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Beitrag des Präsidenten des Deutschen Bundestags, Wolfgang Thierse

zum Thema:

"Die Politikfinanzierung"

Konferenz der Präsidenten der Parlamente der Mitgliedsländer der G 8
Paris, 8. - 10. September 2003

1. "Politikfinanzierung" - Abgrenzung zur Finanzierung von politischen Parteien

Das Thema "Politikfinanzierung" ist weit gefasst. Deshalb möchte ich diesen Begriff zunächst gegenüber dem engeren Begriff der "Parteienfinanzierung" abgrenzen. In Deutschland wird unter dem Begriff "Politikfinanzierung" die Finanzierung aller unmittelbar an der politischen Willensbildung beteiligten Personen und Organisationen verstanden. Hierzu zählen im Wesentlichen:

1.1. Die Mitglieder des Deutschen Bundestages und der Landesparlamente

Die Bundestagsabgeordneten erhalten neben ihrer eigentlichen steuerpflichtigen Entschädigung eine Amtsausstattung am Sitz des Parlaments und eine steuerfreie Kostenpauschale zur Abdeckung ihrer Mandats bedingten Aufwendungen sowie die Erstattung der nachgewiesenen Aufwendungen für parlamentarische Mitarbeiter bis zu einem bestimmten Höchstbetrag. (zu Einzelheiten betreffend die Abgeordnetenentschädigung, die Kostenpauschale und die Beschäftigung von Mitarbeitern siehe www.bundestag.de/mdb_diaeten/index.html.)

1.2. Die Fraktionen der Parlamente

Nach der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland, dem Grundgesetz (GG), sind die Kompetenzen des Deutschen Bundestages und der Landesparlamente als Legislative uneingeschränkt. Die Rechtssetzungsbefugnis der Regierung als Exekutive durch den Erlass von Verordnungen ist dagegen subsidiär und von der jeweiligen Ermächtigung der Legislative abhängig. Diese umfassende, weitreichende Gesetzgebungskompetenz bedingt, dass die einzelnen Parlamentsfraktionen mit einer hochqualifizierten Administration ausgestattet sein müssen. Die Parlamentsfraktionen gehören als Teil der Legislative zur verfassten, ("institutionellen") Staatlichkeit und sind von der Arbeit (und von der Finanzierung) der als zivilrechtliche Vereinigungen organisierten Parteien strikt zu trennen. Das Volumen der Finanzierung der Fraktionen im Deutschen Bundestag beläuft sich für das Haushaltsjahr 2003 auf insgesamt 58,5 Mio. €.

1.3. Die so genannten parteinahen politischen Stiftungen

Es handelt sich hier um eine Eigenart in Deutschland. Diese "Stiftungen" sind in der Regel eingetragene Vereine des Zivilrechts und wirken an der politischen Willensbildung im Inland und nicht zuletzt im Ausland mit. Sie werden durch öffentliche Mittel finanziert. Als Nicht-Regierungsorganisation (NGO) tragen sie bei ihrer Tätigkeit im Ausland effizienter zur Implementierung bzw. Stärkung demokratischer Ordnungen bei, als das einer staatlichen Organisation möglich wäre. Zur Zeit gibt es entsprechend der in der letzten Legislaturperiode im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien sechs solcher politischen Stiftungen. Das jährliche Gesamtvolumen der staatlichen Finanzierung beläuft sich auf ca. 300 Mio. €.

1.4. Die politischen Parteien

Als frei gebildete, im gesellschaftlich-politischen Bereich wurzelnde Gruppen sind die Parteien nicht Teil der verfassten Staatlichkeit. Der Grundsatz der "Staatsfreiheit der Parteien" fordert daher, dass sie nicht nur politisch, sondern auch wirtschaftlich und organisatorisch auf die Zustimmung und Unterstützung der Bürger angewiesen bleiben müssen. Eine finanzielle staatliche Unterstützung darf daher nur ergänzend, susidiär, erfolgen.

Das Gesamtvolumen der staatlichen Parteienfinanzierung auf Bundes- und Landesebene beträgt derzeit 133 Mio. €. Die an der staatlichen Teilfinanzierung teilnehmenden Parteien hatten ausweislich ihres derzeit letzten Rechenschaftsberichts für das Jahr 2001 zusätzliche Eigeneinnahmen in Höhe von ca. 285 Mio. €. Insoweit belief sich daher die staatliche Teilfinanzierung der politischen Parteien auf ca. 31 % ihrer gesamten Einnahmen.

