Der von Bundesverbraucherministerin Renate Künast vorgelegte Agrarreformgesetzentwurf ist im Bundesrat auf weitgehende Zustimmung getroffen. In der Sitzung am 12. März sprachen die Mehrzahl der Redner von einem nötigen und sinnvollen Paradigmenwechsel in der Landwirtschaft, der die Zukunftsfähigkeit dieser Branche sichere. Lediglich Bayern und Hessen lehnten den Entwurf ab, da sich dadurch die ohnehin schon ungünstige Wettbewerbssituation deutscher Bauern gegen über ihren europäischen Konkurrenten weiter verschlechtern würde.
Mit dem Gesetz sollen die in der Verordnung des Europäischen Rates vom September 2003 zur Gemeinsamen Agrarpolitik eröffneten Optionen ausgestaltet und umgesetzt werden. Durch diese Verordnung erfährt die Agrarpolitik eine umfassende Neuausrichtung. Die bisherigen Direktzahlungen sollen nunmehr von der landwirtschaftlichen Produktion entkoppelt und als einheitliche flächenbezogene Prämie gewährt werden. Diese neue Subventionsform soll zunehmend als allgemeine Einkommensstützung für die von den Landwirten vielfältig erbrachten Gemeinwohlleistungen ausgestaltet werden.
Für Bayerns Landwirtschaftsminister Josef Miller würden mit diesem Entwurf "die Weichen in der deutschen Agrarpolitik falsch gestellt". Der vorgesehene Wechsel von betriebsindividueller Direktzahlung hin zu regional einheitlichen Flächenprämien habe eine Schwächung der Wettbewerbsstellung der deutschen Land- und Ernährungswirtschaft innerhalb der EU zur Folge. Dies gelte insbesondere für leistungsbereite und bisher auch leistungsfähige Familienbetriebe mit Milchvieh- und Rinderhaltung, die mit massiven Einkommensverlusten zu rechnen hätten, da zeitgleich ihre Berufskollegen in den Nachbarländern berufsindividuell gestärkt würden. Laut Miller trete Bayern für die Betriebsprämie ein, da nur so alle Betriebe das erhielten, was sie in der Vergangenheit erwirtschaftet hätten und was sie zur Existenzsicherung dringend bräuchten. Ebenfalls entschieden abgelehnt werde von Bayern jeder Versuch der Bundesregierung, durch nationale Alleingänge ein Fachrechtskontrollsystem aufzubauen, welches weit über das vom EU-Recht vorgeschriebene Maß hinausgehe. Benötigt würden hingegen EU-weit vergleichbare Auflagen, um weitere Wettbewerbsnachteile für die deutsche Landwirtschaft zu verhindern.
Seine Amtskollegin Bärbel Höhn aus Nordrhein-Westfalen begrüßte hingegen den eingeleiteten Paradigmenwechsel bei der Prämienzahlung und warf Miller "Angsthasenpolitik" im Interesse der Bauerverbände vor. Das bisherige Prämienmodell sei ungerecht gewesen, so die Ministerin. Regelungen wie "Mais ja - Grünland nein!" führten immer wieder zu Überproduktionen. Im von Bayern und Hessen bevorzugten Betriebsmodell würden Bauern Prämien für Produktion aus der Vergangenheit erhalten, auch wenn sie tatsächlich nichts mehr produzierten. Dies sei weder vorstellbar noch vermittelbar. Auch das Flächenmodell bürge noch Probleme in sich, da bisher in den verschiedenen Bundesländern unterschiedliche Prämien gezahlt würden. Höhn forderte ein "Aufeinander zugehen", um zu einem bundeseinheitlichen Flächenmodell zu kommen. Um das "Abstürzen" der Milchbauern ohne Flächen zu vermeiden, müsse eine Übergangsfrist eingeräumt werden, in der weiterhin Betriebsprämien gezahlt würden.
Auch Baden-Württembergs Landwirtschaftsminister Willi Stächele sieht in dem Entwurf einen Paradigmenwechsel, der zu tiefgreifenden Veränderungen in der Agrarpolitik führen werde. Die Entkoppelung sei zwar nicht der "Königsweg", setze jedoch die EU-Vorgaben am ehesten um. Angesichts der ständigen Diskussionen um Subventionen und staatliche Hilfen für die Landwirtschaft schaffe man mit dem Entkopplungsmodell eine gesellschaftliche Akzeptanz, die mit dem Betriebsmodell nicht möglich gewesen wäre.
Für die hessische Landesregierung betonte Minister Wilhelm Dietzel noch einmal die Ablehnung des Flächenmodells. Den landwirtschaftlichen Betrieben würden finanzielle Mittel entzogen, wodurch sich ihre Wettbewerbssituation verschlechtere. Im Nachbarland Frankreich, so Dietzel, werde die Entkoppelung erst 2006 umgesetzt, so wie in der EU-Richtlinie vorgegeben. Diese Rahmen der Anpassung solle auch die Bundesregierung nutzen, die mit diesem Entwurf die Landwirte in eine "ungewisse Zukunft" entlasse.
Der schleswig-holsteinische Landwirtschaftsminister Klaus Müller bescheinigte Bundesverbraucherministerin Renate Künast, einen "guten Job" gemacht zu haben. Herzstück der Reform sei die Entkopplung. Dadurch erhielten die Landwirte die Möglichkeit, über die wirtschaftlich sinnvollste Verwendung der Zahlungen frei entscheiden zu können. So könne sich die traditionelle Landwirtschaft zu einer multifunktionalen Landwirtschaft entwickeln. Müller verlangte allerdings ein klareres Zeichen zu Gunsten der ökologisch besonders wertvollen Grünlandwirtschaft. Die vorgesehene Prämie dafür sei für die Grünlandbauern enttäuschend.
"Das Agrarreformgesetz zeigt den Weg in die Zukunft und es verbessert die Wirtschaftskraft der ländlichen Regionen, weil es die Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft stärkt", erklärte Renate Künast, die abschließend an das Rednerpult trat. Das Flächenprämienmodell habe in den letzten Jahren auch unter den Ländern Mehrheiten gefunden. Aufgrund der langen Übergangsfristen werde mit diesem Gesetz niemand überfordert. Statt des Zwanges zur Überproduktion, als Folge des Betriebsmodells, gebe es nun Freiräume für bedarfsgerechte Produktion. Dies sei insbesondere ein Zeichen an junge Landwirte, sagte die Ministerin. Abschließend warb sie noch einmal für die schnelle Verabschiedung des Gesetzes, um eine bessere Anpassung an die Veränderungen zu ermöglichen. "Je früher das Gesetz steht, desto besser für die Landwirtschaft", so Künast, die außerdem eine Lösung für das Milchbauernproblem bis zur Sommerpause versprach.