Petitionsausschuss
Petitionsausschuss, Kurzfassung des Jahresberichtes 1998 / II
II. Einzelfälle
1. Abgelehnte Asylbewerber aus dem Kosovo
Einen besonderen Schwerpunkt bildeten Eingaben von abgelehnten Asylbewerbern aus dem Kosovo, die wegen der sich im Jahr 1998 zuspitzenden Lage in ihrer Heimat das Wiederaufgreifen ihres Asylverfahrens oder den Erlass eines generellen Abschiebungsstopps forderten. Da der Petitionsausschuss kein eigenes Asylverfahren durchführen kann, musste er in den (Asyl-)Einzelfällen die Petenten darauf verweisen, zunächst einen Folgeantrag beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge zu stellen. Die Petitionsverfahren hinsichtlich eines generellen Abschiebungsstopps wurden hingegen im Berichtszeitraum noch nicht abgeschlossen, da der Ausschuss zunächst mehrere Stellungnahmen der Bundesregierung einholte.
2. Beschwerden von Flüchtlingen aus Bosnien-Herzegowina
Den Ausschuss erreichten des weiteren zahlreiche Petitionen von Flüchtlingen aus Bosnien-Herzegowina, die darum baten, ihre drohende Rückführung abzuwenden oder zumindest aufzuschieben. Auffällig war, daß sich auch viele deutsche Arbeitgeber für bei ihnen beschäftigte Flüchtlinge einsetzten, um ihren Verbleib in Deutschland zu erreichen. Der Ausschuss konnte sich im Rahmen seiner Zuständigkeit nur mit den grundsätzlichen Regelungen zur Rückführung dieser Flüchtlinge befassen. Die Entscheidung über die Rückführung in den Einzelfällen lag demgegenüber in reiner Landeskompetenz. Insoweit wurden die Petitionen den jeweils zuständigen Landesvolksvertretungen zugeleitet.
Faktisch wurden jedoch keine Asylbewerber abgeschoben.
3. Reform des Staatsangehörigkeitsrechts
Wie in den Jahren zuvor, erreichten den Petitionsausschuss auch 1998 zahlreiche Eingaben zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts. Bei den meisten Petitionen wurde neben der Erleichterung der Einbürgerungsvoraussetzungen die generelle Hinnahme von Mehrstaatigkeit verlangt.
Über Petitionen, die die Einbürgerung in Deutschland betrafen, hatte der Ausschuss bereits 1997 grundsätzlich beraten und war zu dem Ergebnis gekommen, die Eingaben für die anstehende Novellierung des Staatsangehörigkeitsrechts den Fraktionen zur Kenntnis zu geben.
Bei den 1998 eingegangenen Petitionen war auffällig, daß sich nun auch verstärkt deutsche Staatsangehörige an den Ausschuss wandten, die ihrerseits im Ausland die Staatsangehörigkeit des Gastlandes annehmen wollten, ohne auf die deutsche zu verzichten. Vereinzelt gab es auch Fälle, in denen Petenten wegen ihrer im Ausland bereits erfolgten Einbürgerung die deutsche Staatsangehörigkeit aufgegeben hatten, und diese nun (als doppelte Staatsangehörigkeit) wiedererlangen wollten.
Eine besondere Fallgruppe betraf dabei den europäischen Raum. Hier wiesen die Petenten auf den europäischen Einigungsprozess hin. Zumindest für EU-Bürger sei die generelle Hinnahme von Mehrstaatigkeit dringend geboten.
Von diesen Petitionen der Auslandsdeutschen konnte der Ausschuss bislang nur die Eingaben abschließend beraten, die den europäischen Raum betrafen. Soweit ersichtlich, war das Problem der Auslandsdeutschen im EU-Raum in der seit Jahren andauernden Diskussion zur Staatsangehörigkeit bislang wenig beachtet worden. Auf Empfehlung des Petitionsausschusses beschloss daher der Deutsche Bundestag, die Eingaben den Fraktionen zur Kenntnis zu geben, damit dieses Problem in die andauernden Beratungen zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts miteinbezogen wird.
