Daniela Weiss ist wütend. Die religiöse Bürgermeisterin der Westbank-Siedlung Kdumim schimpft auf die US-Außenministerin Condoleeca Rice: "Hier stand das Haus Gottes im biblischen Shilo. Von hier will sie uns nach 2.000 Jahren Exil und Verfolgungen rauswerfen, und sie nennt das noch ?Frieden'? Das ist chuzpe! Wir werden niemals von hier wegziehen!"
Mit dieser Szene beginnt die Dokumentarserie "Land der Siedler" des Filmemachers Chaim Yavin, des bekanntesten Gesichts des israelischen Fernsehens. Er zeigt, wie die Siedler von allen Regierungen geduldet oder unterstützt werden. Yavin ging in die Westbank mit einer kleinen Kamera aufgerüstet, nachdem er das neue Buch über die Siedler, "Die Herren des Landes", des "Haaretz"-Journalisten Akiva Eldar und der Historikerin Idith Zertal gelesen hatte. Sie begleiteten Yavin vor Ort und fungieren als seine Berater.
Eigentlich hätte man erwarten dürfen, dass der öffentlich-rechtliche Erste Kanal, wo der 72-jährige Yavin die Nachrichtensendung moderiert, den Film ausstrahlt. Für solche Hintergrundberichte existiert der Sender, zumal das Thema hoch aktuell ist. Dass der Sender die Bilder fanatischer, rassistischer und gewaltbereiter Siedler abgelehnt hatte, überraschte in Israel jedoch niemanden wirklich.
Vertriebene Palästinenser
Yavin behandelt alle wichtigen Aspekte der Siedlerbewegung. Im ersten Kapitel zeigt er deren ersten Sieg über die Rabin-Regierung 1975, die unter dem Druck des damaligen Verteidigungsministers Shimon Peres eine illegale Siedlung im dichtbevölkerten palästinensischen Gebiet nicht räumen ließ. Wir sehen, wie die Armee Palästinenser aus ihrem Olivenhain vertreibt, um den benachbarten Siedlern Sicherheit zu gewährleisten. Und wir erfahren, dass nur wenige Israelis dagegen demonstrieren und den Palästinensern helfen. Im zweiten Kapitel geht es um die 500 Siedler, die mitten in der Stadt Hebron unter 150.000 Palästinenser leben und durch Gewalt für eine stille Vertreibung sorgen. Der dritte Teil konzentriert sich auf die Mauer, die den Israelis Sicherheit bringen soll, Zehntausende Palästinenser aber von ihren Arbeitsplätzen und Familienangehörigen trennt.
Nichts in dieser fünfstündigen Serie ist wirklich neu. Jeder informierter Israeli weiß, dass die Siedlungen errichtet wurden - vor allem von Ariel Sharon -, um die Gründung eines Palästinenserstaates zu verhindern. Dass manche jüdische Siedler Palästinenser von ihren Feldern vertrieben und sie als Untermenschen betrachten, ist ebenfalls bekannt.
Neu ist vor allem, dass der Filmemacher Yavin endlich die Realität begreift, über die er seit 40 Jahren als Moderator berichtet. "Breaking News", betitelte die linksliberale Zeitung "Haaretz" ironisch eine Karikatur des Moderators mit seiner Videokamera, in der er feststellt: "Die Gebiete sind voller Siedlungen!" Neu ist auch, dass Yavin, der immer den typischen Israeli repräsentiert - also politisch weder rechts noch links ist -, zum ersten Mal seine eigene, etwas naiv formulierte Meinung öffentlich macht. In einer Diskussion mit Siedlern sagt er: "Seit 1967 sind wir Horden, Besatzer, Unterdrücker eines anderen Volkes, das auch eine Forderung auf dieses Landes erhebt." An einem heißen Tag an einem Checkpoint, vor schwitzenden Palästinensern, die mit weinenden Kindern stundenlang Schlange stehen, sagt er: "Ich kann nicht ihr Leiden mindern. Ich kann es nur dokumentieren, damit niemand sagen kann: ?Ich habe nichts gesehen, nichts gehört, nichts gewusst.' Unser Verhalten an diesen Übergängen ist nicht jüdisch."
Am Rande einer Hochzeit in einer Siedlung sagt Yavin: "Ein Teil der Siedler hält das Land Israel für wichtiger als das Leben selbst." Nach einer Begegnung mit einer Palästinenserin, deren Mann die Armee irrtümlich erschossen hatte, verkündet er: "Ich stehe jetzt gegenüber der Witwe und ihren fünf Kindern und sage mir, dass das Leiden von Menschen beider Völker über den Verlust ihrer Angehörigen gleich ist, nur dass wir in den Abendnachrichten immer sie als die Mörder und immer uns als die Opfer darstellen."
"Eine Mauer des Hasses"
Angesichts der Mauer sagt Yavin, um Ausgewogenheit bemüht: "Vielleicht hatten wir keine andere Wahl im Kampf gegen den Terror. Aber Frieden und Sicherheit können wir nur im Dialog mit der anderen Seite und durch Kompromisse erreichen. Stattdessen errichten wir eine Mauer des Hasses und legen damit die Grundlage für den Terror von morgen."
Yavin ist kein Linker geworden. Er ist nur ein anständiger Mensch, der Unmenschlichkeit beim Namen nennt. Auch seinen linken Gesprächspartnern stellt er kritische Fragen. Als ein Soldat in Hebron von "israelischen Gräueltaten" spricht, fragt Yavin: "Übertreiben Sie nicht?" "Nein", antwortet der Soldat. Immer wieder blendet der Filmemacher Bilder palästinensischer Terroranschläge ein. Immer wieder lässt er trauernde israelische Mütter von ihrem Leiden erzählen und einige Generäle erklären, warum die Mauer auf palästinensischem Boden gebaut werden musste.
Der Privatsender Tel-Ad konnte durchaus hohe Einschaltquoten für den einstündigen Dokumentarfilm melden: 16,8 Prozent beim ersten Teil und 14,4 Prozent beim zweiten und dritten. Dazu trugen die Siedler selbst bei. Sie demonstrierten vergeblich vor dem Sender mit der Forderung, Yavin als Moderator zu entlassen und forderten Unternehmen auf, ihre Werbespots aus der Serie zurückzuziehen.
Doch auch in diesen deprimierenden Filmen kann man Hoffnung finden. Die Serie zeigt, dass sogar rechtsgerichtete Bewohner der großen Siedlung Ariel - einer Stadt mit 20.000 Einwohnern - fest an ihre Räumung glauben. "Die Räumung des Gaza-Streifens ist nur der Anfang", sagt ein Siedler in Ariel. "Auch wir werden gehen müssen."