Der Wahlkongress der Europäischen Grünen Ende April brachte für die Partei auch eine finanzielle Neuerung. Zum ersten Mal musste sie für die Nutzung des Plenarsaals des Europäischen Parlaments in Brüssel bezahlen. "Die Parlamentsverwaltung berechnet uns den gleichen Satz wie Nichtregierungsorganisationen", sagt Arnold Cassola, der Generalsekretär der Grünen Partei.
Dass die Parteien für die Nutzung der Parlamentsräume zur Kasse gebeten werden, ist die Konsequenz des neuen Europäischen Parteien-Statuts, das Anfang Februar dieses Jahres in Kraft getreten ist. Mit dem neuen Statut erhalten Parteien auf europäischer Ebene zum ersten Mal eine rechtliche Grundlage und zudem direkte Finanzmittel aus dem Haushalt der Europäischen Union. Im Gegenzug wird Licht in eine Grauzone gebracht: Die bisher übliche Finanzierung der europäischen Parteien durch die jeweilige Fraktion des Europäischen Parlaments wird beendet.
Bisher wurde in finanzieller Hinsicht kaum zwischen europäischen Fraktionen und Parteien getrennt. Die Fraktionen stellten Mitarbeiter ab, die sich um die Parteiarbeit kümmerten. Die Mehrzahl der Parteien nutzten Büros, Telefon und Faxgeräte des Parlaments. Wenn, wie bei der Europäischen Volkspartei (EVP), das Parteibüro außerhalb des Parlamentsbüros lag, zahlte die Fraktion einen Zuschuss zu dessen Finanzierung.
Finanzhilfen durch Fraktionen verboten
Damit ist nun Schluss. Die Parteien müssen aus dem Parlament ausziehen und auf eigene Rechnung ein Büro unterhalten. Finanzhilfen durch die Fraktionen sind von nun an verboten, die Parlamentsverwaltung darf seine Ressourcen nur noch gegen Bezahlung zur Verfügung stellen. Dafür erhalten alle europäischen Parteien zusammen ab Mitte des Jahres 6,5 Millionen Euro aus dem EU-Haushalt. Im kommenden Jahr sollen es dann 8,4 Millionen Euro sein. 15 Prozent der Mittel werden als Grundfinanzierung zu gleichen Teilen auf alle europäischen Parteien aufgeteilt. Der Rest wird entsprechend der Zahl ihrer Abgeordneten unter den Parteien verteilt, die im Europäischen Parlament vertreten sind.
Die formalen Hürden für die Gründung einer Europäischen Partei sind vergleichsweise niedrig. Eine Europäische Partei muss entweder aus einem Viertel der EU-Staaten Mitglieder im Europäischen Parlament haben, in nationalen oder regionalen Parlamenten vertreten sein. Oder sie muss in einem Viertel der Mitgliedstaaten bei den letzten Wahlen zum Europäischen Parlament mindestens drei Prozent der Stimmen erhalten haben.
Das Parteien-Statut und die Aussicht auf EU-Finanzmittel hat einen kleinen Gründungsboom in Europas Parteienlandschaft ausgelöst. So gründeten sich die Liberale und Demokratische Partei Europas (ELDR) und die Europäischen Grünen in diesem Jahr neu, um die Anforderungen des Statuts zu erfüllen. Mit den großen Parteien Europäische Volkspartei (EVP) und der Sozialistischen Partei Europas (SPE) sowie der Freien Europäischen Allianz (ALE), die derzeit eine Fraktionsgemeinschaft mit den Grünen bildet, gibt es somit insgesamt fünf europäische Parteien, die dem Statut entsprechen.
Dabei wird es allerdings nicht bleiben: So haben bereits die postkommunistischen Parteien, darunter die deutsche PDS, am 9. Mai in Rom die Europäische Linke gegründet und die Gaullisten in der Union der Europäischen Nationen (UEN) wollen ebenfalls eine Partei starten. Vor allem für die kleineren Parteien würden diese Neugründungen erheblich weniger Geld aus dem EU-Topf bedeuten.
