Das Parlament
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Das Parlament
Nr. 47 / 21.11.2005
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Erik Spemann

Kein Putsch, aber scharfe Kritik

Die CSU segnet auf dem kleinen Parteitag die Koalitionsvereinbarungen ab

Einstimmig und damit überraschend deutlich hat die Christlich Soziale Union (CSU) auf ihrem kleinen Parteitag am 14. November in München die Koalitionsvereinbarungen für ein schwarz-rotes Bündnis in Berlin abgesegnet. Daneben räumte sie ihrem Vorsitzenden Edmund Stoiber eine Bewährungsfrist ein und bewahrte sich damit selbst vor einer gefährlichen Zerreißprobe. Stoiber war nach seinem Rückzieher vom Wechsel ins Bundeskabinett von der Parteibasis und der CSU-Landtagsfraktion in noch nie da gewesener Weise kritisiert worden.

Der CSU-Chef, auf Parteitagen sonst stürmisch begrüßt, erlebte diesmal zunächst eisiges Schweigen der Parteifreunde, die über seinen Zick-Zack-Kurs zwischen München und Berlin tief verärgert waren. Und selbst, als er sich in einer persönlichen Erklärung reumütig zu entschuldigen versuchte, rührte sich noch keine Hand. Wörtlich sagte Stoiber: "Es tut mir leid, dass ich mit meiner Entscheidung unsere Partei und Sie alle hier in eine schwierige Lage gebracht habe." Er wisse, dass die Delegierten dem Unmut der Mitglieder und der Bürger vor Ort direkt ausgesetzt seien. Auch die Kritik der Bevölkerung sei durchaus nachvollziehbar. "Glauben Sie mir", rief Stoiber, "ich leide natürlich selbst außerordentlich darunter. Ehrlich gesagt, ich leide wie ein Hund."

Der CSU-Vorsitzende gelobte Besserung. Man könne sich darauf verlassen, dass er alles in seiner Macht stehende tun werde, um das Vertrauen der Bürger in die CSU wieder zu stärken. Gleichzeitig versprach der wegen seiner Alleingänge attackierte Stoiber den Parteimitgliedern, dass er künftig "im intensiven Dialog" mit ihnen Bayern wieder in den Mittelpunkt seiner politischen Arbeit rücken werde. In der Diskussion erneuerte der Vorsitzende der Jungen Union Bayern, Manfred Weber, gleichwohl seine Forderung nach einer "klaren inhaltlichen und personellen Erneuerung", das bayerische Kabinett sei eines der ältesten in Deutschland. Weber entschuldigte sich aber für den ihm zugesprochenen Satz, dass notfalls einer den Putsch gegen Stoiber wagen müsse.

Beifall bekam Stoiber erst, als er beim Werben um Zustimmung für die Koalitionsvereinbarungen scharf mit "Interessengruppen, die nur ihre eigenen Interessen sehen" abrechnete. Dabei wetterte er gegen die "nicht akzeptable Haltung und Art und Weise" von Konzernchefs wie bei VW, Mercedes und Porsche - "diese entlassen Tausende von Leuten, kippen sie der Politik vor die Tür und tun so, als hätten sie damit nichts zu tun. Und kritisieren dann uns noch wegen der Politik, die wir machen."

Der CSU-Vorsitzende versicherte, er werde in der Koalition "mit aller Kraft konstruktiv mitwirken", er wolle den Erfolg der Großen Koalition mit Angela Merkel an der Spitze. Zu diesem Bündnis gebe es keine realistische und verantwortbare Alternative. Nur die Große Koalition biete in schwieriger Zeit mit ihrer breiten Mehrheit die Chance, die gewaltigen Herausforderungen anzupacken. Gleichzeitig warnte Stoiber die Delegierten davor, das Bündnis scheitern zu lassen, weil mit der SPD eben manches - wie eine gesetzliche Regelung für ein Bündnis für Arbeit oder Änderungen beim Atom-Ausstieg - nicht zu machen sei. CSU pur gebe es halt nur in Bayern. Kritikern der Koalitionsvereinbarungen, die Mut zu harten und konsequenten Schnitten bei Steuersubventionen und Sozialleistungen vermissten, hielt er entgegen, mehr an Einschnitten - zum Beispiel massive Rentenkürzungen - seien gesellschaftspolitisch nicht verantwortbar, wenn man nicht tiefgreifende Auseinandersetzungen und erhebliche Eruptionen im Land riskieren wolle.

Ebenso wie Stoiber werteten auch die designierten CSU-Bundesminister Michael Glos (Wirtschaft) und Horst Seehofer (Landwirtschaft) die Vereinbarungen als gute Grundlage zur Bewältigung der anstehenden großen Herausforderungen. In einer lebhaften Dis- kussion mit rund 25 Wortmeldungen rief kein einziger Delegierter zu einer Ablehnung auf.

Vielmehr distanzierte sich gleich als erster der Vorsitzende der Mittelstandsunion, Hans Michelbach, vom Bundesvorsitzenden der Organisation, Josef Schlarmannn, der zu einem negativen Votum aufgerufen hatte. Die Vereinbarungen bedeuteten klare Verbesserungen für Wirtschaft und Beschäftigung, so Michelbach. Sein Bundestagskollege Ernst Hinsken sah ein "Erfolgspapier für unsere Partei", die Vorsitzende der Frauen-Union, Emilia Müller (Staatssekretärin im bayerischen Umweltministerium), eine "gute Basis für die nächste Legislaturperiode". Ihre Vorgängerin Maria Eichhorn sprach von einem guten Gefühl angesichts der Vereinbarungen, bei denen auch der Vorrang für Familien deutlich sichtbar werde.

Ebenso positiv äußerten sich Gewerkschaftler, Europa- und Sozialpolitiker sowie Angehörige des Wirtschaftsflügels der Partei und Kabinettsmitglieder. Jus-tizministerin Beate Merk meinte, das Papier eröffne für die Rechts- und Kommunalpolitik einen "Tag der Freude". Auch Umweltminister Werner Schnappauf rief zur Freude darüber auf, "dass wir es geschafft haben, den rot-grünen Spuk zu beenden, der uns über alle Maßen getratzt hat", und stellte heraus, dass beispielsweise bei Windkraft- und Biomasse-Einsatz "unsere Handschrift deutlich im Vertrag enthalten ist". Der oberbayerische CSU-Bezirksvorsitzende, Landtagspräsident Alois Glück, mahnte, es solle jeder so abstimmen, als würde die Zustimmung zur Koalition von ihm allein abhängen.

CSU-Landtagsfraktionschef Joachim Herrmann sah die große Chance, "doch ein gutes Stück unserer Programmatik in Regierungsverantwortung umzusetzen". Auch eher kritisch gestimmte Delegierte wie der Ehrenvorsitzende der CSU Landshut-Land, Josef Seidl, lenkten ein. Der Delegierte empfahl Stoiber aber unter Anspielung auf dessen unpopuläre Staatskanzlei-Berater, sich fortan auch mit Menschen zu umgeben, die dem CSU-Motto eher entsprechen würden - "näher am Menschen".


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2005.