VII. Das geteilte Deutschland
Die Bundesrepublik Deutschland
4. Krisen und Wandel I:
Die Große Koalition und das sozialliberale
Bündnis
Die Große Koalition aus CDU/CSU und SPD versteht sich von vornherein als ein Bündnis auf Zeit zur Lösung ganz bestimmter Aufgaben. So wird ein Instrumentarium zur Wirtschaftssteuerung entwickelt, mit dessen Hilfe es in relativ kurzer Zeit gelingt, das Wachstum anzukurbeln und annähernde Vollbeschäftigung zu erreichen. Das Zusammengehen der großen Volksparteien stößt freilich auch auf Kritik: Mit 447 zu 49 Sitzen verfügt sie über eine erdrückende Mehrheit im Parlament, der die FDP als kleine und entsprechend einflusslose Opposition gegenübersteht. Die studentische Protestbewegung erklärt sich deswegen zur "außerparlamentarischen Opposition". Sie richtet sich zugleich gegen traditionelle Lebensformen und Wertorientierungen, aber auch gegen das Vorgehen der USA in Vietnam und innenpolitisch vor allem gegen die Verabschiedung der Notstandsgesetze.
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Regierungserklärung Willy Brandts am 28. Oktober 1969 |
Obwohl die CDU aus den Wahlen von 1969 als stärkste Kraft hervorgeht, kommt auf Initiative Willy Brandts und Walter Scheels eine Koalitionsregierung aus SPD und FDP zu Stande. Vor allem die neue Ostpolitik der Regierung führt zu kontroversen Bundestagsdebatten. Während die CDU/CSU-Opposition in der Anerkennung der DDR als souveränem Staat eine Wiedervereinigung gefährdet sieht, will die Regierung mit der Normalisierung der Beziehungen ein Auseinanderleben der beiden deutschen Staaten verhindern. Am 27. April 1971 scheitert ein Misstrauensantrag des CDU/CSU-Fraktionsvorsitzenden Rainer Barzel gegen Bundeskanzler Willy Brandt denkbar knapp. Nach Abschluss des deutsch-deutschen Grundlagenvertrages am 21. Dezember 1972 bemüht sich die Regierung verstärkt um die Umsetzung ihres Programms der inneren Reformen, das sich vom Ausbau des sozialen Netzes bis hin zu einer Umgestaltung des Bildungssektors erstreckt.
Die Spionageaffäre Guillaume wird 1974 zum äußeren Anlass für Brandts Rücktritt. Sein Nachfolger Helmut Schmidt sieht sich vor große Herausforderungen gestellt. Energiekrise, weltweite Rezession, Wettrüsten, Anstieg der Arbeitslosigkeit, steigende Staatsverschuldung und Terrorismus sind die zentralen Probleme, die im Bundestag verhandelt werden. Vor allem unterschiedliche wirtschaftspolitische Anschauungen innerhalb der Koalition und der anschließende Rücktritt der FDP-Minister führen im Herbst 1982 zum Bruch. Mit einem konstruktiven Misstrauensvotum gegen Bundeskanzler Schmidt wird am 1. Oktober 1982 Helmut Kohl zum neuen Bundeskanzler gewählt.