Die Strukturen der Parteien sind sehr unterschiedlich. Während die EVP und die SPE nur Mitgliedsparteien aus den EU-Staaten zulassen, sind Grüne und ELDR pan-europäische Parteien mit Mitgliedsparteien auch aus europäischen Staaten, die nicht in der EU sind. Das wirft auch Probleme für die Repräsentation der Mitgliedsparteien auf. So kann sich die EVP an die einfache Regel halten, dass die Zahl der Delegierten nach dem Stimmenanteil der jeweiligen Partei bei den letzten Europawahlen bestimmt wird. Bei den Grünen müssen die Delegiertenstimmen auf dem Parteikongress dagegen nach einem reichlich komplizierten Verfahren vergeben werden, das sowohl Mitgliederstärke wie auch Ergebnisse bei Wahlen zum Europaparlament und nationalen Wahlen berücksichtigt. Außerdem sind die Mitglieder der Grünen Fraktion im Europäischen Parlament qua Amt auf dem Parteikongress mit Sitz und Stimme vertreten.
Üppig ist die neue Finanzierung aus EU-Mitteln aus Sicht der Parteien nicht. "Wir müssen froh sein, wenn wir auf dem gleichen Niveau weiter arbeiten können, wie bisher", sagt Antony Beumer, Generalsekretär der SPE. Teuer dürfte vor allem der Aufwand werden, der direkt mit der europäischen Dimension der Parteien zu tun hat. "Dolmetscher in zwölf Sprachen für einen Tag kosten 40.000 Euro", rechnet Ingo Friedrich, Vize-Präsident des Europäischen Parlaments und Schatzmeister EVP, vor. Mit zehn Sitzungen der Parteigremien im Jahr ist selbst bei der größten Partei ein beträchtlicher Teil der Finanzierung durch die EU aufgebraucht. Bisher konnten die Parteien auch den Dolmetscherdienst des Europäischen Parlaments für Vorstandssitzungen oder Parteikongresse in Anspruch nehmen.
Nach dem Statut sind Spenden erlaubt, allerdings unter strengeren Auflagen als in Deutschland. Spenden über 500 Euro müssen in den jährlichen Rechenschaftsberichten der Parteien ausgewiesen werden. Anonyme Spenden und Spenden von öffentlichen Unternehmen sind verboten. Pro Spender und Jahr sind maximal 12.000 Euro an Zuwendungen erlaubt. Auch für die Mitgliedsbeiträge nationaler Parteien gibt es eine Obergrenze. Maximal 40 Prozent des Jahresbudgets der Europäischen Partei dürfen aus Mitgliedsbeiträgen kommen. Die rechtmäßige Verwendung der EU-Gelder durch die Parteien wird durch die Verwaltung des Parlaments überwacht, aus dessen Haushalt die Finanzmittel auch fließen. Zudem werden die Finanzen der Parteien zusätzlich durch den Europäischen Rechnungshof kontrolliert. "Der bürokratische Aufwand, den die Parlamentsverwaltung verlangt, ist völlig überzogen", klagt Werner Hoyer (FDP), der Anfang Mai als Präsident der ELDR wiedergewählt wurde.
Auch in anderen Parteien gibt es Kritik an der Bewirtschaftung der Parteienzuschüsse durch das Europäische Parlament, wenn auch aus einem anderen Grund. Zu groß sei die Gefahr, dass sich die Parteien durch die große Nähe zu den Fraktionen letztlich selbst kontrollieren. "Da wird der Bock zum Gärtner gemacht", sagt ein Mitarbeiter der Grünen-Fraktion. Auch der Generalsekretär der Europagrünen, Cassola, fürchtet, dass sich das Parlament mit dieser Struktur den nächsten Skandal ins Haus holt. Dabei geht es nicht nur um die Kontrolle, sondern auch um das Volumen der Zuschüsse für die Parteien. "Die Europaabgeordneten werden sich nur schwer den Wünschen der Parteivorsitzenden widersetzen können", glaubt Beumer von der SPE. Schließlich seien die Europaparlamentarier in der Parteihierarchie nicht unbedingt ganz oben angesiedelt. Die Grünen wie auch die SPE hätten es lieber gesehen, wenn die EU-Kommission statt des Parlaments als neutrale Instanz die Verwendung der Parteiengelder überwacht hätte.
Die Parteienfinanzierung auf europäischer Ebene dürfte bald aus einem anderen Grund ins mediale Rampenlicht rücken. Neben den bereits erwähnten politischen Formationen plant auch der französische Front National von Jean-Marie Le Pen, die rechtsradikalen Parteien in Europa zu einer gemeinsamen Partei zusammenzubinden. Sollte ihm das gelingen, dann könnte es dazu kommen, dass das Europäische Parlament die Finanzierung dieser rechtsradikalen Partei in Frage stellt.
Matthias Rumpf arbeitet als freier Journalist in Berlin.