Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 18 / 26.04.2004
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O. Ulrich Weidner

Editorial


Es gab Zeiten, als den Mitteleuropäer es nichts anging, wenn in der fernen Türkei die Völker aufeinander einschlugen - diese Zeiten sind aber längst vorbei. Globalisierung, erdballumspannender Terrorismus, wirtschaftliche Abhängigkeit führen zur "Weltinnenpolitik". Am Vorabend der EU-Osterweiterung stellt sich die Frage nach den weiteren Beitrittskandidaten - am 20. April hat die EU-Kommission dem Europäischen Parlament empfohlen, den Beitrittsverhandlungen mit Kroatien zuzustimmen. Ferner stehen Rumänien und Bulgarien sprungbereit. Und die Frage nach der Türkei ist nicht nur für die rund 2,5 Millionen hier lebenden Türken oder türkischstämmigen Deutschen von Interesse - politisch gehen die Meinungen in der Republik ziemlich weit auseinander.

In dieser Ausgabe werfen wir einen Blick auf die Türkei als Beitrittskandidat, aber auch auf die hier lebende Minderheit. Ist die Türkei "europareif", gehört sie überhaupt zu Europa, in ein vereintes Europa? Die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Claudia Roth (Bündnisgrüne), sagt ein klares Ja, während der Vorsitzende des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten des Europäischen Parlamentes, der Unions-Abgeordnete Elmar Brok, als Alternative für eine "privilegierte Partnerschaft" zwischen EU und Türkei wirbt (Seite 2).

Einem Blick auf die derzeitigen politischen Verhältnisse in Ankara und auf die Lage der Minderheiten im Lande (Seite 3) folgen Berichte über den Kopftuch-Streit, den es auch am Bosporus gibt, und über die sich verbessernde Lage der Kurden, die aber noch nicht einen Durchbruch kennzeichnet (Seite 4).

Die Türkei als beliebtes Urlaubsland stellen wir auf Seite 5 vor, Istanbul als faszinierende Stadt und eine Reise auf den Spuren der Bagdadbahn, die mit Hilfe der Deutschen Bahn wieder aufgebaut werden soll - so wie seiner Zeit unter deutscher Leitung zu Beginn des 20. Jahrhunderts (Seite 6). Vural Öger, Chef des bekannten Reiseimperiums und Spitzenkandidat der Sozialdemokraten zur anstehenden Europawahl macht sich im Interview Gedanken, wie man den Wohlstand im Lande erfolgreich verteidigen kann. Welche politischen Präferenzen Deutschtürken haben und wie ältere Türken der ersten Einwanderergeneration ihren Lebensabend in der Bundesrepublik verbringen, wird auf Seite 7 geschildert. Türken sind nicht nur als Dönerbuden-Besitzer oder fliegende Gemüsehändler erfolgreich in Deutschland - türkischstämmige Designer und Moderatoren werden zunehmend bekannter (Seite 8). Tarkan und Multi-Kulti sind die Themen der folgenden Seite - "Gegen die Wand", der Film, der zwischen Hamburg und Istanbul spielt und in Berlin den Goldenen Bären gewann und für den Deutschen Filmpreis nominiert wurde, ist Beispiel, wie zwischen Kulturen hin- und hergesprungen werden kann.

4:1 gewann die deutsche Fußballelf 1954 das Vorrundenspiel gegen die Türkei, als die Kicker um Fritz Walter schließlich auch Weltmeister wurden. Dass Fußball nicht nur völkerverbindend ist, sondern besonders in den unteren Ligen Ressentiments bis hin zum Hass den DFB beschäftigen, ist auf Seite 10 nachlesbar, ebenso die nicht immer ganz unproblematische Lage der Medien in der Türkei.

Als Mittler zwischen den Kulturen versteht sich das Essener Zentrum für Türkeistudien. Das bisweilen heftig getrübte Verhältnis zu Griechenland und überhaupt das poltische Verhältnis zu seinen Nachbarn wird auf Seite 11 beleuchtet - und schließlich auch das Verhältnis der Türkei zu Russland und den USA. Zu den Amerikanern ist das Verhältnis nach dem Irak-Krieg nicht mehr das beste, zumal man in Washington argwöhnt, Ankara wolle sich zwischen den USA und Europa zugunsten Brüssels entscheiden.

Dass der Direktor des Zentrums für Türkeistudien, Professor Faruk Sen, für den EU-Beitritt der Türkei wirbt, versteht sich von selbst (siehe nebenstehend). O. Ulrich Weidner


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2005.