Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 21-22 / 17.05.2004
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Claudia Heine

...aufgekehrt


Der gemeine Finanzbeamte ist tendenziell unbeliebt und hat einen langweiligen Job? Das stimmt nur teilweise. Unbeliebt ist er tatsächlich; nur Autoverkäufer und Politiker sind schlimmer dran. Was aber die Langeweile in den Amtsstuben angeht, haben wir, die "ehrlichen" Steuerzahler, uns jahrelang bitter getäuscht. Und das im doppelten Sinn, denn wir sind auch noch "schuld" an unseren eigenen Täuschung.

Der Grund: Die Ausreden, mit denen die Deutschen sich von der Steuerlast befreien wollen, bringen die Finanzbeamten anscheinend regelmäßig zum Lachen. Und da es schön ist, über sich selbst zu lachen, kann jeder, der möchte, die besten Knaller nun in einem Buch nachlesen. Titel "Meine Frau ist eine ungewöhnliche Belastung."

Da bittet ein säumiger Steuerzahler, den "Nutzwert der Schwiegermutter im Veranlagungszeitraum mit 2.300 Mark (damals noch)" zu berücksichtigen. Geld macht anscheinend erfinderisch. Ein Ehepaar mit Luxusvilla beteuert, sich nur Lebensmittel jenseits des Verfallsdatums und Second-Hand-Klamotten leisten zu können. Die Armen! Den ausschlaggebenden Grund für diese Kuriositäten-Sammlung gab allerdings eine Postkarte, die der Autor und Finanzbeamte Ralf Sikorski erhielt. Darauf teilt ihm ein Steuerhinterzieher mit: "Ich sitze hier im Urlaub im schönen Schottland und gebe hier die Kohle aus, die eigentlich Euch zusteht. Bitte nicht böse sein!"

Im Anklang an die Bibel könnte es deshalb heißen: "Gebt dem Finanzminister, was ihm zusteht!" Aber warum ehrlich sein, wenn es die anderen auch nicht sind? Wenn es sogar der höchste deutsche Beamte mit entsprechendem Gehalt nicht komisch findet, von einer von ihm beaufsichtigten Bank in ein Luxus-Hotel eingeladen zu werden, dann kann ich, der Normalverdiener, doch wohl wenigstens meine Schwiegermutter in Rechnung stellen. Wahrscheinlich trägt besagter Beamte auch nur abgenutzte Kleidung und konnte sich in jenem Hotel endlich mal wieder richtig satt essen.

Im Gegensatz zu manchem Top-Manager hatte ein Steuersünder wenigstens schlaflose Nächte wegen seines Vergehens: "Da ich nachts nicht mehr schlafen kann, schicke ich Ihnen einen Scheck über 10.000 Mark zu Ausgleich des Schadens. Sollte ich danach immer noch nicht schlafen können, schicke ich Ihnen auch noch den Rest."

Tja, Geld macht wirklich erfinderisch. Angesichts der Leere in den öffentlichen Haushalten beweisen auch die Politiker blühende Phanatasien, wie Geld eingespart oder eingetrieben werden könnte. Zum Beispiel durch eine Gebühr für öffentliche Parks in Berlin. Hoffentlich kommt niemand auf die Idee, seine eigene Gesundheitsvorsorge durch regelmäßiges Joggen als "unerträgliche Belastung" dem Finanzamt in Rechnung zu stellen.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2005.