Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 40 - 41 / 02.10.2006
Bernadette Schweda

Jetzt wollen (fast) alle in die Oper

Der Bundestag debattiert über Aufgaben und Ziele der Deutschen Islamkonferenz

So viel Anerkennung für den Innenminister gibt es selten: Wolfgang Schäuble (CDU) konnte sich am vergangenen Donnerstag kaum vor den Lobeshymnen retten, die das Hohe Haus auf ihn und die von ihm initiierte Deutsche Islamkonferenz sang, auch wenn es zwischendurch in der Debatte knirschte. Es war ein Kontrastprogramm zu der Kritik, die vor der Eröffnung der Konferenz am Vortag - vor allem wegen der Zusammensetzung des Gremiums - laut wurde.

Geladen waren je 15 Vertreter des Staates - Bund, Länder und kommunale Spitzenverbände - und des Islams, darunter der Zentralrat der Muslime, der Islamrat, der türkische Dachverband DITIB, die Alevitische Gemeinde, der Verband der islamischen Kulturzentren und Vertreter des säkularen Islams aus Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur.

Die Konferenz wird in den kommenden zwei Jahren in Arbeitsgruppen tagen und über Problemfelder wie das Verhältnis von Staat und Religion, innere Sicherheit und Islamismus, die Stellung der Frau im Islam, Beschäftigungschancen für junge Muslime, Islam-unterricht an staatlichen Schulen und die Ausbildung von Imamen in Deutschland beraten. Ein erstes Treffen der Arbeitsgruppen ist für Anfang November in Nürnberg geplant. Die Geschäftsführung der Islamkonferenz liegt bei der Bundesanstalt für Migration.

In der Bundestagsdebatte stellten sich grundsätzlich alle Fraktionen einhellig hinter das Konzept eines ständigen Dialogs zwischen Vertretern des Staates und des Islams in Deutschland, der helfen soll, das Miteinander der Mehrheitsgesellschaft und der Muslime auf eine bessere Grundlage zu stellen und die Integration der mehr als drei Millionen Moslems in Deutschland intensiver zu fördern. Einigkeit herrschte auch da- rüber, dass dieser Dialog und das Zusammenleben der Kulturen in Deutschland auf der Basis der demokratischen Rechts- und Verfassungsordnung geschehen müssen.

"Das Grundgesetz ist nicht verhandelbar", hatte zuvor auch der Innenminister in seiner Regierungserklärung festgestellt. Gleichzeitig unterstrich er, dass niemand in der Konferenz dies in Frage gestellt habe. Es sei eine offene und in Teilen durchaus kontroverse Debatte gewesen. Es gehe dabei nicht nur um praktische Lösungen, sondern auch um "mehr Verständnis, Sympathie, Friedlichkeit, Toleranz und vor allen Dingen mehr Kommunikation", so Schäuble, der gleichzeitig vor Euphorie warnte: "Es wird ein steiniger Weg sein - für die Muslime und für den Staat."

Der SPD-Innenpolitiker Michael Bürsch forderte allerdings eine breitere Einbindung des Parlaments und der Bevölkerung in den Dialog: Integration sei eine Aufgabe der Bürgergesellschaft. Der Staat könne dabei nur moderieren und Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Integration schaffen.

An der Debatte beteiligten sich viele Abgeordnete mit Migrationshintergrund: Für die SPD ergriff Lale Akgün das Wort, geboren in Istanbul, für die Grünen Omid Nouripour, geboren in Teheran. Die Linke wartete mit Hakki Keskin und Sevim Dagdelen auf.

Ein erstes konkretes Ergebnis hat die Deutsche Islamkonferenz bereits vorzuweisen: Die aus Angst vor islamischen Protesten vom Spielplan der Deutschen Oper in Berlin abgesetzte Mozart-Oper "Idomeneo" wird aller Wahrscheinlichkeit nach doch aufgeführt. In der Schlussszene der umstrittenen Inszenierung trägt der König von Kreta Idomeneo die abgeschlagenen Köpfe von Poseidon, Jesus, Buddha und Mohammed auf die Bühne.

In der Debatte kündigte Schäuble sogar einen gemeinsamen Opernbesuch aller Teilnehmer der Konferenz an, was bei den Rednern auf Zustimmung stieß, allerdings ein Dementi des Islamratsvorsitzenden Ali Kizilkaya nach sich zog. "Das muss ich mir nicht antun", sagte er der "taz".


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2006.