Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 36 / 05.09.2005
Johanna Metz

Aufgekehrt...

Viel wird in diesen Tagen darüber spekuliert, wer eigentlich die Vorlage lieferte, für jene so hinreißend besungene "Angie" aus dem gleichnamigen Song der Rolling Stones. War mit "Angie" etwa Angela, die Tochter von Stones-Gitarrist Keith Richards, gemeint? Oder gar Angela Bowie, die Ehefrau von Popmusiker David Bowie? Mit der soll sich Frontmann Mick Jagger Anfang der 70er, als der Song entstand, jedenfalls ziemlich gut verstanden haben. Letztlich weiß es niemand so genau, nur eines ist sicher: Angela Merkel war es nicht.

Ist aber auch egal, schließlich ist der Song auch 32 Jahre nach seinem Erscheinen ein echter Heuler - und damit den CDU-Strategen gut genug, ihn bei jedem Wahlkampfauftritt der Kanzlerkandidatin zu spielen. Er passt eben irgendwie.

Irgendwie?

"Angie, Angie, wann werden diese dunklen Wolken verschwinden, Angie, Angie, wohin wird uns das noch führen? Ohne Liebe in unseren Seelen, ohne Geld in unseren Taschen. Du kannst wirklich nicht sagen, dass wir zufrieden sind. Angie, Du bist so schön, aber wäre es nicht Zeit, Abschied zu nehmen? … Die Träume, an denen wir festhielten, schienen sich alle in Luft aufzulösen. Lass mich in Dein Ohr flüstern, Angie, Angie, wohin wird uns das noch führen?"

Das wüssten sicher viele gern. Trotzdem: Solche Offenheit ist selten in Wahlkampfzeiten. Da die Union in ihrem Regierungsprogramm aber ausdrücklich für eine Politik der "Klarheit und Verlässlichkeit" wirbt, scheint sie ihr erstes Wahlversprechen einfach schon vor dem 18. September eingelöst zu haben. Respekt!

Und es kommt noch besser: Die Union legt mit einer echten Liebeserklärung an ihre Kandidatin nach. "Angie, weine nicht, Deine Küsse schmecken noch so süß. ... Angie, ich liebe Dich noch immer, Baby. Überall wo ich hinsehe, sehe ich Deine Augen. Komm, Baby, trockne deine Tränen. Es gibt keine Frau, die es mit Dir aufnehmen könnte. Angie, Angie, ist es nicht gut am Leben zu sein?", singt Mick Jagger ein paar Takte weiter, und die so liebreizend Besungene lächelt dabei zufrieden von den Podien dieser Republik. Ist ja auch schön.

Ob Angela Merkel angesichts solcher Liebesschwüre die alte Stones-Scheibe auch nach Feierabend hin und wieder auflegt? Ganz unwahrscheinlich ist es nicht. Vielleicht aber haben die Herausforderin und der Kanzler im Moment noch eine ganz andere Lieblingsplatte: Die aktuelle Single der amerikanischen Band "Green Day" zum Beispiel. Titel: "Wake me up when September Ends".


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2006.