4. Rentenkürzung um den Versorgungsausgleich
Den Petitionsausschuss erreichen immer wieder Eingaben von Petenten, die sich über die Kürzungen ihrer Renten um den gesetzlichen Versorgungsausgleich für ihre geschiedenen Ehefrauen beschweren. So beklagte beispielsweise ein Petent, bei dessen Ehescheidung 1989 der Versorgungsausgleich zugunsten seiner damaligen Ehefrau durchgeführt worden war, dass seine Rente auch dann noch gekürzt werde, nachdem seine geschiedene Ehefrau 1997 verstorben sei. Er forderte deshalb, seinen Fall als Härtefall einzustufen und ihm wieder die volle Rente auszuzahlen.
Mit der Thematik des Versorgungsausgleichs war der Ausschuss bereits wiederholt befasst. Er hielt, auch nach Prüfung dieses Einzelfalles, die Regelungen des Versorgungsausgleichs für sachgerecht. Beim Versorgungsausgleich werden die während der Ehe erworbenen Versorgungsanrechte unter den Ehegatten in der Weise aufgeteilt, daß der ausgleichsberechtigte Ehegatte regelmäßig eigenständige Rentenanwartschaften erhält. Eine Abhängigkeit der Versorgungsanrechte der Ehegatten bestehen von diesem Zeitpunkt an nicht mehr, so dass der Tod eines Ehegatten für den anderen Ehegatten versorgungsrechtlich keine Auswirkungen hat.
Nur ausnahmsweise wird gemäß § 4 Abs. 2 des Gesetzes zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich (VAHRG) eine Rentenkürzung nicht vorgenommen, wenn bisher keine oder nur Leistungen an die Berechtigte gewährt wurden, die zwei Jahresbeiträge einer auf das Ende des Leistungsbezuges berechneten Rente nicht überstiegen. Da bei dem Petenten diese Voraussetzungen nicht vorlagen, musste es bei der Kürzung seiner Rentenleistungen bleiben. Der Ausschuss konnte aus diesen Gründen das Anliegen des Petenten nicht unterstützen und empfahl deshalb, das Petitionsverfahren abzuschließen.
5. Steuerliche Situation gleichgeschlechtlicher Partnerschaften
Ein gleichgeschlechtliches Paar wandte sich gegen die nach der geltenden Rechtslage unterschiedliche Behandlung von verheirateten gegenüber homosexuellen Paaren. Insbesondere die Tatsache, daß eine gemeinsame steuerliche Veranlagung zur Zeit nach dem Einkommensteuerrecht nicht möglich ist, empfanden die Petenten als eine besondere Ungerechtigkeit und Diskriminierung. Sie wiesen darauf hin, dass das zuständige Standesamt ihren Antrag auf Aufgebotsbestellung und Eheschließung abgelehnt habe, obwohl eine Lebensbeziehung zwischen zwei gleichgeschlechtlichen Partnern weder gegen die verfassungsmäßige Ordnung noch gegen das Sittengesetz verstoße. Die Petenten forderten die Möglichkeit einer gemeinsamen steuerlichen Veranlagung, da sich ihr Zusammenleben in keinem Aspekt von dem einer konventionellen Ehe unterscheide.
Der Ausschuss zeigte zwar Verständnis für das Anliegen der Petenten, sah sich jedoch nicht in der Lage, dieses zu unterstützen. In Übereinstimmung mit einer Stellungnahme des Bundesministeriums der Finanzen kam der Ausschuss zu dem Ergebnis, daß eine steuerliche Gleichbehandlung von gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften mit ehelichen Lebensgemeinschaften so lange nicht erfolgen könne, wie diese Gleichstellung zivilrechtlich nicht vorgenommen werde. Zwar habe sich die Akzeptanz der Gesellschaft gegenüber gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften in den letzten Jahren erheblich gewandelt. Im Jahre 1994 habe das Europäische Parlament die Mitgliedstaaten der Europäischen Union u.a. dazu aufgefordert, "die ungleiche Behandlung von Personen mit gleichgeschlechtlicher Orientierung in den Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu vermeiden".
