Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 47 / 21.11.2005
Christoph Then

Lizenzgebühren für Mais und Schweine

Konzerne greifen mit der Patentierung auf Saatgut nach dem Schlüssel der Versorgung durch Nahrungsmittel

Patente auf Saatgut kennen die meisten europäischen Landwirte bisher nur vom Hörensagen. Doch die Liste der Länder, in denen Landwirte bereits Lizenzgebühren für die Verwendung patentierter Pflanzen bezahlen (oder bezahlen sollen), ist lang: Sie umfasst unter anderem die USA, Kanada, Brasilien, Indien und Südafrika. In diesen Ländern gehört dem Landwirt seine eigene Ernte nicht mehr: Will er sie wie gewohnt zu Wiederaussaat verwenden, können die Patentinhaber klagen.

Auch in Europa sind bereits einige 100 Patente auf Saatgut erteilt worden. Viele (aber längst nicht alle) dieser Patente wurden auf gentechnisch verändertes Saatgut erteilt. Dabei wird nicht nur das technische Verfahren, sondern auch das Saatgut, die Pflanzen, der Anbau der Pflanzen und die Ernte mitpatentiert. Sogar die Verwendung der Ernte zum Herstellen von Lebensmitteln oder die Verfütterung der Pflanzen an Nutztiere sind Teil der Patentansprüche.

Um sich vor Augen zu führen, um welch weitreichende und globale Monopolrechte es sich hier handelt, ein aktuelles Beispiel: In Argentinien wurden schon vor etwa zehn Jahren gentechnisch veränderte Sojabohnen der Firma Monsanto eingeführt. Die Saaten haben im Vergleich zu herkömmlichem Sojaanbau einen wesentlichen landwirtschaftlichen Vorteil: Sie ertragen das firmeneigene Spritzmittel. Damit entfallen ackerbauliche Methoden wie Pflügen zur Bekämpfung des Unkrauts. Das Spritzmittel kann immer auf den Acker ausgebracht werden, auch wenn die Nutzpflanzen bereits keimen und wachsen. In der großflächigen Landwirtschaft Argentiniens ist dies ein wichtiger Rationalisierungsvorteil, der dazu führt, dass der Sojaanbau ausgeweitet und dabei auch immer mehr Urwald geopfert wird. Inzwischen sind normale Saaten weitgehend verdrängt; über 90 Prozent der Landwirte arbeiten mit diesem System, das kurzfristig eine Steigerung der Gewinne ermöglicht, wenn sich die Unkräuter an das Spritzmittel anpassen. Längst ist eine Entwicklung im Gange ist, die zu immer höherem Spritzmitteleinsatz führt.

Nun hat die Firma Monsanto in Argentinien einen durchschlagenden Erfolg mit ihrer Technologie erzielt. Eine Debatte über die Risiken für die Umwelt findet unter den harten finanziellen Rahmenbedingungen der nicht subventionierten Landwirtschaft Argentiniens ohnehin nur sehr begrenzt statt. Zufrieden ist Monsanto trotzdem nicht. 2004 kündigte die Firma sogar an, sich komplett aus Argentinien zurückzuziehen. Der Grund: Die Patentierung von Saatgut ist in Argentinien verboten, die Landwirte zahlen nach Ansicht der Firma zu wenig für die Aussaat von Gen-Soja. Jetzt soll ausgerechnet das Europäische Patentrecht Abhilfe schaffen: 2005 wurde in Europa das Patent auf Monsantos Gen-Soja endgültig erteilt. Auf der Grundlage des Patentes lässt Monsanto derzeit in europäischen Häfen bei argentinischen Schiffsladungen Kontrollen durchführen. Die ersten Gerichtsverfahren gegen argentinische Importeure vor Europäischen Gerichten werden bereits vorbereitet. Monsanto will also bei der Ernte der argentinischen Landwirte in Europa nachkassieren, etwa 15 Dollar pro Tonne sollen es sein - bei einem Importvolumen von etlichen Millionen Tonnen eine äußerst lohnende Art der Wegelagerei.

Und auch in Europa gibt es erste Beispiele dafür, welche Folgen die überhöhten Lizenzgebühren haben können: Das einzige Land, in dem derzeit kommerziell Gen-Soja von Monsanto angebaut wird, ist Rumänien. Dort ist - im Gegensatz zur EU - der Anbau der Pflanzen grundsätzlich erlaubt, muss allerdings registriert werden. Da aber für die Landwirte die Lizenzgebühren der Firma Monsanto zu hoch sind, kaufen sie ihre Saaten lieber auf dem Schwarzmarkt. Inzwischen ist der Sojaanbau komplett außer Kontrolle geraten - anstatt der registrierten rund 60 Prozent der Anbaufläche scheinen nach neueren Untersuchungen tatsächlich über 90 Prozent der Anbaufläche betroffen zu sein. Ob Monsanto demnächst seine Detektive auch auf die Felder rumänischer Kleinbauern schicken wird?