2. Finanzierung der Parteien und Wahlkampagnen im Einzelnen

2.1. Grundlagen

Artikel 21 GG sah bereits bei seinem Inkrafttreten im Jahre 1949 vor, dass die Parteien über ihre Einnahmen öffentlich Rechenschaft ablegen müssen. Das Nähere wurde einer besonderen gesetzlichen Regelung vorbehalten. Mit Inkrafttreten des Parteiengesetzes im Jahre 1968 wurden nicht nur die Einzelheiten der Rechnungslegung, sondern auch die Grundsätze einer staatlichen Teilfinanzierung der Parteien festgelegt. Danach war eine allgemeine staatliche Parteienfinanzierung - entsprechend der zwischenzeitlich ergangenen Entscheidungen durch das Bundesverfassungsgericht - nicht vorgesehen, sondern lediglich, wie es wörtlich hieß, "die notwendige Erstattung eines angemessenen Wahlkampfes". Diese so genannte "Wahlkampfkostenerstattung" wurde - in Übereinstimmung mit den verfassungsrechtlichen Entscheidungen - pauschal gewährt. Die "Wahlkampfkostenpauschale" berechnete sich anfangs, also im Jahre 1968, mit ca. 1,30 € je Wahlberechtigten, unabhängig davon, dass nicht alle Wahlberechtigten zur Wahl gingen. Sinn des Wahlkampfes nämlich war nicht zuletzt, die potenziellen Nichtwähler zu bewegen, wählen zu gehen. Die Aufteilung der "Wahlkampfkostenpauschale" auf die einzelnen Parteien erfolgte nach der Wahl anteilig auf Grund des jeweils erzielten prozentualen Wahlergebnisses. Diese "Wahlkampfkostenpauschale" wurde naturgemäß nur einmal nach der jeweiligen Wahl gezahlt. In späteren Jahren galt dies auch für die Europawahl und die Landtagswahlen.

Das System wurde im wesentlichen beibehalten bis zum Jahre 1994. Seit dem Jahre 1989 belief sich die "Wahlkampfkostenpauschale" auf 2,56 € (5,00 DM) pro Wahlberechtigten. Die auf diese Art im Wesentlichen gewährte öffentliche Parteienfinanzierung hatte auf den drei Ebenen - Europawahl, Bundestagswahl und Landtagswahlen - umgerechnet auf ein Jahr ein Volumen von ca. 118 Mio. €.

Im Jahre 1992 hat das Bundesverfassungsgericht im Hinblick auf die besonders herausragende Bedeutung der politischen Parteien als - nach wie vor - gesellschaftliche Gruppierungen es für zulässig erachtet, den Parteien nicht nur die notwendigen Kosten eines angemessenen Wahlkampfes zu erstatten, sondern ihnen auch für die auf Grund des Grundgesetzes und dem Parteiengesetz auferlegten a l l g e m e i n e n Aufgaben eine staatliche Teilfinanzierung zukommen zu lassen. Dies führte ab dem Jahre 1994 zu einer nicht mehr nur der Finanzierung der Wahlkampagnen dienenden allgemeinen staatlichen Teilfinanzierung der Parteien. Sie war absolut begrenzt auf das Volumen, das die Parteien auf Grund der bisherigen Rechtslage bereits erhalten hatten (absolute Obergrenzen), sowie - ebenfalls wie bisher - relativ begrenzt auf die jährliche Eigenfinanzierung der jeweiligen Partei ("relative Obergrenze").

Das Parteiengesetz wurde zuletzt im Sommer 2002 geändert, nachdem die Praxis gezeigt hatte, dass die bisherigen Regelungen im Rahmen des Gesetzesvollzugs in Einzelfällen problematisch sein können. Überdies hatte eine Reihe von Spendenskandalen deutlich gemacht, dass bessere Vorkehrungen zur Abwehr rechtswidriger Handlungen bei der Beschaffung und Verwaltung von Parteifinanzen sowie ein besonderer Straftatbestand im Parteiengesetz notwendig sind. Der Gesetzgeber kam bei dieser Gelegenheit auch seiner Aufgabe nach, eindeutigere Regelungen zu schaffen, welche Sanktionen die mittelverwaltende Behörde bei fehlerhaften Rechenschaftsberichten zu verhängen hat. Bei der Gesetzesnovelle wurden Vorschläge der "Kommission unabhängiger Sachverständiger zu Fragen der Parteienfinanzierung", die jeder amtierende Bundespräsident für die Dauer seiner Amtszeit zu berufen hat, sowie Forderungen, die im Zusammenhang mit dem 1. Untersuchungsausschuss der 14. Wahlperiode "Parteispenden" erhoben worden waren, berücksichtigt.

2.2 Eigenfinanzierung der Parteien

Als nicht staatliche, sondern gesellschaftliche Gruppierungen des Zivilrechts sind die Parteien von ihrem Selbstverständnis her verpflichtet, sich in erster Linie privat zu finanzieren. Die staatliche Finanzierung ist nur sekundär und darf, wie oben ausgeführt, nie höher sein als die Eigenfinanzierung der jeweiligen Partei ("relative Obergrenze" der staatlichen Finanzierung).

Die Haupteinnahmequellen der Eigenfinanzierung sind die Mitglieds- und Mandatsträgerbeiträge sowie die Spenden. Bei den im Deutschen Bundestag bis 2002 vertretenen sechs Parteien machten in dem zuletzt auswertbaren Rechnungsjahr 2001 durchschnittlich die Beiträge ca. 43 %, die Spenden ca. 18 % und die sonstigen Eigeneinnahmen ca. 8 % der gesamten Einnahmen einschließlich der staatlichen Finanzierung (ca. 31 %) aus.

