Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 52-53 / 20.12.2004
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Dirk Klose

Mit Gottes Wort fest auf Erden

Zwei große Prediger: Martin Luther King und Johannes Hempel

Die christlichen Kirchen haben sich mehr oder weniger damit abgefunden, im "Wettbewerb der Sinnträger" mithalten zu müssen, um gehört zu werden. Gleichwohl gab und gibt es immer wieder große Kirchenführer, die durch klares Zeugnis und durch persönlichen Einsatz für Menschenrechte und Menschenwürde weit über die Kirchen hinaus Respekt und Anerkennung gefunden und auch politisch viel erreicht haben. Zwei Bücher über Martin Luther King in den USA und Johannes Hempel in der DDR erinnern daran.

Vor 40 Jahren hatte der amerikanische Pfarrer und Bürgerrechtler Martin Luther King in Oslo den Friedensnobelpreis erhalten. Knapp vier Jahre später, am 4. April 1968, ist er, nicht einmal 40 Jahre alt, in Memphis von einem fanatisierten Weißen erschossen worden. Aus der Rückschau lässt sich sagen, dass kaum ein anderer Amerikaner so sehr an der Beseitigung der Rassenschranken und an der Sensibilisierung für Frieden und Gerechtigkeit beteiligt war.

Der an der Universität Bochum arbeitende Theologe und Friedensforscher Hans-Eckehard Bahr hat King in dessen heißester Phase innenpolitischer Kämpfe unmittelbar erlebt. Bahr hatte 1966 eine Professur in Chicago übernommen, wohin auch King gekommen war, um an einem der zentralen Plätze der USA den Kampf gegen Diskriminierung und Rassenhass wirkungsvoller zu führen als in den Südstaaten.

Bahr wurde bald Zeuge vieler Aktionen, die langsam, sehr langsam zu einer Lockerung der Fronten führten. Sein Buch spiegelt den starken Eindruck, den King und seine Mitstreiter auf den jungen Deutschen machten, unmittelbar wider. Es ist einerseits eine genau recherchierte Biographie, zum anderen aber ein packend geschriebener Bericht über die von Hass und Gegenhass geprägten Aktionen in Chicago und anderswo. Psychologisch geschickt setzt Bahr unmittelbar bei den Ereignissen in Chicago im Sommer 1966 an und rückt hier wie dann auch im Lebensbericht immer wieder Kings Ziele in den Mittelpunkt: Durch Gewaltlosigkeit und christliche Nächstenliebe können Hass, Armut und Unterdrückung der Schwarzen in Amerika und generell der Unterprivilegierten überall in der Welt überwunden werden.

"Ich werde nicht aufhören, unsere weißen Brüder zu lieben" wird King mehrfach zitiert, des weiteren seine große Rede vom August 1963 beim berühmten "Marsch nach Washington": "Ich habe einen Traum, dass eines Tages auf den roten Hügeln von Georgia die Söhne früherer Sklaven und die Söhne früherer Sklavenhalter miteinander am Tisch der Brüderlichkeit sitzen können. Ich habe einen Traum, dass meine vier kleinen Kinder eines Tages in einer Nation leben werden, in der man sie nicht nach ihrer Hautfarbe, sondern nach ihrem Charakter beurteilen wird."

Bahr sieht in Martin Luther King, der für seine Überzeugung 29mal im Gefängnis saß, ein Symbol des, wie er es nennt, "besseren Amerika" - ein Amerika, das der Welt durch Friedfertigkeit, durch Toleranz und Bereitschaft zu politischer und ökonomicher Teilhabe ein Vorbild sein könnte. Scharf wendet er sich gegen die Absicht des gegenwärtigen Präsidenten, durch Besuche an Kings Grab diesen für sich und seine Politik zu vereinnahmen: "King tritt als symbolische Gegenfigur zur George Bush und seiner Kreuzzugs-Politik ins Rampenlicht." Aufgenommen sind mehrere von Kings großen Reden, der letzte Text am Vorabend seiner Ermordung. Eine ausführliche Bibliographie macht deutlich, wie umfangreich auch in Deutschland die Literatur über King und die amerikanische Bürgerrechtsbewegung inzwischen ist.

Schwerter zu Pflugscharen

Der sächsische Landesbischof Johannes Hempel hat an dem Ort, "an den mich Gott gestellt hat", eine ähnlich mutige Haltung und Standfestigkeit bewiesen, wenn auch weniger spektakulär als der schwarze Amtsbruder im fernen Chicago. Hempel, 1929 in Zittau geboren, war von 1972 bis 1994 Bischof der evangelischen Kirche in Sachsen; sein Dienstsitz war Dresden. Daneben hat er sich ungewöhnlich intensiv beim Ökumenischen Rat der Kirchen engagiert, dessen Präsidium er von 1983 bis 1991 angehörte.

Hempel gehörte zu den bekanntesten Kirchenführern in der DDR. Nach seinem Studium in der Bundesrepublik ging er nach Sachsen zurück; die argwöhnische Politik der SED gegenüber den Kirchen - mal schroffe Konfrontation, mal Appeasement und Lockerung - hat er seit der Ulbricht-Ära bis zur Wende hautnah miterlebt und ihr nach den Prinzipien, die für ihn wichtig waren, "gerecht und barmherzig, barmherzig und gerecht" wiederstanden.

In mehreren Gesprächen mit dem aus Bayern stammenden Journalisten Udo Hahn gibt er Rechenschaft über sein Tun und Handeln. So ist das Buch mit seinen neun Kapiteln nicht nur eine lebendig erzählte, teilweise ungemein spannende Biographie, sondern darüber hinaus auch eine Geschichte der evangelischen Kirchen in der DDR. Berührt werden - in der Antwort mitunter zögernd, nachfragend und immer wieder die Worte wägend - alle bekannten Streitpunkte wie Jugendweihe, Gründung des Kirchenbundes, "Kirche im Sozialismus", Friedensgebete, "Schwerter zu Pflugscharen" (wo Hempel 1982 in einer berühmten Predigt viele junge Menschen gleichzeitig ermutigte und besänftigte) und Ökumene.

Sein Credo sei gewesen: "Wir hatten uns vorgenommen, nicht zu resignieren, nicht nur irgendwie durchzukommen, sondern gefragt und ungefragt Gottes Zeugen und Dienerinnen zu sein." Davon zeugt dieses Buch, und wenn der hier am Ende zitierte Bischof von Hannover, Horst Hirschler, sagt, man sei - noch vor der Wende - "reicher" zurückgefahren, als man gekommen sei, so gibt er einen Eindruck wieder, den viele von Johannes Hempel hatten.

Hans-Eckehard Bahr

Martin Luther King. Für ein anderes Amerika.

Aufbau Verlag, Berlin 2004; 160 S., 8,95 Euro

Johannes Hempel

Erfahrungen und Bewahrungen. Ein biographischer Rückblick im Gespräch mit Udo Hahn.

Evangelische Verlagsanstalt, Leipzig 2004; 364 S., 12,80 Euro


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