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Ansprache anläßlich der Eröffnung der Karikaturen-Ausstellung "Zu Lande, zu Wasser und in der Luft - Die Bundespräsidenten 1949 bis 1999" am 29.06.1999 in Bonn

Ansprache anläßlich der Eröffnung der Karikaturen-Ausstellung
"Zu Lande, zu Wasser und in der Luft -
Die Bundespräsidenten 1949 bis 1999" am 29.06.1999 in Bonn

Es gilt das gesprochene Wort

"Zur öffentlichen Berichterstattung über das politische Geschehen gehört die Karikatur wie das Salz zur Suppe. Die Karikaturen-Ausstellung, die in den folgenden Tagen hier in der Lobby des Deutschen Bundestages zu besichtigen sein wird, ist gleichwohl eine ungewöhnliche: ihr Gegenstand sind unsere Bundespräsidenten zwischen 1949 und 1999. Wer hätte gedacht, daß auch das Wirken unserer ersten Bürger im Staate "Zu Lande, zu Wasser und in der Luft" Gegenstand einer solch langen karikaturistischen Tradition geworden ist?

Die über 100 Bilder dieser Ausstellung stammen aus dem "Karikaturen-Archiv" der Pressedokumentation des Deutschen Bundestages. Dieses Archiv umfaßt insgesamt über 230.000 Zeichnungen und dürfte damit weltweit einmalig sein. Der Leiter der Pressedokumentation, Herr Prof. Keim, hat dieses Archiv über lange Jahre mit viel Liebe, Akribie und politischer Weitsicht aufgebaut - eine bemerkenswerte Leistung! Sie belegt zugleich, daß es - gegen alle Vorurteile auch von Pressevertretern - im öffentlichen Dienst durchaus Raum für Eigeninitiative und Kreativität gibt.

Für mich sind diese Karikaturen einzigartige Zeitdokumente. Schließlich vermögen sie ganz unterschiedliche Generationen anzusprechen. Für die Älteren sind die Zeichnungen Erinnerung an erlebte Persönlichkeiten und politische Ereignisse. Für die Jüngeren ist die Beschäftigung mit diesen Karikaturen eine informative und anregende Begegnung mit der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in fünf Jahrzehnten.
Mit dieser Ausstellung im Deutschen Bundestag wollen wir zugleich den (hohen gesellschaftlich-politischen) Stellenwert der Karikatur in der Demokratie würdigen. Karikaturen sind oft unterschätzte Beiträge zum politischen Geschehen wie zum öffentlichen Diskurs über Politik und Politiker. Sie tragen immer wieder auf originelle und prägende Weise zum demokratischen Streit bei. Die individuelle Auseinandersetzung des Künstlers mit einer bestimmten Persönlichkeit oder einem bestimmten Ereignis ist zugleich ein Seismograph unseres öffentlich-politischen Bewußtseins. Karikaturen sind Denkanstöße, sie fordern und fördern die eigene Meinungsbildung. Sie sind streitbar und oft umstritten, können und sollen kritisieren, mitunter auch provozieren - ohne doch persönliche Gefühle zu verletzen.

Diese Gratwanderung ist für den Künstler oft ebenso schwierig wie für den Karikierten. Ich spreche hier aus Erfahrung. Schließlich habe ich mich schon des öfteren als Gegenstand einer Karikatur in den Zeitungen wiedergefunden - und meistens habe ich selbst schmunzeln müssen. Humor ist, wenn man trotzdem lacht.

Karikaturen haben Breitenwirkung; sie sind ungemein populär. Deshalb verzichtet in unserer gegenwärtigen Presselandschaft kaum eine Zeitung auf politische Karikaturen. Gute Karikaturen bereiten den Lesern und Leserinnen schlicht und einfach Freude. Die Karikatur nimmt persönliche Eigenarten ironisch oder satirisch aufs Korn, bringt politische Probleme auf den Punkt. Vor allem aber entlocken gute Karikaturen dem Betrachter - je nach Stimmungslage und Temperament - ein leichtes Schmunzeln, breites Lächeln oder auch spontanes Lachen. Ob mit oder ohne Text unterhält und belehrt sie zugleich, sagt - mit Horaz - lächelnd die Wahrheit.

Die Inhaber des höchsten Amts im Staate, die Bundespräsidenten, wurden von den Karikaturisten keineswegs verschont. An den einzelnen Zeichnungen dieser Ausstellung erkennt man, daß Karikaturen nicht subversiv sind, daß sie sogar Sympathie zum Ausdruck bringen. Sie machen deutlich, daß auch Bundespräsidenten nur Menschen sind. Gerade die persönlich-menschliche Seite aller unserer Staatsoberhäupter kommt in den Karikaturen auf treffende und liebenswerte Weise zum Ausdruck. Dies verringert die Distanz zwischen Bürgerinnen und Bürgern und dem ersten Bürger unseres Gemeinwesens. Es lohnt sich deshalb, die einzelnen Karikaturen, die Kenntlichmachungen von Theodor Heuss, Heinrich Lübke, Gustav Heinemann, Karl Carstens, Richard von Weizsäcker und Roman Herzog genauer zu betrachten.

Karikaturisten reagieren schnell auf aktuelle Ereignisse, ja, sie sind ihnen zum Teil sogar voraus: Johannes Rau ist in seinem neuen Amt noch nicht einmal vereidigt - und schon muß er sich in ersten Zeichnungen ironisch-karikaturistisch aufs Korn nehmen lassen. Wer seine Menschlichkeit und seinen Humor kennt, weiß allerdings, daß unser neuer Bundespräsident an solchen Darstellungen viel Vergnügen hat - eine Freude, die zweifellos viele Menschen teilen werden.

Der berechtigten Popularität der Karikatur soll mit dieser Ausstellung im Deutschen Bundestag Rechnung getragen werden. Ein besonderes Bonbon für alle Besucherinnen und Besucher wird dabei die Möglichkeit sein, sich von zwei renommierten Karikaturisten, Burkhard Mohn und Rolf Hehn, portraitieren zu lassen. Ich hoffe, daß dieses Angebot auf rege Nachfrage stößt - schließlich wird der Erlös einem guten Zweck zugeführt werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, unter uns ist - zu meiner großen Freude - der Doyen der deutschen Karikatur, (Herr) Ernst Maria Lang. Sehr geehrter Herr Lang, seit 1947 haben Sie für die "Süddeutsche Zeitung" karikiert und in Ihrer langen Laufbahn viele unvergeßliche Zeichnungen zu Papier gebracht. Ich möchte Sie nun bitten, über Ihre persönlichen Erfahrungen mit dem einzigartigen Medium der politischen Karikatur über die Objekte ihres Spotts und über die hier ausgestellten Werke zu sprechen."

Quelle: http://www.bundestag.de/parlament/praesidium/reden/1999/017
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