Ehrlich gesagt", gesteht Stephan Duppel, "habe ich noch nie so viel Bach-Konzerte gehört wie hier in Argentinien." Duppel ist Kulturreferent der deutschen Botschaft in diesem Land und erzählt von vielen argentinischen Musikvereinen, die sich mit deutschen Klassikern beschäftigen. Die deutsche Botschaft in Washington lud jüngst zu einem erfolgreichen klassischen Konzert des Berliner "Artemis-Quartetts" ein, das sich gerade auf USA-Tournee befindet. Aber, es geht auch anders: In Zusammenarbeit mit der Berliner Agentur ENGEE wurden in der Residenz des deutschen Botschafters in Stockholm Berliner Mode und Lifestyle präsentiert. Eine Veranstaltung, die Neuland für die deutsche Botschaft in Schweden war, aber positive Resonanz fand, da die Gäste von diesem Abend sagten, er habe Vorurteile und Klischees über Deutschland begraben.
"Kultur ist für uns Deutsche, wenn wir nach 18 Uhr noch ein bisschen Zeit haben", charakterisiert ein Beamter des Auswärtigen Amtes den Stellenwert, den die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik oft in den Augen auch vieler Politiker noch immer hat. Selbst der Vorschlag der Ministerpräsidenten aus Nordrhein-Westfalen und Hessen, Peer Steinbrück und Roland Koch, pauschale Kürzungen von Steuervergünstigungen und Finanzhilfen vorzunehmen, schlug in dieselbe Kerbe. Sah er doch einschneidende Einsparungen in der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik vor. Der Deutsche Bundestag reagierte mit dem Beschluss, "dass die Mittel für die Auswärtige Kulturpolitik nicht dem Subventionsbegriff zuzurechnen sind".
Das Auswärtige Amt gilt - neben den Bundesländern, dem Bundesministerium für Bildung und Forschung, dem Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend sowie der Beauftragten für Kultur und Medien - als Hauptakteur der auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik und ist auch deren größter Geldgeber: Von 1.126 Millionen Euro Gesamtausgaben des Bundes für Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik im Jahr 2003 trug das Auswärtige Amt gut die Hälfte. Doch seit 15 Jahren ist das Budget rückläufig. So erfordern die sinkenden Mittel für die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik stets aufs Neue ein Nachdenken, wie das oft verstaubte, ja, manchmal nur in Ansätzen vorhandene Deutschlandbild im Ausland verbessert werden kann. Macht Not erfinderisch? Wie in Stockholm mit einer Modenschau?
Zum Auftakt des Deutsch-Japanischen Jahres am 4. April 2005 in Tokio hat Bundespräsident Horst Köhler eine Ausstellung der Berliner Museumsinsel mit den Worten eröffnet: "Deutschland lohnt sich. (...) Unser Land ist modern, offen, innovativ und vielfältig, (...). Die Berliner Ausstellung steht für das klassische Erbe Deutschlands. Das Deutschlandjahr wird aber auch neue Trends in Design, Mode, Film und Musik präsentieren (...). Deutscher Pop, Rap oder Hip-Hop und viele weitere Angebote werden einen Eindruck vom Lebensgefühl der jungen Generation in Deutschland, von der Urbanität und der international geprägten Gegenwartskultur unseres Landes vermitteln."
Um dem Dilemma der stetig sinkenden Haushaltsmittel zu entgehen, setzt das Auswärtige Amt auf Reformen in seiner Präsentation der Kulturpolitik. Statt in allen Ländern halbherzig präsent zu sein, wurden regionale Schwerpunkte gesetzt: Mittelosteuropa, der Mittlere Osten und Ostasien. Das führt unweigerlich zu einer Mittelverlagerung bei den Institutionen, die als Mittler und Partner der auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik gelten, allen voran bei den Goethe-Instituten, aber auch der Alexander-von-Humboldt-Stiftung, beim Deutschen Akademischen Austauschdienst, beim Institut für Auslandsbeziehungen, bei der Fulbright-Kommission, der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen sowie bei der Deutschen UNESCO-Kommission. Die großen Mittlerorganisationen kürzen ihre aus der Vergangenheit hohen Ausgaben in anderen Ländern zugunsten der oben genannten Regionen. Duppel weiß aus eigener Erfahrung in Buenos Aires, dass gerade die Länder in Lateinamerika eine Hauptlast beim Sparen tragen. Ähnliches gilt für Westeuropa.