Auch diese Aufforderung vermochte jedoch den Umstand, dass das Steuerrecht ebenso wie das Zivilrecht Teil der Gesamtrechtsordnung ist, nicht zu ändern. Der Ausschuss wies darauf hin, dass diese Gesamtrechtsordnung keine Wertungswidersprüche enthalten solle, so daß das Steuerrecht Grundwertungen anderer Teile der Rechtsordnung, wie etwa des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), nicht ohne gewichtigen Grund durchkreuzen oder unterlaufen dürfe. Daher könne im Sinne des Grundgesetzes (GG), wonach in Art. 6 Abs. 1 GG unter dem Begriff der Ehe gegenwärtig nur die heterosexuelle Lebensgemeinschaft nach bürgerlich-rechtlichem Vorbild erfasst werde, auch das Steuerrecht keine hiervon abweichende Wertung "im Alleingang" vornehmen.
Der Ausschuss kam deshalb zu dem Ergebnis, dass eine Änderung der steuerlichen Handhabung - die im übrigen gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften steuerlich nicht anders behandelt als verschiedengeschlechtliche nichteheliche Lebensgemeinschaften - nur möglich sei, sofern der Gesetzgeber eine grundsätzliche zivilrechtliche Anpassung von homo- und heterosexuellen Lebensgemeinschaften vornehme.
Vor diesem Hintergrund empfahl der Ausschuss, das Petitionsverfahren abzuschließen.
6. Regulierung eines Kraftfahrzeugschadens durch die Versicherung
Im Bereich des Versicherungswesens verfügt der Petitionsausschuss nur über begrenzte Kompetenzen. Dies hat seine Ursache darin, dass private Versicherer der staatlichen Aufsicht nur in den Grenzen des Gesetzes über die Beaufsichtigung der Versicherungsunternehmen unterliegen. Das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen (BAV) kann als Aufsichtsbehörde im Einzelfall nur prüfen, ob der Versicherer die gesetzlichen Vorschriften befolgt hat. Hingegen ist es nicht befugt, darüber hinaus bei Streitigkeiten einzugreifen, die sich anläßlich der Durchführung eines Versicherungsvertrages zwischen einem Versicherer und dem Versicherten ergeben. Die parlamentarische Kontrolle durch den Deutschen Bundestag und seinen Petitionsausschuss wiederum ist auf die Frage beschränkt, ob das BAV seine gesetzliche Aufsichtspflicht erfüllt hat.
Im Einzelfall können an den Ausschuss gerichtete Beschwerden über das Verhalten von Versicherungsunternehmen durchaus Erfolg haben. Dies traf auch auf den folgenden Fall zu:
Ein Petent hatte nach einem Unfall von der Versicherungsgesellschaft des Unfallverursachers lediglich die Reparatur-, Sachverständigen- und Abschleppkosten ersetzt bekommen. Des weiteren war die Versicherungsgesellschaft bereit, dem Petenten die Vorhaltekosten zu erstatten, nicht jedoch den durch den Unfall entstandenen Nutzungsausfall. Begründet wurde dies mit dem hohen Alter des Fahrzeuges.
Der Ausschuss schaltete das BAV ein, welches die Versicherungsgesellschaft um Stellungnahme bat. Im darauf folgenden Schriftwechsel wurde deutlich, daß die Versicherungsgesellschaft ein grundlegendes Urteil des Bundesgerichtshofs zu diesem Thema nicht hinreichend berücksichtigt hatte. Demnach ist bei der Berechnung des Nutzungsausfalles nicht nur auf das Alter des Fahrzeugs abzustellen, sondern auch auf weitere Kriterien, unter anderem auf den Allgemeinzustand des Wagens.
