Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 43 / 24.10.2005
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Jörg van Essen

Wir halten uns an die bewährten Regeln

Geschäftsordnungsdebatte zur Festlegung der Zahl der Stellvertreter des Bundestagspräsidenten

Herr Präsident, ich darf Ihnen zunächst im Namen der FDP-Bundestagsfraktion ganz herzlich gratulieren. Sie hatten das Vertrauen unserer Fraktion bereits im Amt des Vizepräsidenten und Sie werden es mit Sicherheit auch in Ihrer neuen Funktion rechtfertigen.

Wir haben uns insbesondere über Ihre kritischen Bemerkungen hinsichtlich der Verhaltensregeln sehr gefreut. Wir haben nämlich deshalb auch eine Erklärung nach § 31 der Geschäftsordnung dazu abgegeben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die FDP-Bundestagsfraktion ist erstaunt, wie mit den hohen Ämtern in einem der wichtigsten Verfassungsorgane, dem Bundestag, umgegangen wird. Da hören wir zunächst, dass auf Wunsch der SPD-Fraktion in der konstituierenden Sitzung möglicherweise kein Präsidium gewählt werden soll, weil das Amt des Bundestagspräsidenten in die Koalitionsverhandlungen einbezogen werden soll.

Für uns war die Linie von Anfang an klar und eindeutig: Wir halten uns an die bewährten Regeln des Deutschen Bundestages.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Diese Regeln besagen, dass selbstverständlich die stärkste Fraktion den Präsidenten stellt.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Zu den bewährten Regeln gehört auch folgende: Wir haben uns nach langer Dis-kussion darauf verständigt - ich finde, dass das für die Demokratie in unserem Lande spricht -, dass sich jede Fraktion, auch die kleinste - in diesem Fall die Grünen -, im Präsidium wiederfindet. Wenn eine Fraktion hinzukommt wie die der Linkspartei, dann gibt es für uns gar keine Diskussion darüber, dass dann ein Amt für die Linkspartei zur Verfügung stehen muss. Das gehört zur Demokratie dazu.

Wir können aber keinerlei Grund erkennen - Herr Kollege Röttgen, Sie haben das auch in Ihrer Rede nicht deutlich gemacht -, warum es notwendig ist, einen weiteren Vizepräsidenten im Deutschen Bundestag zu installieren. Der Arbeitsanfall gebietet es jedenfalls nicht. Auch ein kleineres Präsidium hat uns vorzüglich geleitet. Noch viel wichtiger ist ein anderer Aspekt - Sie haben bereits den Kostenfaktor angesprochen -: Nach den Koalitionsverhandlungen gestern Abend war zu hören, wie schwierig die Finanzlage in unserem Land ist. Das heißt, wir, der Bundestag, werden unseren Bürgern viel zumuten müssen. Das erste Signal des neu gewählten Bundestages darf daher nicht sein, dass wir, ohne dass ein nachweisbarer Anlass dazu besteht, die Zahl der Vizepräsidenten um eine weitere Position erhöhen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Ich darf zum Schluss aus der schon erwähnten Debatte von 1994 zitieren. Ein Kollege hat damals gesagt: Wir muten den Bürgern Sparmaßnahmen zu. Wenn dem so ist, darf es nicht sein, dass der Bundestag als Ers-tes eine Erweiterung des Präsidiums beschließt. - Derjenige, der das damals gesagt hat, ist der heutige Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen, der Kollege Rüttgers. Recht hat er. Die FDP-Bundestagsfraktion wird deshalb einer Erweiterung des Bundestagspräsidiums ihre Zustimmung nicht geben.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der LINKEN)


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2005.