Bei den regionalen Kürzungen ist jedoch auch differenziertes Denken gefragt. Ein Beispiel ist der europäisch-islamische Kulturdialog. Er ist ein Sonderprogramm, das nach dem 11. September 2001 entstanden ist. Es soll helfen, das gegenseitige Verständnis zwischen westlicher und islamischer Welt zu verbessern. Das Programm verlangte in den Jahren 2002/2003 zusätzliche Mittel in Höhe von je fünf Millionen Euro. Parallel dazu wurde auch für Afghanistan ein Programm aufgelegt. Die Bundesregierung stellte im Rahmen des Stabilitätspaktes für Deutsche Kultur- und Bildungsarbeit in Afghanistan im Jahr 2003 9,2 Millionen Euro zur Verfügung.
Studienstandort Deutschland
Das Auswärtige Amt pflegt neuerdings eine verstärkte zielgruppenorientierte Kulturarbeit im Ausland und beteiligt die Zielgruppen an der Finanzierung überall dort, wo dies machbar ist. Das heißt, die Attraktivität der Angebote muss so groß sein, dass die ausländischen Interessenten bereit sind, dafür zu bezahlen. Bildungsmessen beispielsweise sind ein Weg, auf denen sich deutsche Universitäten vorstellen und zeigen: Wir haben was zu bieten! Derlei Messen werben für den Studienstandort Deutschland und richten sich an all jene Studenten, die trotz eigener Kosten in Deutschland studieren wollen und eben nicht darauf warten, ein Studium durch Deutschland finanziert zu bekommen. Ähnlich verhält es sich bei Sprachkursen, die früher wenig zielgerichtet an Jedermann gerichtet wurden. Auch hier werden vor allem jene angesprochen, die in Deutschland studieren wollen, oder jene, die bei deutschen Firmen im Ausland tätig sind.
So konnten durch eine betriebswirtschaftliche Optimierung in den Goethe-Instituten die Kosten für Sprachkurse gesenkt werden, so dass inzwischen 50 der 103 Sprachkursbetriebe an den Goethe-Instituten auf schwarze Zahlen verweisen können. Teilnehmer an den Kursen sind hauptsächlich junge, berufstätige Akademiker, die Deutsch für Berufs- und Studienzwecke lernen wollen. Wirtschaftlich besonders her-vorzuheben sind die Goethe-Institute in den Großstädten Madrid, Moskau, Mexiko-Stadt, Tokio, Seoul, Rabat, Paris, London und Washington.
Neue Steuerungselemente wie Zielvereinbarungen, Budgetierung und anschließende Evaluierung werden eingeführt. Als Pilotprojekt hat das Goethe-Institut in Italien zum 1. Januar 2005 damit konzeptionelles Neuland betreten. Michael Kahn-Ackermann, Leiter des Goethe-Institutes in Rom, kann davon berichten. Budgetierung heißt, dass Geldgeber und Geldempfänger vereinbaren, welche Ziele der Geldempfänger innerhalb einer bestimmten Zeit erreichen soll und wie viele Mittel (das heißt, welches Budget) ihm der Geldgeber dafür zur Verfügung stellt. Also weg von der Kameralistik, weg von starren Budgets für Miete, Personal und Projekte hin zu einer an inhaltlichen Zielen ausgerichteten Arbeit.