Nach einer erneuten Prüfung des Falles durch die Versicherungsgesellschaft erstattete diese dem Petenten schließlich auch den Nutzungsausfall. Der Petitionsausschuss konnte dem Anliegen des Petenten somit in vollem Umfang entsprechen.
7. Buchpreisbindung
Schülerinnen und Schüler der Deutschen Buchhändlerschule wandten sich mit einer Eingabe an den Petitionsausschuss, die sich gegen die Pläne der EU-Kommission, die Buchpreisbindung wegfallen zu lassen, richtete.
Zur Begründung ihres Anliegens führten sie aus, daß allein die Preisbindung ein breites Buch- und Medienangebot, eine große Dichte an Buchhandlungen und die kulturelle Dienstleistung für den Kunden garantieren könne. Bei Wegfall der Preisbindung könnten besonders die kleineren Buchhandlungen und Verlage, die überproportional viele Ausbildungs- und Arbeitsplätze böten, im Wettbewerb nicht bestehen. Die Angebotsvielfalt der bisher weit gefächerten Veröffentlichungen geistiger Inhalte würde sich auf die profitversprechenden Titel reduzieren, was den qualifiziert ausgebildeten Buchhändler überflüssig machen würde.
Das vom Petitionsausschuss eingeschaltete Bundesministerium für Wirtschaft (BMWi) führte aus, daß die EU-Kommission im Januar 1998 auf Beschwerde einer österreichischen Handelskette ein wettbewerbsrechtliches Verfahren wegen Buchpreisvereinbarungen zwischen Verlagen in Deutschland und Österreich eröffnet habe. Die Kommission sehe in der Buchpreisbindung einen Verstoß gegen Artikel 85 Abs. 1 EG-Vertrag, da der Wettbewerb auf dem Buchmarkt ausgeschaltet werde. Die dem Verbraucher entstehenden höheren Preise würden weder durch verbesserte Buchherstellung noch durch die Buchverteilung gerechtfertigt werden.
Das BMWi wies darauf hin, die Bundesregierung werde sich im eingeleiteten Verfahren der EU-Kommission weiterhin mit Nachdruck dafür einsetzen, daß die Buchpreisbindung als Instrument mit erheblicher kulturpolitischer Bedeutung auch in Zukunft erhalten bleibe.
Dem Anliegen der Petenten konnte daher entsprochen werden. Die Petenten wurden ausserdem auf die Möglichkeit hingewiesen, eine Petition beim Europäischen Parlament einzureichen.
8. Bewilligung und Nachzahlung einer ungeteilten Witwenrente
Der Wunsch einer Bürgerin aus München, eine Rentenaufbesserung sowie eine -Nachzahlung zu erhalten, hatte Erfolg.
Die Petentin hatte nach dem Tod ihres Ehemannes im Jahre 1983 eine anteilige Witwenrente erhalten. Der andere Rentenanteil wurde an die geschiedene Ehefrau des Verstorbenen bis zu deren Tod im Jahre 1986 gezahlt.
Aufgrund eines von der Petentin im Januar 1997 gestellten Antrags hat die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) ab Mai 1997 die ungekürzte Witwenrente und eine Nachzahlung für die Zeit ab Januar 1993 in Höhe von 39.800 DM gewährt. Die Nachzahlung ab dem Tod der früheren Ehefrau im Jahre 1986 wurde unter Hinweis auf die gesetzliche Ausschlussfrist von vier Jahren verweigert. Die Petentin war der Auffassung, ihr stehe vom Zeitpunkt des Todes der früheren Ehefrau - also seit 1986 - die ungeteilte Witwenrente zu, so dass auch eine entsprechende Nachzahlung vorzunehmen sei.
