Das Parlament
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Nr. 28 / 05.07.2004
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Verfassung der Europäischen Union ist für Fischer "epochaler Schritt"

Nach der Verabschiedung durch den Europäischen Rat

Europa. Nach Auffassung von Bundesaußenminister Joschka Fischer (Bündnis 90/Die Grünen) ist die kürzlich auf dem Europäischen Rat vereinbarte Verfassung der Europäischen Union (EU) "ein epochaler Schritt" für die europäische Integration. "Sie ist das wichtigste Vertragswerk seit den Römischen Verträgen von 1957", sagte der Außenminister am 30. Juni im Europaausschuss. Die Einführung der doppelten Mehrheit der Staaten und der Bevölkerung mit 55 beziehungsweise 65 Prozent sichere die Handlungsfähigkeit der erweiterten EU und stärke bevölkerungsreiche Mitgliedstaaten. Von großer Bedeutung sei auch die Aufnahme der Grundrechte-Charta in die Verfassung, führte Fischer weiter aus. Seinem Eindruck nach ist ein positiver Verlauf des Ratifizierungsprozesses auch im Rahmen der in einigen Ländern vorgesehenen Referenden gut möglich. Das Zieldatum für das In-Kraft-Treten sei der 1. November 2006. Die Unterzeichnung ist für den November dieses Jahres in Rom geplant. Als Erfolg bezeichnete der Außenminister die Reformen im institutionellen Bereich. Der Europäische Rat hatte sich darauf geeinigt, die Zahl der Kommissare ab 2014 auf Zweidrittel der Anzahl der Mitgliedstaaten zu reduzieren. Wichtig sei auch die Einführung des Frühwarnprozesses im Interesse der direkten Beteiligung der nationalen Parlamente am europäischen Entscheidungsprozess.

Auch für die SPD ist die beschlossene europäische Verfassung ein "großer Erfolg". In der Sozialpolitik sei das Kompromisspaket von Ausgewogenheit geprägt. Es habe sich gezeigt, dass die Methode eines Europäischen Konvents zum Erfolg führen könne. Die Fraktion hätte in der Frage der doppelten Mehrheit gerne "nachgelegt", zeigte aber Verständnis für die Notwendigkeit der Kompromissfindung. Nun komme es darauf an, das Dokument möglichst schnell im Bundestag zu ratifizieren und den Bürgern den Kompromiss näherzubringen. Für die CDU/CSU ist der Beschluss des Europäischen Rates "insgesamt erfolgreich". Die EU sei nun besser darauf vorbereitet, mit 25 und mehr Mitgliedern zu arbeiten. Allerdings habe die Regierungskonferenz zu einer Verschlechterung des Konventsentwurfs geführt. So sei die Reduzierung der deutschen Sitze im Europäischen Parlament von 99 auf 96 bedauerlich. Ein Mitglied der Fraktion bemängelte die Unverständlichkeit des Textes. Insgesamt sei ein Ausbau der Kompetenzen der EU das Ergebnis. Der Abgeordnete kritisierte das Fehlen eines Wertebezugs und konstatierte eine Ausweitung des demokratischen Defizits. "Eine glückliche Einigung für Europa" machten die Bündnisgrünen aus. Sie sei eine deutliche Verbesserung des Status quo. Die Fraktion warnte davor, die Frage der Verfassung mit dem möglichen Beitritt der Türkei zu verknüpfen. Der positiven Bewertung der EU-Verfassung schloss sich die FDP an. Besonders wichtig seien die Fortschritte bei der demokratischen Legitimation und beim institutionellen Gefüge. Auch der Aufnahme der Grundrechte-Charta komme große Bedeutung zu. Die Liberalen sprachen sich erneut dafür aus, ein Referendum über den Vertrag abzuhalten.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2005.