Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 11 / 13.03.2006
Ines Gollnick

Die Entspannte: Gisela Piltz

Parlamentarisches Profil

Jeder kennt den Standard-Anzeigentext "Weiblich, ledig, jung sucht..." Für die FDP-Bundestagsabgeordnete Gisela Piltz gilt: Sie ist weiblich, ledig, mit ihren 41 Jahren noch immer jung, dynamisch und verfügt über eine positive Ausstrahlung. Gemeinsam mit anderen Fraktionskollegen sucht sie unter anderem nach dem Profil der FDP als der stärksten Oppositionspartei. Politische Erfahrungen sammelte sie schon als Fraktionsvorsitzende der FDP im Rat der Stadt Düsseldorf. Seit Dezember ist sie innen- und kommunalpolitische Sprecherin ihrer Fraktion sowie Vorsitzende der nordrhein-westfälischen Landesgruppe der FDP. Eine Aufgabe, die sie besonders spannend findet und deshalb herausfordert, weil die Liberalen gerade auf dem Gebiet der Innenpolitik ein besonderes Erbe zu verteidigen hätten.

Das Feld, das sie nun zu beackern hat, ist wesentlich größer geworden. Mit Datenschutz hat sie sich bereits in der vergangenen Legislaturperiode intensiv befasst. Jetzt kommen als aktuelle Themen die Diskussionen über den Einsatz der Bundeswehr während der Fußballwestmeisterschaft hinzu, das Nachdenken über die Rolle der Nachrichtendienste, die Reform des Föderalsismus und des öffentlichen Dienstes.

Woran liegt es, dass sie nicht wie eine verbissene Politikerin wirkt? Man sagt Rheinländerinnen ja nach, dass sie gerne leben. Vielleicht ist es das. Vielleicht liegt es auch daran, dass sie gerne Freunde trifft, die nichts mit Politik zu tun haben, "um ins normale Leben zurückzufinden". Dies gibt eine gesunde Distanz zur Politik, obwohl ihr das Abschalten oft schwer fällt.

Bevor die gebürtige Kölnerin in Bonn Jura studierte, schloss sie bei der Stadt Düsseldorf eine Ausbildung als Diplom-Verwaltungswirtin im gehobenen Dienst ab. Als fertige Beamtin schreckte sie mögliche Langeweile. Sie orientierte sich um. Nach ihrem Studium sah sie sich auch nicht den ganzen Tag "rote Klötze" wälzen. Das sind diese dicken Bücher mit den juristischen Kommentaren. Sie ging auch nicht in den Justizdienst, sondern als Vorstandsassistentin zur Bundesvereinigung Liberaler Kommunalpolitiker. Anschließend leitete sie das Abgeordnetenbüro des Bundesjustizministers Edzard Schmidt-Jortzig. Danach verdiente sie ihre Brötchen als Projektmanagerin in der Kinobranche. Bevor sie 2002 in den Deutschen Bundestag nachrückte, war sie arbeitslos.

Für die liberale Politikerin beginnen jetzt spannende Zeiten. Sie hat gerade mit dafür gestimmt, dass doch ein Untersuchungsausschuss eingerichtet wird, der die Arbeit des Bundesnachrichtendienstes im Irak und seine Rolle gegenüber den Amerikanern ins Visier nimmt. Piltz findet, das Parlament habe ein deutliches Informationsdefizit gegenüber der Regierung, wenn es um dieses Thema gehe. Der Bundestag sei zu wenig eingebunden. Daneben kümmert sie sich weiter darum, was alles mit Daten von Menschen passiert. Es bereitet ihr Sorge, dass im Koalitionsvertrag Datenschutz als Bürokratiehemmnis erwähnt werde, aber der Begriff Bürgerrechte nicht ein einziges Mal vorkomme, unterstreicht sie im Gespräch mit "Das Parlament". Den gemeinsamen Beschluss aller Fraktionen zum Bericht des Bundesdatenschutzbeauftragen, wo es unter anderem um Vorratsspeicherung geht, wertet sie immer noch als Teilerfolg. Vielleicht hätte die Justizministerin ohne den Beschluss in Brüssel anders verhandelt, so Piltz. Auch in der Diskussion über den Einsatz der Bundeswehr im Innern hat die liberale Politikerin eine klare Haltung: Sie will ihn nicht. Ihre Devise heißt: "Abwägen, was notwendig, geeignet und erforderlich ist. Ich habe das Gefühl, dass genau das manchmal nicht mehr getan wird. Man überschlägt sich als Reaktion auf ein Ereignis." Piltz plädiert dafür, zugunsten der Sicherheit die Instrumente, die vorhanden sind, konsequent einzusetzen, statt immer neue zu fordern.