Die vom Petitionsausschuss veranlasste Prüfung des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung führte zu dem Ergebnis, daß sich die BfA fehlerhaft verhalten hatte. Bei ordnungsgemäßer Bearbeitung des Rentenvorganges hätte bei Bekanntwerden des Todes der früheren Ehefrau von Amts wegen die bisher gekürzte Witwenrente neu berechnet und als volle Witwenrente gezahlt werden müssen. Durch dieses Versäumnis der BfA sei der Bürgerin ein Schaden entstanden, der nach den Grundsätzen der Amtshaftung und nicht nach den verfahrensrechtlichen Vorschriften des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch auszugleichen ist.
Aufgrund der Eingabe konnte erreicht werden, daß neben der Neuberechnung der vollen Witwenrente der Petentin auch ein Schadensbetrag von 50.320 DM zugebilligt und ausgezahlt wurde.
9. Nichtberücksichtigung von Einkommen aus Nebentätigkeiten bei der Rentenberechnung
Ein Bürger aus Frankfurt/Oder kritisierte, daß für die nach dem Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) vorzunehmende Begrenzung seines rentenwirksamen Einkommens sämtliche in der DDR erzielten Einkünfte zusammengerechnet wurden.
Der Petent war von 1971 bis 1984 als Kreisarzt tätig gewesen und hatte erhebliche Einkünfte aus Nebentätigkeiten durch "zusätzliche Arbeitsleistung zur Sicherung der medizinischen Versorgung der Bevölkerung" - sogenannte Z-Tätigkeiten - sowie aus ärztlichen Bereitschaftsdiensten erzielt. Diese seien nach seiner Auffassung nicht in die Begrenzungsregel einzubeziehen, da diese Einkünfte in der ärztlichen Grundversorgung und nicht durch die Tätigkeit als Kreisarzt erzielt worden seien.
Demgegenüber war der Rentenversicherungsträger der Auffassung, daß grundsätzlich das Gesamteinkommen maßgebend sei. Das vom Petitionsausschuss eingeschaltete Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung teilte nach wiederholter Psrüfung mit, daß der Versicherungsträger seine Auslegung des AAÜG geändert habe und nunmehr die Vergütung für sogenannte Z-Tätigkeiten bei der Feststellung der Einkommenshöhe für die Begrenzungsvorschriften unberücksichtigt lasse. Dies sei nach den vom Gesetzgeber vorgenommenen Änderungen des AAÜG gerechtfertigt, da Zulagen in diesem Zusammenhang nicht mehr berücksichtigen würden. Lediglich das aus der Tätigkeit resultierende Grundgehalt sei für die Begrenzungsvorschriften heranzuziehen.
Dem Anliegen des Petenten ist demzufolge entsprochen worden.
10. Gewährung von Leistungen aus der Pflegeversicherung
Ein Petent, dessen Eingabe dem Ausschuss vom Bürgerbeauftragten des Landes Rheinland-Pfalz zugeleitet worden war, bat um Unterstützung des für seine Mutter gestellten Antrages auf Gewährung von Leistungen nach dem Pflegeversicherungsgesetz.
Nachdem der erste Antrag aus dem Jahre 1995 abschlägig beschieden worden sei, habe er vor dem Hintergrund einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes entsprechend dem ihm bereits vom Bürgerbeauftragten erteilten Rat erneut Leistungen der Pflegeversicherung beantragt.
Der Ausschuss bat hierzu das Bundesversicherungsamt als zuständige Rechtsaufsichtsbehörde um Stellungnahme. Dieses berichtete wenig später, dass es hinsichtlich der Ablehnung im Jahre 1995 nichts mehr bewirken könne, da aufgrund des Zeitablaufes keine Ermittlungen mehr zu der Frage möglich seien, ob die Pflegesituation seinerzeit sachgerecht gewürdigt worden sei. Auf den neuerlichen Antrag hin habe die Bundesknappschaft jedoch für die Zeit ab Antragstellung am 24. Februar 1998 Pflegeversicherungsleistungen bewilligt. Im Zuge der weiteren Prüfung ergab sich, dass die Leistungen bereits ab 1. Februar 1998 zur Verfügung gestellt werden konnten.
