Als George Lucas 1977 den "Krieg der Sterne" in den Kinosälen entfesselte, war dies ein Paukenschlag nicht nur in der Geschichte des Science-Fiction-Films, sondern des Films allgemein. "Star Wars" und die nachfolgenden Teile "Das Imperium schlägt zurück" (1980) und "Die Rückkehr der Jedi-Ritter" (1983) wurden die Kassenschlager aus Hollywood schlechthin. Lucas lieferte der SF-Fangemeinde alles, was sie sich erträumt hatte: Ein einfach gestrick-tes Abenteuer verpackt in prächtige und berauschende Bilder - eine wahre Space Opera. Die Entwicklung der Spezialeffekte hatte es möglich gemacht und Lucas lieferte den passenden Stoff: Den Kampf von bösen und guten Rittern, eine hübsche Prinzessin, den einfachen Bauernjungen, der auszog, sie zu retten - und das Ganze spielte irgendwo zwischen unbekannten Sternen, die mit einer Vielzahl mal bizarrer, mal knuddeliger Aliens bevölkert waren; gleichzeitig erschaffen, um die Kinderzimmer dieser Welt als Merchandising-Artikel im Sturm zu erobern. Ein galaktisches Märchen: Nicht umsonst ließ Lucas den Film mit dem berühmten Vorspann "Es war einmal in einer weit entfernten Galaxie..." beginnen.
Doch was hat dies nun alles mit Politik zu tun? Auf den ersten und zweiten Blick eigentlich gar nichts. Aber "Star Wars" gehört eben - Märchen hin, Märchen her - in die Abteilung Science Fiction, und dieses Genre ist durchaus politisch. Science Fiction wurde oft als "Prophet der Zukunft" gepriesen und gleichzeitig kritisiert. Dabei geht es diesem Genre in erster Linie nicht so sehr darum, Aussagen darüber zu machen, wie der technische und wissenschaftliche Fortschritt sich gestalten wird, wie und wann der Mensch zu den Sternen reisen und ob er dort auf Außerirdische stoßen wird.
Science Fiction will nicht die Fragen nach dem Ob, Wann und Wie technischen Fortschritts beantworten, sondern thematisiert, wie der Mensch auf diesen reagiert, wie er das menschliche Leben und Miteinander beeinflusst, ge- und missgestaltet. Und welche Fragestellung könnte politischer sein? Antworten auf anstehende Probleme zu finden, ist schließlich eine der ureigensten Aufgaben von Politik.
Griff nach den Sternen
Aus dieser Warte betrachtet, verwundert es dann auch nicht, dass Science-Fiction-Filme zu den ältesten Filmen überhaupt zählen. Von dem Augenblick an, als die Bilder laufen lernten, begannen die Filmschaffenden damit, die zukünftigen Stars und Sternchen genau dorthin zu schicken, wo sie hingehören: zu den Sternen. So zum Beispiel in Georges Méliès Film "Le voyage dans la lune" ("Die Reise zum Mond") aus dem Jahr 1902! Es war der erste Film, der länger als nur ein paar Minuten Laufzeit hatte, und schon wurde mit ersten Spezialeffekten gearbeitet.
Abgesehen davon, dass Science Fiction von Anfang an die gesamte Bandbreite des Fortschritts, der sich verändernden Lebensbedingungen und politischen Entwick-lungen seit der Jahrhundertwende abdeckte - neue Transportmittel, das Leben in Großstädten, zwei Weltkriege, das Atomzeitalter, Computer und künstliche Intelligenz - war die Raumfahrt immer eine der Kernthemen. Vielleicht findet man den Grund dafür in der Tatsache, dass die unendlichen Weiten des Alls zugleich eine unendliche Projektionsfläche darstellen - vor allem eine vom Menschen anfangs noch gänzlich "unbefleckte". In den Weiten des Alls ließen sich Welten erschaffen ohne jede Rücksichtnahme auf die irdischen Zustände. Wo ließen sich die Träume und Ängste der Menschheit besser darstellen?