Nach Abschluss der Vereinbarung entscheidet ausschließlich das Goethe-Institut Italien darüber, wie es die vereinbarten Ziele erreicht und wie es die dafür zur Verfügung stehenden Mittel verwendet. Mehr oder weniger Geld für Personal, mehr oder weniger Geld für Projekte oder für Investitionen? Auch können Teile des Budgets ins nächste Jahr übertragen werden. Es gibt keinen Stellenplan mehr, der vorschreibt, wie viele und welche Stellen besetzt werden dürfen. Es zählt einzig und allein, ob die vereinbarten Ziele erreicht werden. Wobei die bestehenden Arbeitsverträge oder Mietverträge einzuhalten sind, und auch der Strom bezahlt werden muss.
Kahn-Ackermann ist froh über diesen Versuch, denn, so sagt er, "Deutschland liegt in diesem Bereich in Europa gut 20 Jahre zurück". Gescheitert sei die Umstellung bisher an bürokratischen Widerständen und Ängsten der Geldgeber, die Kontrolle über die Ausgaben zu verlieren. Er nennt Beispiele: Die Zielvereinbarung ist es, dass das Goethe-Institut seine Position als führender Deutschkurs-Anbieter in Italien ausbaut und gleichzeitig die volle Kostendeckung seiner Sprachkurse erreicht. Indikator dafür ist der Ist-Soll-Abgleich der Kostenrechnung für den Sprachkursbetrieb Italien. Eine weitere Zielvereinbarung ist es, dass das Goethe-Institut vor dem Hintergrund der von der italienischen Regierung verabschiedeten Schulreform und der damit beschlossenen Verankerung von zwei Fremdsprachen im Curriculum offensiv und flächendeckend das "Produkt Deutsche Sprache" präsentiert. Die Zahl der Deutschlerner vor allem im Sekundarschulbereich wird gesteigert. Indikator dafür ist die Zunahme des Prozentsatzes der Schüler im Sekundarbereich, die Deutsch wählen.
Zauberwort Sponsoring
Da das Projekt gerade zu Beginn des Jahres begonnen hat, bleibt Kahn-Ackermann zu hoffen, dass das Pilotprojekt erfolgreich sein wird. Denn dem Goethe-Institut in Italien sollen auch die anderen weltweit folgen.
Sponsoring gilt mittlerweile auch im öffentlichen Bereich als Zauberwort, um sich aus der inhaltlichen und finanziellen Erstarrung zu lösen, die die Löcher in den öffentlichen Kassen verursacht haben. Im Sinne einer öffentlich-privaten Partnerschaft sollen und wollen deutsche Wirtschaft und Staat zu beiderseitigem Nutzen zusammenarbeiten. 1997 wurde in Mexiko-Stadt die Kulturstiftung der deutschen Wirtschaft unter Beteiligung der dortigen Botschaft und des Goethe-Institutes gegründet, 2002 die in Madrid. Ihnen werden weitere folgenden, als nächstes voraussichtlich Ankara.
Diese Kulturstiftungen schaffen die Verbindung zwischen den deutschen Wirtschaftsunternehmen, die in den jeweiligen Ländern ansässig sind, als Sponsoring-Partner der Botschaften und anderer Mittlerorganisationen der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik. Stephan Duppel verweist auf die Kulturwochen Berlin-Buenos Aires 2004 in Argentinien. "Da beide Städte ziemlich pleite sind, war es mühselig, privates Geld aufzutreiben. Zudem schrieben viele Unternehmen wegen der wirtschaftlichen Krise in Argentinien rote Zahlen." So hat das Auswärtige Amt ein Viertel der 200.000 Euro mitfinanziert, die das Projekt kosteten. Deutsche Firmen wie VW, Schering, BASF oder Daimler Chrysler übernahmen den Rest. Duppel verweist auf 300.000 Besucher: "Das war ein Feuerwerk!" Aber, meint er weiter: "Es wäre gut, wenn wir konzeptionell denken würden und nicht bloß den Kürzungen der Mittel hinterherlaufen." Immerhin: Ein Anfang ist gemacht.