auch alle von den Netzbetreibern geplanten Entgelterhöhungen einer Vorab-Überprüfung (ex ante) durch die Bundesnetzagentur. Konkretisiert wurden darüber hinaus Netzzugangskonzepte sowie die Grundlagen der Kalkulation der Netznutzungsentgelte. So sollen die Entgelte für einen diskriminierungsfreien Netzzugang so gebildet werden müssen, dass das "Nettosubstanzerhaltungsprinzip" als Kalkulationsmethode beachtet, Anreize für eine effiziente Leistungserbringung berücksichtigt und eine angemessene Verzinsung des eingesetzten Kapitals ermöglicht werden. Die den Entgelten zugrunde liegenden Kosten müssen denen eines effizienten und strukturell vergleichbaren Netzbetreibers entsprechen.
Schneller als bisher vorgesehen wird ein System der Anreizregulierung eingeführt, das auf Effizienzsteigerungen abzielt und angemessene Netznutzungsentgelte festlegen soll. Die Bundesnetzagentur soll innerhalb eines Jahres ein Konzept für eine Anreizregulierung entwickeln und es anschließend umsetzen.
Unter gewissen Voraussetzungen ist die Möglichkeit für eine vorrangige Einspeisung von Biogas in die Erdgasnetze eröffnet worden. Festgelegt wurde darüber hinaus, dass die Netznutzungsentgelte der Ferngasstufe bei bestehendem oder potenziellem Wettbewerb von der Regulierung ausgenommen werden können. Schließlich ist eine schrittweise Liberalisierung des Mess- und Zählwesens verankert worden.
Abgelehnt hat der Bundestag einen Antrag der CDU/CSU-Fraktion (15/3998), einen klaren und funktionsfähigen Ordnungsrahmen für die Strom- und Gasmärkte zu schaffen, sowie einen Antrag der FDP-Fraktion (15/4037), durch ordnungspolitische Vorgaben mehr Wettbewerb und Transparenz in die Energiewirtschaft zu bringen. Keine Mehrheit fand im Plenum ebenso ein Entschließungsantrag der FDP-Fraktion (15/5279). Darin hatte die Fraktion Nachbesserungen verlangt, weil das Gesetz wegen "mangelnder Konsistenz und Transparenz" dem Wettbewerb eher schaden würde, da es die "engen Oligopolstrukturen" verfestige.
In der Plenardebatte sagte Gudrun Kopp (FDP), wichtig sei die politische Unabhängigkeit der Bundesnetzagentur. Da die Regulierung eine staatliche Aufgabe sei, dürfe sie nicht durch Umlagen finanziert werden. Zu kritisieren seien auch "sachfremde Aspekte" wie die Vorrangregelung für die Biogaseinspeisung. Dagmar Wöhrl (CDU/CSU) lobte zwar das Entgegenkommen der Koalition in einigen Punkten, zeigte sich aber nicht restlos zufrieden mit dem Gesetz. Beispielsweise würden kleine und mittlere Stadtwerke stark belastet, und die Vorschriften zur Stromkennzeichnung schüfen mehr Bürokratie. Niedrige Energiepreise seien der beste Verbraucherschutz, sagte sie.
Dagegen befand Michaele Hustedt (Bündnis 90/Die Grünen), dass starke Verbraucherrechte wie die vorgesehene Verbandsklage ein Motor für mehr Wettbewerb seien. Sie lud Unternehmen dazu ein, in Deutschland zu investieren. Rolf Hempelmann (SPD) mahnte, die Erwartung sinkender Netznutzungsentgelte nicht überzustrapazieren, da auch andere Faktoren auf die Strom- und Gaspreise einwirkten. Neben der Wettbewerbsfähigkeit gehe es auch um Wirtschaftlichkeit und Versorgungssicherheit.