"Unendliche Weiten" - dies war auch das Stichwort für die berühmteste und beliebteste Science-Fiction-Serie des Fernsehens. Im Jahr 1966 startete Gene Roddenberrys "Star Trek": Die Besatzung des Raumschiffs Enterprise machte sich auf, dorthin zu gehen, wo noch kein Mensch gewesen ist - und dies nicht nur im räumlichen Sinne. "Star Trek" und vor allem die späteren Nachfolgeserien "The Next Generation", "Deep Space Nine" und "Voyager" zeigten eine Menschheit, die - endlich erhaben über ihr kleinkarriertes Streben nach Macht und Reichtum - nach höherem strebt.
Alte und neue Geschlechterrollen
Ein Blick in die Besatzungsliste: Da saßen auf der Brücke einträchtig nebeneinander - gut 40 Jahre vor der realen Internationalen Raumstation - die Amerikaner Kirk (William Shatner) und McCoy (DeForest Kelley), der asiatische Steuermann Sulu (George Takei), der Russe Chekov (Walter Koenig), der europäische "Scotty" (James Doohan), das außerirdische Spitzohr Mr. Spock (Leonard Nimoy) und eine afro-amerikanische Frau - die Kommunikationsoffizierin Uhura (Nichelle Nichols).
Auch wenn es ein wenig nach klassischer Rollenbesetzung aussah - fürs Reden sind eben Frauen zuständig - war dies Mitte der 60er-Jahre eine kleine Sensation. Dies um so mehr, da Frauen auch in Science-Fiction-Filmen bis zu diesem Zeitpunkt lediglich die Rolle der zu beschützenden Schönen eingenommen hatten - natürlich von einem Mann mit möglichst großer Strahlenkanone. Und es sollte bis 1979 dauern, als in Ridley Scotts Meisterwerk "Alien" mit Sigourney Weaver in der Figur der Ripley endlich eine Frau - übrigens auch mit einem riesigen Schießprügel - die Menschheit retten durfte.
Womit auch das nächste Stichwort gefallen wäre: "Aliens". Unzählige Filme - zuletzt "Krieg der Welten" - sahen die Menscheit mit der fremden Bedrohung aus dem All konfrontiert. Nur in Ausnahmefällen waren sie so kinderlieb wie in Steven Spielbergs "E.T." (1982). Und ebenso selten endete die Begegnung mit ihnen im friedlichen Dialog.
Nur "Star Trek" machte auch hier einmal mehr die ganz große Ausnahme. Analog zum Ende des Kalten Krieges zwischen Ost und West beendeten die Macher des Kinofilms "Star Trek VI: Das unentdeckte Land" im Jahr 1991 den ewigen Konflikt zwischen Menschen und Klingonen. Auch wenn Klingonen-General Chang (Christopher Plummer), der diesen galaktischen Frieden zu hintertreiben versucht, seinem Gegenspieler Captain Kirk direkt ins Gesicht sagt, dass "wir im All doch alle kalte Krieger" seien.
Doch auch "Star Trek" musste seinen Tribut zollen an die Regeln des Marktes. Wenn die Zuschauerzahlen nicht mehr stimmen, weil eine allzu friedliebende und politisch korrekte Zukunft auf Dauer doch langweilt, dann werden hehre Grundsätze über Bord geworfen.
So wurde mit der nachträglich eingeschobenen Figur der "Seven of Nine" (Jeri Ryan) - einer kurvenreichen Superblondine - der Serie "Voyager" eine gehörige Portion Sex verpasst und in "The next Generation" mit der Weltraumspezies der "Borg" ein ultimativer Menschheitsalbtraum erschaffen - eine biologisch-mechanische Rasse, die, in einem Kollektiv ohne jede Spur von Individualismus lebend, alle anderen Lebensformen im All "assimilieren" wollen. Ihre Wahlspruch: "Widerstand ist zwecklos!" Nein, an einen vernünftigen Dialog war da nicht mehr zu denken - also zurück zum kalten beziehungsweise heißen Krieg der Sterne.
Alexander Weinlein ist Redakteur bei "Das Parlament".