In Deutschland werden ebenfalls patentierte Saaten abgebaut. Der Gen-Mais MON810, ein Mais mit eingebautem Insektengift, wurde in den letzten fünf Jahren auf etwa 300 Hektar auch in Deutschland angebaut. Doch solange die Akzeptanz für derartiges Saatgut so gering ist, vermeidet die Firma Monsanto aggressive Patentstrategien. Anders in den USA und Kanada: Berühmt wurde der Kampf zwischen Percy Schmeiser, einem kanadischen Landwirt, und Monsanto, die ihn wegen patentierter Raps-Saaten verfolgte. In den USA hat das Center for Food Safety bereits etwa 100 Fälle dokumentiert, bei denen Landwirte und Agrarunternehmen von Monsanto wegen patentierter Saaten vor Gericht gebracht wurden. Es wird berichtet, dass Monsanto ein Team von 75 Leuten unterhält, die in den USA Landwirte ausspionieren sollen, die verdächtigt werden, Saatgut zu verwenden, für das sie keine Gebühren bezahlt haben. Dass der Konzern dabei auch erhebliche finanzielle Forderungen gegenüber Landwirten durchsetzt, zeigt eine AP-Meldung vom 26.11.2002. Demnach hat ein "Berufungsgericht im Bundesstaat Washington entschieden, dass ein Soja-Landwirt aus der Region Pontotoc County gegen ein Patent verstoßen hat, das der Biotechnologiekonzern Monsanto auf ein bestimmtes Saatgut besitzt. Das Gericht verurteilte den betreffenden Landwirt, Homan McFarling, zu der Zahlung von 780.000 US-Dollar Schadensersatz an Monsanto, weil der Landwirt angeblich Roundup-Ready-Sojabohnen von seiner Ernte für die nächste Aussaat zurückbehalten hatte."

Auch wenn die Landwirte in Europa nie Gen-Saaten anbauen würden, wäre das Problem der Saatgutpatente nicht vom Tisch. Inzwischen werden auch Patente auf Saatgut beantragt und erteilt, das gar nicht gentechnisch verändert wurde. Patente auf Weizen mit besonderer Backqualität, Patente auf Mais mit erhöhtem Ölgehalt: Schon kleine technische Schritte genügen, um Pflanzen, Saatgut und Ernte zu monopolisieren. Dass hier ein Ende des Missbrauchs des Patentrechtes noch längst nicht in Sicht ist, zeigen Patentanträge der Firma Syngenta: Sie beansprucht in über einem Dutzend von Patenten, die weltweit angemeldet wurden, nichts weniger als das gesamte Erbgut der Reispflanzen - nicht um unbedingt Gen-Reis zu produzieren, sondern um die in Pflanzen in natürlicher Weise vorkommenden, wirtschaftlich besonders interessanten Gene zu untersuchen. Die jeweils identifizierten Pflanzen und Gene werden im Patent gleich mitbeansprucht.

Die Firma Monsanto weitet inzwischen das System sogar auf Tiere aus: Sie hat weltweit ein Patent auf Schweine angemeldet, bei denen natürlicher Weise vorkommende Erbanlagen beschrieben werden, die ein schnelleres Wachstum versprechen. Wird das Patent erteilt, kann Monsanto für alle (ganz normalen) Schweine Lizenzgebühren erheben, bei denen die Gene natürlicherweise vorkommen, wenn der Landwirt nicht beweisen kann, dass die Schweine nicht von Monsantos patentierten Zuchtsauen abstammen.

Von einer Erfindung zu sprechen mag bei gentechnischen Verfahren noch einleuchten, bei ganzen Pflanzen und Tieren ist dagegen der Erfindungsbegriff nicht nur ethisch, sondern auch wirtschaftlich und rechtlich äußerst problematisch. Trotzdem lässt das Europäische Patentrecht derartige Patente seit 1998 ausdrücklich zu. Mit Erfolg hat es die Agrochemie verstanden, hier Einfluss zu nehmen. In den letzten zehn Jahren hat sich der Saatgutmarkt dramatisch verändert. Die größten Unternehmen im internationalen Saatguthandel kommen inzwischen alle aus der Agrochemie; Monsanto, Dupont, Syngenta heißen die Spitzenreiter. Die Firma Monsanto hat in den letzten zehn Jahren etwa zehn Milliarden US-Dollar für Aufkäufe in der Agrar- und Saatgutbranche ausgegeben. Kann das Saatgut patentiert werden, kann weltweit die Züchtung von Pflanzen ebenso wie die Erzeugung von Nahrungsmitteln kontrolliert werden. Damit greifen diese Firmen nach einer Schlüsselstelle bei der Versorgung mit lebenswichtigen Ressourcen. Dies gibt der Debatte um die Sicherung der Welternährung, die von diesen Firmen mit großer Empathie geführt wird, eine bedrohliche Dimension.

Mit Sorge wird die Entwicklung nicht nur von Landwirten, sondern auch von der UN, der Rockefeller Foundation und von Wissenschaftlern verfolgt. Sie befürchten weitreichende Blockaden in der Forschung und eine Verteuerung von Saatgut, die insbesondere für Entwicklungsländer dramatische Folgen haben kann. Die Bemühungen um eine Neuausrichtung der europäischen Patentgesetze müssen unter diesen Umständen für die neue Bundesregierung eine hohe Priorität haben.

Center for Food Safety: http://www.centerforfoodsafety.org/


Christoph Then arbeitet bei Greenpeace in München.


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