Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 13 / 27.03.2006
Alexander Weinlein

Des Kanzlers geheime Spürhunde

Damals ... vor 50 Jahren am 1. April 1956: Der Bundesnachrichtendienst nimmt seine Arbeit auf

Geburtstage sind Anlässe, die man eigentlich gerne feiert - vor allem dann, wenn es sich um runde wie den 50. handelt. Doch wie das Leben nun einmal so spielt, manchmal wird selbst die schönste Party von höchst unerfreulicher Begleitmusik gestört und durch unerbetene Geburtstagsgeschenke vermiest. Diese leidvolle Erfahrung muss in diesem Jahr der Bundesnachrichtendienst (BND) machen, der am 1. April 1956 seine Arbeit in Pullach aufnahm.

Vor 50 Jahren war der Nachrichtendienst aus der "Organisation Gehlen", benannt nach ihrem Gründer, dem ehemaligen Generalmajor der Wehrmacht Reinhard Gehlen, hervorgegangen und direkt im Bundeskanzleramt angesiedelt worden. In der entsprechenden Entscheidung der damaligen Bundesregierung hieß es ganz unspektakulär: "Die Organisation Gehlen wird nach näherer Weisung des Bundeskanzlers in den Bundesnachrichtendienst überführt."

Um so spektakulärer gestaltete sich dafür der Beginn des Jubiläumsjahres 2006. Der BND geriet genau dorthin, wo sich kein Geheimdienst wiederfinden möchte: im Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit. Bereits Ende des vergangenen Jahres musste der damalige Präsident des BND, August Hanning, einräumen, dass der Dienst Journalisten im Inland belauscht und observiert hatte. Das klingt auf den ersten Blick nicht übermäßig dramatisch - schließlich gehört das Bespitzeln ja zum täglichen Handwerkszeug eines Geheimdienstes. Doch die Sache ist höchst brisant: Zum einen, weil der BND ein Auslandsgeheimdienst ist, sprich im Inland eigentlich gar nicht tätig werden darf, und zum anderen, weil die Überwachung von Journalisten nur schwer mit der Pressefreiheit in Einklang zu bringen ist. Betroffen waren unter anderem der "Focus"-Redakteur Josef Hufelschulte und der Publizist Erich Schmidt-Eenboom, der ein enthüllendes Buch über die Schwächen des Dienstes veröffentlicht hatte. Der BND witterte Verrat in den eigenen Reihen und hoffte, über die beschatteten Journalisten die undichte Stelle im eigenen Hause zu finden.

Kaum hatte sich die erste Aufregung ein wenig gelegt, da standen die "Schlapphüte", wie die Agenten des BND früher gerne spöttisch tituliert wurden, erneut am Pranger. Der Vorwurf diesmal: Beamte des Nachrichtendienstes hätten Terrorverdächtige verhört, die sich im Gewahrsam von US-Geheimdiensten befanden, unter ihnen der von der CIA entführte deutsche Staatsangehörige Khaled al-Masri.

Und weil aller guten Dinge bekanntlich drei sind, kam es noch dicker. Seit Anfang des Jahres steht der Vorwurf im Raum, BND-Agenten hätten während des Irak-Krieges potenzielle Angriffsziele ausspioniert und diese Informationen an das amerkanische Militär weitergegeben. Ein politisch heikler, hatte doch die ehemalige rot-grüne Bundesregierung durch ihre lautstark propagierte Abstinenz während des umstrittenen Waffengangs der USA geglänzt. Der BND schien in diesen Wochen gar nicht mehr aus den Schlagzeilen verschwinden zu wollen und manch ein Beobachter erinnerte sich wohl auch an jenen Wutausbruch des ehemaligen Bundeskanzlers Helmut Schmidt, der, als er 1981 während eines DDR-Besuchs von der Machtübernahme des Militärs in Polen ohne vorherige Warnungen von Seiten des BND völlig überrascht wurde, den Dienst als "Dilettantenverein" beschimpft hatte.

Ernst Urlau, seit 1. Dezember 2005 neuer Präsident des BND, wird jetzt pünktlich zum Jubiläum seines Hauses, ein Geschenk erhalten, über das er alles andere als glücklich sein dürfte: Der Bundestag will nun doch einen Untersuchungsausschuss einsetzen, um die Vorwürfe gegen den Nachrichtendienst aufzuklären. Das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestages, das über den heute rund 6.000 Mitarbeiter umfassenden Dienst wacht, hatte sich zwar bereits mit dem Fall auseinandergesetzt, doch die Abgeordneten von FDP, Grünen und der Linken sehen weiteren Klärungsbedarf.

Zimperlich ging es noch nie zu in der Welt der Geheimdienste - weder bei den Methoden, noch bei der Auswahl des eingesetzten Personals. Als die amerikanischen Besatzungsbehörden 1946 Reinhard Gehlen, den ehemaligen Leiter des militärischen Geheimdienstes "Fremde Heere Ost", der den sowjetischen Gegner im Krieg ausspioniert hatte, beauftragten, unter ihrer Kontrolle einen neuen Geheimdienst mit Standort in Pullach aufzubauen, störten sie sich nicht daran, dass dieser ehemalige Angehörige seiner alten Dienststelle, aber auch der Gestapo, des SD und der SS rekrutierte. Ganz im Gegenteil: Gerne griff man im sich abzeichnenden Kalten Krieg auf die Erfahrungen der "Krauts" mit den Sowjets zurück.

Zur Wahrheit gehört aber eben auch, dass der Bundesnachrichtendienst einen leider unverzichtbaren Beitrag für die Sicherheit Deutschlands - etwa im Kampf gegen den islamistischen Terror - leistet.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2006.