Nachdem dies dem Petenten mitgeteilt worden war, erreichte den Ausschuss wenige Tage später ein Schreiben, in dem er für alle Bemühungen, die zum erfolgreichen Abschluss des Verfahrens führten, auch im Namen seiner Mutter, dankte.
11. Förderung der Eingliederung von Behinderten in die Gesellschaft
Ein gemeinnütziger Verein aus Berlin wandte sich mit der Bitte an den Ausschuss, ihn bei seinem Bemühen zu unterstützen, weitere Fördermittel für den Ausbau und die Fortführung seiner Einrichtung zu erhalten, die im Freizeitbereich von etwa 150 Teilnehmern mit vorwiegend geistiger Behinderung in Anspruch genommen werde.
Die Weiterführung der Einrichtung war in Frage gestellt, nachdem die Bundesanstalt für Arbeit die von dem Petenten vorgelegte Konzeption abgelehnt hatte. Zum einen seien die bisherigen Förderungsmöglichkeiten aus Mitteln der Bundesanstalt für Arbeit erschöpft und zum anderen die von dem Petenten betriebene Einrichtung nicht in erster Linie der Eingliederung von Behinderten in das Arbeitsleben dienlich, sondern fördere deren allgemeine soziale Eingliederung.
Auch eine Förderung aus dem Bundeshaushalt kam nicht in Betracht, weil der Bund in Anbetracht seiner begrenzten Zuständigkeit im Bildungsbereich nur Entwicklungsarbeiten für innovative Modellprojekte unterstützt, und zwar solche, denen in der kulturellen Bildung - auch im Hinblick auf behinderte Menschen - eine besondere Bedeutung zukommt. Im übrigen wäre die von dem Petenten angestrebte Finanzierung seiner Einrichtung auf Dauer rechtlich nicht zulässig und haushaltsmäßig nicht abgesichert gewesen, weil es dem Petenten um eine "dauerhafte" Förderung seiner Einrichtung ging.
Die Bemühungen des Petenten um die Fortführung seiner im Interesse der geistig behinderten Künstler bedeutsamen Arbeit zeigten einmal mehr, daß trotz verfassungsrechtlicher Vorgaben für Behinderte eine gleichberechtigte Teilhabe am sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Leben immer noch nicht gegeben ist. Nach Auffassung des Petitionsausschusses kann dieses Ziel nur durch einen wechselseitigen Prozess erreicht werden, an dem sich Menschen mit und ohne Behinderung in gleicher Weise beteiligen. Die bisher in einzelnen Bereichen erzielten Fortschritte seien zwar zu begrüßen, jedoch müsste das Bemühen aller Beteiligten, Behinderten das Führen eines normalen Lebens in der Gemeinschaft zu ermöglichen, auch in Zukunft verstärkt fortgesetzt werden.
Der Ausschuss empfahl deshalb, die Petition der Bundesregierung - dem Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung - zu überweisen, mit dem Ziel, sich für eine Förderung der Kulturarbeit von und mit Behinderten verstärkt einzusetzen. Soweit es im Einzelfall um die Behinderten- und Kulturförderung des Landes Berlin ging, empfahl der Ausschuss, die Eingabe dem Abgeordnetenhaus von Berlin zuzuleiten.
12. Import gentechnisch veränderter Sojabohnen
Ein Petent wandte sich an den Ausschuss und äusserte seine Besorgnis über den Import gentechnisch veränderter (herbizidresistenter) Sojabohnen. Er befürchtete Gesundheitsbeeinträchtigungen, u.a. erhöhte Allergierisiken und Toxizität. Die Langzeitfolgen für den Menschen und seine Umwelt seien nicht absehbar. In diesem Zusammenhang wies der Petent insbesondere darauf hin, dass vor allem Ungeborene und kleine Kinder besonders sensibel reagierten und im Zweifelsfall die Gesundheit wichtiger sei als wirtschaftliche Überlegungen.
