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Es gibt viel zu tun! GLASKLAR „Arbeiten“ begleitet die
Abgeordneten durch die Sitzungswoche, schaut sich an, wie ein
Gesetz entsteht und hat junge Menschen getroffen, die im Bundestag
arbeiten. Und was macht eigentlich ein Bundestagspräsident und
was eine Fraktionsvorsitzende? GLASKLAR hat einfach mal
nachgefragt.
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Vor kurzem hatte er Geburtstag. Viele kamen, um zu schauen, wie es ihm geht und ob er noch lange bleiben wird. Er selbst wirkte ganz unbeeindruckt und strahlte, wie immer, würdevolle Eleganz aus. Der Frack der Saaldiener ist zu einem festen Symbol des parlamentarischen Alltags geworden.
Eigentlich ist er schon viel älter als fünfzig Jahre. Man könnte noch einmal gut zweihundert Jahre drauflegen. Zu dieser Zeit wurde er „geboren“ – als Ergebnis einer Verbindung aus reitender Kavallerie und bürgerlicher Tüchtigkeit. Von beiden bekam er das Beste. Eine gewisse praktische Eleganz und eine für damalige Verhältnisse emanzipatorische Kühnheit. Es gab wohl viele, zumal im Adel, die ihn mit großer Skepsis betrachteten und zu Beginn für nicht salonfähig hielten, aber darüber schweigt heute der Gentleman. Denn heute ist das ganz anders.
Diener im Frack
Zu seinem offiziell 50. Geburtstag kamen viele Gäste. Er musste sich von allen Seiten betrachten lassen, anfassen auch, und von den guten Worten, die über ihn verloren wurden, konnten einem die Ohren klingeln. Dabei ist er doch nur einer von vielen. Aber vielleicht der berühmteste. Zumindest in Deutschland. Andauernd wird er im Fernsehen gezeigt, immer ist er in der Nähe der ganz Großen in der Politik, bei jedem wichtigen politischen Ereignis ist er dabei. Ohne ihn geht es nicht, denn seine Dienste sind unverzichtbar.
Deshalb wurde er zum Fünfzigsten ausgestellt und es gab eine kleine Laudatio. Der Direktor beim Deutschen Bundestag hielt sie und er sagte über den Jubilar: „Er repräsentiert ein Stück Bundestag.“ Man sei ja, führte Wolfgang Zeh weiter aus, in Deutschland eher ein wenig nüchtern und sehr pragmatisch veranlagt. Aber zwei wichtige Symbole habe man doch, die den parlamentarischen Alltag prägten und die seien in diesem Hohen Haus, dem Deutschen Bundestag, immer präsent: der Adler und der Frack.
Zwei von denen, die im Frack ihren Dienst tun und schon lange finden, dass er ein interessantes und wechselvolles Leben hinter sich hat, hatten die Idee mit der Ausstellung: Dirk Kunze und Anette Kipp-Sandherr. Ihnen und der Praktikantin Larissa Buru war zu danken, dass am Ende des vergangenen Jahres im Südostflügel des Reichstagsgebäudes auf der Plenarebene eine kleine, informative und feine Ausstellung zu betrachten war – lehrreich und kurzweilig.
Ein 50-Jähriger der besonderen Art also. Ein Kleidungsstück mit Persönlichkeit. Wer ihn trägt, stellt etwas dar – sich selbst und einen Gestus der Eleganz und Professionalität. Die ihn im Deutschen Bundestag tragen, arbeiten beim Plenarassistenzdienst, dem rund 80 Frauen und Männer angehören und ohne den es oft schwierig wäre, eine Verbindung zwischen drinnen und draußen herzustellen.
Bundestagsabgeordnete wissen das zu schätzen. Sie wissen, dass die Männer im Frack und die Frauen im Frackkostüm mehr tun, als nur jeder Rednerin und jedem Redner ein Glas Wasser ans Pult zu bringen. Sie können sich ihre Arbeit ohne diese Dienstleister schwer vorstellen. Schließlich ermöglichen all die kleinen Handreichungen und größeren Hilfen rund um den Plenarsaal den Abgeordneten, sich ganz auf ihre Arbeit zu konzentrieren. Ohne die Frauen und Männer des Plenarassistenzdienstes gäbe es weniger Service für Staatsgäste, bekämen Besucherinnen und Besucher des Deutschen Bundestages auf manche Frage keine Antwort und vermissten sicher die Hilfestellungen der immer freundlichen und stets kompetenten Bundestagsangestellten.
Diener im Frack, wie diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter genannt werden, unterstützen den Bundestag darin, einen würdevollen Stil zu wahren. Das hat natürlich zuallererst etwas mit den Menschen zu tun, die im Frack oder Frackkostüm stecken. Aber die Würde, die zu wahren ist, drückt sich auch im äußeren Erscheinungsbild aus. Und das hat einmal ganz bescheiden angefangen. Vor etwas mehr als fünfzig Jahren.
