Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 07 / 13.02.2006
Susanne Sitzler

Ganz schön böse

Erklärt einiges: das Wörterbuch der Jugendsprache

Sie ist kreativ, unverkrampft und geht oft unter die Gürtellinie. Trotzdem ist sie ziemlich lustig: die Jugendsprache. Im Pons "Wörterbuch der Jugendsprache" kann man sie jetzt nachschlagen. Wer das nicht mag, ist voll nicht cremig.

Verwandeln, zusammensetzen, neu erfinden - Jugendliche gehen mit Sprache um, wie es ihnen gefällt. Worte werden aus dem Stehgreif geboren, benutzt und verschwinden wieder. Manche bleiben, wenn sie treffend sind und in der Gruppe ankommen. Über 300 dieser Wörter finden sich in Pons' Wörterbuch, jedes mit der englischen, französischen und spanischen Entsprechung. Viele von ihnen sind nur im jeweiligen Zusammenhang verständlich. Denn das, was die Sprachwissenschaft "Rekontextualisierung" und "Bedeutungsverschiebung" nennt, sind Lieblingsmuster der Jugendsprache: "Achtung, da kommt der Rauchmelder!" - Soll heißen, die Pausenaufsicht biegt um die Ecke. Und "Ist ja echt böse!" bedeutet "Ist ja echt gut!"

Jugendsprache entsteht in der Welt der Jugend, und deshalb dreht sie sich um Jungs und Mädchen, um Körperlichkeit und Sex. Was für Erwachsene Ohren vulgär und anstößig klingen mag, ist gerade ein Merkmal von Jugendsprache. Sie ist nicht politisch korrekt, sondern authentisch. Sie dient der Abgrenzung nach außen. Deshalb hat der Klett-Verlag dick "unzensiert" auf den Titel des 120 Seiten starken Paperbacks gedruckt. Weil sich darin Wörter finden wie "polen" für klauen oder "Ossimatte" für eine schlechte Frisur.

Ernsthafte Beschwerden habe es, so Tamara Bader von Pons, noch nie gegeben. "Wir würden uns doch unglaubwürdig machen, wenn wir die Wörter zensieren", sagt sie. Über 20.000 Schüler aus ganz Deutschland haben ihre Lieblingswörter eingeschickt. Diejenigen, die am häufigsten genannt wurden, nahm die Redaktion auf. Da finden sich dann Begriffe wie "Spargelstecher" für extrem spitze Schuhe, "Männerabstellplatz" für ein Bierzelt oder "Saftschubse" für die Flugbegleiterin. Natürlich seien viele Ausdrücke gemein, gibt Bader zu, aber gerade deshalb auch lustig. Ihre Lieblingswörter sind "Fußhupe" für einen kleinen Hund und "Zickenstall" für die Damentoilette.

Beim Durchblättern kann man jedenfalls feststellen, dass die meisten Gemeinheiten die Jugendlichen selbst betreffen. Weil sie mit genügend Selbstironie fettige Haare als "Pommessträhnen", Schuppen als "Parme-sanregen" und ein Pickelgesicht mit "Korallenriff" bezeichnen. Die meisten Wörter gibt es wohl fürs Küssen: abdrücken, ansaugen, rumhauen, rumlecken, rumlöffeln, züngeln. Auch schwitzen, sich übergeben und rauchen ist mehrfach vertreten. Anglizismen ("aufpimpen" für aufmotzen, "burnen" für brennen) sind dabei, hip-hop-inspirierte Schreibweisen (wenn beispielsweise "ck" zu "gg" wird, wie in "Ey, Digger!" oder "Kagge!") und Metaphorisches wie "Murmelschuppen" für Kirche, "Fünf-Finger-Rabatt" und "sozialistisch umlagern" für Diebstahl. Was sich da im Wörterbuch der Jugendsprache versammelt, stellt natürlich nicht d e n Wortschatz der Jugend da - zumal es einen solchen gar nicht gibt. Die Macher sind sich dessen bewusst. Man wolle aber zeigen, wie kreativ Jugendliche mit Sprache umgehen, so Pons-Geschäftsführer Philipp Haußmann. Zum fünften Mal ist das Wörterbuch nun erschienen. Was 1. "stummelbumsen" ist, wann man 2. den "Synapsentango" tanzt und wer 3. als "horizontal benachteiligt" gilt, steht in der nächsten Ausgabe... (Na gut: 1. eine Zigarette an einer brennenden Zigarette anzünden, 2. völlig betrunken sein, 3. dicke Person.)


Pons Wörterbuch der Jugendsprache 2006, Ernst Klett Verlag, Stuttgart. Preis: 2,- Euro


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2006.