Das im Petitionsverfahren um Stellungnahme gebetene Bundesministerium für Gesundheit sah keinen gesetzgeberischen Handlungsbedarf. Aufgrund durchgeführter zahlreicher Untersuchungen, u.a. durch die amerikanische Nahrungs- und Arzneimittelbehörde (FDA), das Robert-Koch-Institut sowie andere national zuständige Prüfbehörden in der Europäischen Union sei festgestellt worden, daß gentechnisch veränderte Sojabohnen gesundheitlich unbedenklich seien. Sämtliche Forschungsergebnisse hätten gezeigt, daß es unter dem Gesichtspunkt des Gesundheits- und Umweltschutzes keinen Risikounterschied zwischen der gentechnisch veränderten Sojabohne und der herkömmlichen Sojabohne gebe.
Diese Bewertung der gesundheitlichen Unbedenklichkeit der herbizidresistenten Sojabohne umfasse auch das Allergierisiko. Alle durchgeführten Tests und wissenschaftlichen Untersuchungen hätten gezeigt, daß es kein verändertes Risiko gebe. Im Gegenteil, durch den Anbau der transgenen, herbizidresistenten Pflanzen bestünde die Möglichkeit, dass weniger umweltbelastende Herbizide eingesetzt und der Umfang der Herbizidanwendung reduziert werden könne. Daher werde in der Anwendung der Gentechnik ein großes Potential für eine umweltverträgliche Landwirtschaft gesehen.
Der Ausschuss konnte sich dieser Auffassung nicht anschließen. Die tatsächlichen Auswirkungen der Produkte seien - logischerweise - noch nicht bekannt, da es sich um ein verhältnismäßig neues Verfahren bei der Lebensmittelherstellung handele. Unbeabsichtigte, nicht vorhersehbare "Neben-wirkungen" seien auch bei künstlich hervorgerufenen gentechnischen Veränderungen möglich. Der Ausschuss hielt daher Gefährdungen für Mensch und Umwelt durch gentechnisch veränderte Sojabohnen für nicht ausgeschlossen und sprach sich dafür aus, gentechnisch veränderten Nahrungsmitteln und ihren Auswirkungen weiterhin durch Forschungsprojekte etc. ein höchstes Maß an Aufmerksamkeit zu widmen. Auch wenn heute durch gentechnische Veränderungen keine konkreten Gefahren bekannt seien, bedeute dies nicht, dass grundsätzlich keine Gefahren vorhanden seien.
Der Ausschuss empfahl deshalb, die Petition der Bundesregierung - dem Bundesministerium für Gesundheit - zu überweisen, um sie auf das Anliegen des Petenten besonders aufmerksam zu machen. Daneben empfahl der Ausschuss, die Petition dem Europäischen Parlament zuzuleiten, um zu erreichen, daß sie bei den in der Europäischen Union beratenen Verordnungsvorhaben über neuartige Lebensmittel einbezogen wird.
13. Zugang zur Krankenversicherung der Rentner
Zahlreiche Rentnerinnen und Rentner wandten sich unabhängig voneinander an den Petitionsausschuss, weil sie weder Anspruch auf Mitgliedschaft in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) noch auf eine beitragsfreie Familienversicherung hatten und sich deshalb freiwillig versichern mußten. Das bedeutete für sie eine hohe finanzielle Belastung, da der Beitrag zur freiwilligen Versicherung wesentlich höher ist als der Beitrag zur Krankenversicherung der Rentner. In Einzelfällen betrug der Beitrag 50 v. H. des eigenen Renteneinkommens.
