KINDERKOMMISSION
Experten: Kinder leiden an Erwachsenenkrankheiten
(fa) Das Krankheitsbild bei Kindern hat sich verändert. Das sagte Professor Johannes Brodehl, Generalsekretär der Deutschen Akademie für Kinderheilkunde und Jugendmedizin, am 17. April bei einer öffentlichen Anhörung der Kinderkommission. Dank ernährungsphysiologischer, hygienischer und prophylaktischer Maßnahmen seien zwar die bis vor wenigen Jahrzehnten noch typischen Kinderkrankheiten wie Rachitis oder Masern weggefallen. Das bedeute aber nicht, dass Kinder heute gesünder seien als noch vor einigen Jahrzehnten.
Durch Konsum- und Reizüberflutung, Veränderung der Wohn- und Lebensverhältnisse und Gefährdung durch Verkehr und Umwelt litten Kinder an Zivilisationskrankheiten wie Allergien und Fettsucht, sagte Brodehl. Obwohl dies typische Erwachsenenkrankheiten seien, müssten Kinder fachkompetent, also von speziell ausgebildeten Kinderärzten, betreut werden. Denn gesundheitliche Probleme drückten sich immer in spezifischen Merkmalen des Kindesalters wie Wachstum und Reife aus, begründete Brodehl. Zudem könnten nur Kinderärzte erforschen, wie den häufigsten akuten Kinderkrankheiten (plötzlicher Säuglingstod, Unfälle, Vergiftung) beizukommen ist.
Dr. Klaus Gritz, Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugend-ärzte, forderte die Einrichtung von Weiterbildungsstellen im Bereich der Kinderheilkunde. Wegen der Altersstruktur deutscher Kinderärzte rechnet er damit, dass es in den kommenden fünf Jahren zu wenig Kinderärzte geben wird. Dies gelte besonders für die neuen Bundesländer, in denen mehr als 40 Prozent der Kinder- und Jugendärzte über 55 Jahre alt sind. Bundesweit würden vom Jahr 2006 an statt des notwendigen Nachwuchses von jährlich 400 Pädiatern nur noch 200 zur Verfügung stehen, so Gritz. Zugleich monierte er, dass Kinderheilkunde seit zwei Jahren kein Pflichtfach in der Medizin mehr sei. Daher wählten 83 Prozent der angehenden Ärzte dieses Fach im Staatsexamen ab und verfügten somit nur über mangelhafte theoretische Kenntnisse.
Professor Bärbel-Maria Kurth, Projektleiterin des Kinder- und Jugendsurvey des Robert-Koch-Instituts sagte, auch die Berichterstattung zur gesundheitlichen Lage von Kindern und Jugendlichen sei unzureichend. Für eine zuverlässige, differenzierte und kontinuierliche Einschätzung des Gesundheitsstatus der jungen Generation mangele es bundesweit an einer ausreichenden Datenlage.