Was sie im Politikbetrieb und vor allem in Berlin "überleben" lässt, ist ihr innerer Kompass, unterstreicht sie und meint damit ihre Überzeugungen. Dabei lobt sie ihre Fraktion, in der man schon mal als einzige gegen etwas sein und trotzdem weiter machen dürfe. "Das macht es mir leichter. Man wird nicht gleich als Aussätzige behandelt, wenn man eine eigene Meinung vorgetragen hat." Als sie das schildert, lacht sie herzhaft und lässt erkennen, dass Humor in der Politik auch nicht schaden kann. Ironie, die sie gern mal durchblitzen lässt, habe sie sich in der Politik allerdings weit gehend abgewöhnt. Ironie verstehe kaum jemand, so ihre Erfahrung.

So sehr Piltz auch die schönen Seiten des Parlamentarierinnendaseins schätzt wie das Kennenlernen von Menschen und Orten, die ihr sonst unbekannt geblieben wären, so gehen ihr manche Vorurteile über die Abgeordneten richtig auf die Nerven: Dass sie sich dauernd rechtfertigen müsse für das, was sie macht. "Egal, was wir tun, wir werden in der ganz allgemeinen Wahrnehmung immer zuviel verdienen, immer zu wenig arbeiten und immer zuviel Privilegien haben." Sie wird noch deutlicher: Brächten wir demnächst Geld mit, würde man sagen, dass sei zu wenig. Sie sieht das so: "Die Leute versuchen uns auf ein Podest zu stellen, damit sie uns besser runterschmeißen können." Wenn Piltz beim Einkauf bei einem bekannten Discounter in überraschte Gesichter blickt, vermittelt sie schließlich, dass sie lebt wie alle anderen. Aber das wolle eben niemand sehen, findet sie.

Da liegt jetzt die Frage nahe, was sie von der seit dem 1. März geltenden Veröffentlichungspflicht für Nebentätigkeiten von Abgeordneten hält, gegen die liberale Abgeordnete klagen. Auch Piltz sieht das Vorhaben kritisch. Sie könnte gerne mitteilen, für welchen Konzern sie arbeite. Aber was sie mache und was sie verdiene, entscheide nicht darüber, ob sie käuflich sei oder nicht. "Wir versuchen das, was schlecht gelaufen ist, in Kategorien zu fassen. Und ich glaube, dass man das gar nicht kann." Jeder wisse, was Abgeordnete verdienen, aber wenn der Staat etwas von mir wissen will, soll er mir sagen warum. Da hätten Bundestagsabgeordnete den gleichen Schutz verdient wie andere Bürger auch.

Trotz hartnäckiger Vorurteile über Politiker und der hauseigenen Initiative, den "transparenteren Parlamentarier" zu schaffen, fühlt sie sich auf dem bundespolitischen Parkett gut aufgehoben. Wenn sie allerdings in Berlin wie andere Kollegen auch wie ein "Hamster im Laufrad" vor allem auf das reagiert, was auf sie zukommt und zu wenig agiert, gefällt ihr das nicht. "Politik bedeutet für mich auch, immer wieder zu überlegen, was ich eigentlich initiieren will." Darüber denkt sie beispielsweise nach, wenn sie joggt, ein Sport, den Piltz aus Notwehr betreibt, wie sie sagt. Eine selbstironische Anspielung auf ihre kräftige Statur. Gisela Piltz schafft es offenbar, mit Distanz und Humor auf die Welt zu sehen, entspannt zu bleiben. Doch wenn es um ihre Überzeugungen geht, werfe sie sich wie eine Löwin vor die Truppe, bekennt sie.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2006.