Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 41 / 10.10.2005
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Barbara Minderjahn

International nicht anerkannt

Berg-Karabach

Bei Masis Mailian einen persönlichen Termin zu bekommen ist nicht so schwer, wie man es von den meisten seiner Kollegen gewohnt ist. Der stellvertretende Außenminister von Berg-Karabach hat kaum internationale Verpflichtungen. Denn Berg-Karabach ist international nicht anerkannt. Die Staatengemeinschaft betrachtet die kleine Region im Kaukasus als Bestandteil Aserbaidschans. Die armenische Bevölkerung von Berg-Karabach dagegen beharrt auf ihrer Unabhängigkeit. Masis Mailian, der mit einer ruhigen, leisen Stimme spricht und sich während des Interviews die meiste Zeit entspannt in seinen Sessel zurücklehnt, rutscht für einen kurzen Moment nach vorne als er sagt: "Seit 1988 sind wir de facto unabhängig von Aserbaidschan. Und wir werden nie wieder zu einer Enklave werden. Nach den Ereignissen von 1988 wissen wir, was es bedeutet, eine Enklave zu sein. Wir wurden von allen Seiten blockiert. Es war Krieg. Bomben fielen. Wir hatten nichts zu essen, kein Wasser, keine Elektrizität. Auch heute noch hören wir von Aserbaidschan, dass sie uns bekämpfen wollen, wenn wir nicht nachgeben. Wie können die da glauben, dass wir aserbaidschanische Staatsbürger werden wollen?"

Berg-Karabach liegt umschlossen von aserbaidschanischem Territorium und war niemals ein eigener Staat. Doch die Region wird seit jeher überwiegend von Armeniern bewohnt. 1988 kam es in Aserbaidschan zu pogromartigen Ausschreitungen gegen die Armenier, kurze Zeit später zum Krieg. Die Armenier von Berg-Karabach haben die bewaffneten Auseinandersetzungen gewonnen und sind deshalb bis heute an der Macht. Doch das alleine hilft der Regierung wenig. "Berg-Karabach muss von der internationalen Gemeinschaft als unabhängiger Staat anerkannt werden", erklärt Außenminister Arman Melikian.

Mit dem Zustand der Nicht-Anerkennung wollen sich weder die Politiker noch die Bevölkerung abfinden. Sie haben sich dafür entschieden, den Staat zwischenzeitlich auch ohne große Hilfe der internationalen Gemeinschaft aufzubauen. Überraschend ist dabei vor allem die Disziplin, mit der die Machthaber das Nation Building vorantreiben. Als Grundstein haben sie sich auf freie Wahlen festgelegt. Die Parlamentswahlen im Sommer dieses Jahres waren sogar überwiegend demokratisch, wie internationale Beobachter festgestellt haben.

Finanzhilfe aus Armenien

Weitere Bausteine der neuen Nation sind Infrastruktur und Wirtschaft. "Wir exportieren jährlich Waren im Wert von rund 40 Millionen Dollar", erklärt Wirtschafts- und Finanzminister Spartak Tevosyan, "und zwar vor allem Wein, Cognac und Wodka". Auch die anderen staatlichen Strukturen wie Polizei, Militär und Verwaltung sind ansatzweise vorhanden. All dies lässt sich aber nur mit der finanziellen Hilfe von Armenien und den im Ausland lebenden Exilarmeniern leisten. "Unser Staatshaushalt beträgt derzeit rund 40 bis 45 Millionen Dollar. Aber natürlich ist der nicht immer ausgeglichen. Wir bekommen jedes Jahr einen Zehn-Jahres-Kredit von Armenien", erzählt Spartak Tevosyan. Langfristig hoffen die Berg-Karabacher aber auf die Anerkennung aus dem Ausland und damit auf eine solidere Finanzgrundlage: "Wir setzen auf die Verbesserung unseres Staatswesens, denn unser Staatswesen ist die Garantie für unsere Bevölkerung, dass sie in einer sicheren Situation leben kann. Egal ob es die Menschenrechte angeht, die demokratische Entwicklung, die politische Freiheit oder andere Rechte der Bevölkerung - wir befinden uns auf einem besseren Level als Aserbaidschan. Wir sind das demokratisch entwickeltere Land, und es ist unmöglich, dass wir einem weniger demokratisch entwickelten Land untergeordnet werden sollen."


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2005.