Als sich im September 1949 der erste Deutsche Bundestag konstituierte, war ein Frack noch undenkbar. Überall herrschten Not und Mangel, also trugen die ersten Hilfsdienste der neu entstehenden Bundestagsverwaltung einfach nur grüne Armbinden. Die sahen ganz und gar unspektakulär aus und auf ihnen waren gestickt die Worte „Hilfsdienst“ oder „Hausdienst“ oder „Ordnungsdienst“ zu lesen. Dazu trugen die dienstbaren Menschen Zivilkleidung. Sie waren also ein „bunter Haufen“. Jeder hatte andere Kleidung über den Krieg gerettet und jeder versuchte, das Beste daraus zu machen. Eines allerdings trugen alle: eine Krawatte.
Die Geburtsstunde des Fracks als Dienstkleidung lag noch in ziemlich weiter Ferne, auch wenn man sich schon im Oktober 150 einig war, dass Saaldiener einer besonderen Bekleidung bedürften und auch das Zeremoniell der Eröffnung einer Plenarsitzung verändert werden müsste. Die Idee mit dem Frack hatte allerdings zu dieser Zeit noch kaum Befürworter.
Der Chef trägt weiße Weste
1954 fand im Palais Schaumburg ein wichtiges Abendessen statt. Bundeskanzler Konrad Adenauer hatte das Bundestagspräsidium eingeladen und man diskutierte unter anderem darüber, ob die Plenarsitzungen künftig nach dem Vorbild des englischen Parlaments und der französischen Nationalversammlung eröffnet werden sollten. Ja, das fanden alle gut und richtig und sie beschlossen, dass der amtierende Bundestagspräsident und der ihn begleitende Direktor im Cut mit schwarzer Weste erscheinen und die „im Saal Dienst tuenden Amtsgehilfen“ ihre „Schaffnermonturen“ gegen Fräcke eintauschen sollen. Der damalige Bundestagspräsident Professor Eugen Gerstenmaier befand, das Frackmodell der Residenz des französischen Botschafters auf Schloss Ernich sei farblich und von der Form her am besten als Vorbild geeignet.
Am 27. Januar 1955 betraten der Bundestagsvizepräsident Carlo Schmid und der Direktor beim Deutschen Bundestag den Plenarsaal im Cut, nachdem ein Gongschlag ertönt war und der Ruf „Der Präsident!“. So feierlich kann Politik sein. Seitdem ist der Frack offizielle Dienstkleidung der Saaldiener. Damals gehörten zur vollständigen Ausstattung eines Saaldieners: 1 Frack aus dunkelblauem Gabardine, 1 Frackweste und 2 einknöpfbare Frackwesten-Vorderteile aus rotem Wollstoff, 1 Hose, 3 weiße Frackhemden, 6 Eckenkragen, 3 weiße Querbinder, 3 Paar weiße Handschuhe.
Aber so sollte es nicht auf ewig bleiben. Bundestagspräsident Kai-Uwe von Hassel beispielsweise befand die Fräcke nach französischem Vorbild als zu „aufgedonnert, zu pompös und prunkvoll“. Vor allem die Goldknöpfe störten ihn und so ging im Jahre 1969 an den Herrenausstatter Anton Schreiber aus Bad Homburg der Auftrag, verbesserte und modernere Modelle anzufertigen.
Ein Jahr später wurden die neuen Modelle präsentiert – ein Kompromiss zwischen der „Würde des Hauses und der Bürde der Kleidung“, wie das Ergebnis etwas blumig beschrieben wurde. Mitternachtsblaue Frackjacke, Frackfliege, weißes Hemd, hellgraue Frackweste gehörten nun zur Ausstattung der Saaldiener. Der Platzmeister trug und trägt eine weiße Weste – der Unterscheidung wegen. „Nur der Chef trägt weiße Westen“, titelte der „Bonner Generalanzeiger“ damals und schrieb, die Saaldiener gehörten zu den bestangezogenen Männern der Stadt. Das lasen die sicher gern.
So wie sie 1970 aussahen, sehen sie noch heute aus. Gut angezogen also.
Und die Frauen? Frauen im Frackkostüm gibt es erst seit 1989. Siebzehn Jahre zuvor, als Annemarie Renger zur Bundestagspräsidentin gewählt wurde, war zum ersten Mal die Rede davon. Manche Dinge aber brauchen ihre Zeit. Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth jedenfalls konnte am 19. Januar 1989 vor ihrer Antrittsrede die ersten weiblichen Saaldiener und ihre Bekleidung in der Öffentlichkeit vorstellen. Da war der Frack schon 34 Jahre alt. Er hatte die ganze Zeit über eine gute Figur gemacht und er scheint nicht wirklich älter zu werden. Das haben auch die Gäste festgestellt, die zu seinem 50. Geburtstag gekommen waren.
Neidlos und bewundernd.
Text: Kathrin Gerlof
Fotos: studio kohlmeier
Erschienen am 8. Februar 2006