Eine der Petentinnen, Mutter von zwei Kindern und seit dem 1. Juli 1997 Rentnerin, war seit 37 Jahren in derselben Krankenversicherung versichert gewesen. Zunächst war sie im Rahmen der Familienversicherung krankenversichert, von 1973 bis 1979 war sie freiwilliges Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung, da sie nach ihrer Ehescheidung 1973 wegen der Kindererziehung nicht versicherungspflichtig arbeiten konnte. Pflichtversicherung bestand dann während des Zeitraums von 1979 bis zum Rentenbeginn.
Als freiwilliges Mitglied hatte sie 297 DM als Beitrag an die Krankenversicherung zu leisten, als Mitglied der KVdR wären es lediglich 122 DM gewesen.
Eine weitere, mit einem privat krankenversicherten Beamten verheiratete Petentin, gehörte seit 48 Jahren einer Krankenkasse an. Sie war zunächst versicherungspflichtige Beschäftigte und seit ihrer Eheschließung im Januar 1962 freiwilliges Mitglied als berufslose Hausfrau ohne eigenes Einkommen. In dieser Zeit widmete sie sich den familiär bedingten Aufgaben. Sie betreute u.a. zehn Jahre lang eine betagte Angehörige. Die Petentin hatte bei einem Rentenbetrag von 722 DM eine Beitragsbelastung für die gesetzliche Krankenversicherung in Höhe von 377 DM zu tragen.
Für die Rentnerinnen wirkte sich das Gesundheitsstrukturgesetz von 1992 ungünstig aus. Nach früherem Recht konnte als Rentner auch versicherungspflichtig und damit Mitglied der KVdR werden, wer während eines großen Teils seines Erwerbslebens freiwillig versichert gewesen war. Mit der Neuregelung wurde eine dauerhafte Zuordnung der Versicherten zur Gruppe der Pflichtversicherten oder der freiwillig Versicherten auch über das Ende des Erwerbslebens hinaus bewirkt, weil ein Wechsel des Versichertenstatus und die hiermit verbundenen Beitragsvergünstigungen als sachlich nicht gerechtfertigter Wechsel des Versichertenstatus angesehen wurden.
Nach neuem Recht erlangt Zugang zur KVdR nur, wer als Vorversicherungszeit mindestens neun Zehntel der zweiten Hälfte der Rahmenfrist, gerechnet von der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zum Tag der Rentenantragstellung, mit Pflichtversicherungszeiten belegen kann. Diese können auch aus einer Familienversicherung erworben worden sein.
Das Bundesministerium für Gesundheit führte ferner an, durch die Neuregelung fänden im Ruhestand die gleichen beitragsrechtlichen Regelungen Anwendung wie während des Erwerbslebens. Bei freiwillig Versicherten habe schon immer der Grundsatz gegolten, daß der Beitragsbemessung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zugrunde zu legen sei. Nach früherem Recht seien die Einnahmen der Krankenkassen nach Eintritt der freiwillig Versicherten in den Ruhestand erheblich geringer gewesen, obwohl die Leistungsaufwendungen für Rentner höher seien als für Erwerbstätige. Diese Beitragsvergünstigungen hätten durch die erwerbstätigen Versicherten, die zum Teil geringere Einkommen hätten als die Begünstigten, mitfinanziert werden müssen. Gesetzlichen Handlungsbedarf sah das Bundesministerium für Gesundheit nicht.
Der Ausschuss war anderer Meinung und zeigte großes Verständnis für den Wunsch nach Zugangsmöglichkeiten für langjährig freiwillig Versicherte bzw. für Hausfrauen, Kindererziehende und Pflegende zur KVdR. Da die Tätigkeit einer Hausfrau bislang kein sozialversicherungspflichtiger Tatbestand ist, können Hausfrauen am Ende der Ehe nur dann eine zum Beitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung berechtigende Vorversicherungszeit erfüllen, wenn sie mit einem Mitglie