Grundsätzlich sind die Parteien berechtigt, Spenden in unbegrenzter Höhe anzunehmen. Bei der Abwägung einerseits der Notwendigkeit, dass sich die Parteien in erster Linie selbst finanzieren sollten, und andererseits der Gefahr, dass die Parteien und deren politische Arbeit bei zu hohen Spenden fremden und undemokratischen Einflüssen ausgesetzt sind, hat sich der deutsche Gesetzgeber dazu entschieden, in gesetzlich genau umrissenen Fällen, in denen entweder durch eine indirekte Parteienfinanzierung die absolute Obergrenze umgangen werden könnte oder aber durch unzulässigen Einfluss auf die Parteien demokratische Grundsätze verletzt werden könnten, die Annahme von Spenden insgesamt zu verbieten, im übrigen die Spendenhöhe nicht zu begrenzen und der Korruptionsgefahr durch eine möglichst große Transparenz zu begegnen. Letztere besteht darin, dass Spenden, die eine Partei von einem Spender innerhalb eines gesamten Rechnungsjahres im Gesamtwert von mehr als 10.000 € erhält, mit Namen und Anschrift des Spenders und der Höhe der Gesamtspende in dem als Bundestagsdrucksache zu veröffentlichenden Rechenschaftsbericht transparent gemacht werden muss. Spenden über 50.000 € müssen zudem unverzüglich, d. h. ohne schuldhaftes Zögern, angezeigt werden, um sie "zeitnah" als eigenständige Bundestagsdrucksache veröffentlichen zu können.

Durch die mit Wirkung vom 1. Januar 2003 nochmals verschärfte Pflicht der Parteien, über ihre Einnahmen und Ausgaben und über ihr Vermögen umfassend öffentlich Rechenschaft zu legen, dürfte ein Mittelweg erreicht sein, der zum einen den Parteien eine möglichst weitgehende Eigenfinanzierung ermöglicht und sie zum anderen zu einem gesetzeskonformen und demokratiegerechten transparenten Arbeiten befähigt. Dass jede gesetzliche Regelung zum Anlass für eine Umgehung genommen werden kann, ist nicht zu verhindern. Wenn die Parteiverantwortlichen, wie es in Deutschland in letzter Zeit im Hinblick auf Strafverfahren durchaus geschehen ist, erkennen müsen, dass sie nicht sakrosankt sind, läßt dies hoffen, dass die Parteien ihre Rolle als Bindeglied zwischen Gesellschaft und Staat und als Mitwirkende bei der politischen Willensbildung des Volkes verantwortlich wahrnehmen und nicht der Versuchung erliegen, sich "den Staat zur Beute zu machen" bzw. "sich aus der Staatskasse zu bedienen".

2.3 Staatliche Teilfinanzierung

Die im Parteiengesetz geregelte staatliche Teilfinanzierung der Partei orientiert sich an dem Maßstab ihrer Verwurzelung in der Gesellschaft. Eine Partei, die in der Gesellschaft Widerhalt findet, soll größere staatliche Finanzmittel erhalten als eine Partei, die von der Gesellschaft abgelehnt wird. Maßstab für diese so genannte "Verwurzelung in der Gesellschaft" ist zum einen das Wahlergebnis, das die Parteien in den jeweiligen drei bundesweiten Wahlen (Europawahl, Bundestagswahl und 16 Landtagswahlen) erhalten, und zum anderen der Erfolg, den die Parteien dadurch erzielen, dass sie möglichst viele Mitglieds- und Mandatsträgerbeiträge sowie Spenden erhalten.

Die staatliche Teilfinanzierung insgesamt ist abhängig von der gesetzlich vorgeschriebenen Rechnungslegung. Seit der letzten Änderung des Parteiengesetzes sind die im Zusammenhang mit unrichtigen Rechenschaftsberichten bestehenden Fragen gesetzlich ausdrücklich geregelt. So werden beispielsweise die Parteien verpflichtet, Fehler in bereits beim Bundestagspräsidenten eingereichten Rechenschaftsberichten nach deren Entdeckung unverzüglich zu korrigieren. Verstöße gegen die Rechnungslegung und andere Gebote des Parteiengesetzes lösen finanzielle Sanktionen in Höhe des Zwei- oder Dreifachen des unrichtigen Betrages aus. Darüber hinaus gelten inzwischen auch spezielle Strafvorschriften, nach denen z.B. einzelne Parteimitglieder, die die Vorschriften über die öffentliche Rechnungslegung einer politischen Partei umgehen und damit einen unrichtigen Rechenschaftsbericht beim Präsidenten des Deutschen Bundestages einreichen, strafrechtlich angemessen zur Verantwortung gezogen werden können. (Einzelheiten der staatlichen Parteienfinanzierung sind über Internet abrufbar unter der Adresse www.bundestag.de/datbk/finanz/finanz_02.pdf.)

Quelle: http://www.bundestag.de/internat/ppk/ppk_paris/g8_ppk_finanz
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