Nach dem Luxemburger Referendum zur EU-Verfassung
Die Erleichterung war groß. Nicht nur beim luxemburgischen Regierungschef Jean-Claude Juncker: "Ich freue mich heute, Premierminister zu sein und es auch bleiben zu können." Nach dem deutlichen "Ja" der Luxemburger zum Entwurf der neuen EU-Verfassung muss er seine Rücktrittsdrohung nicht wahr machen. Und der Europäischen Union bleibt eine Verschärfung der ohnehin schon schweren Verfassungskrise erspart.
Das Großherzogtum, Gründungsmitglied und mit Abstand reichstes Land der Europäischen Union, ist dem Ruf eines "Musterlandes" der EU wieder einmal gerecht geworden. Juncker griff - auf Deutsch - zu starken Worten. Der "absolutfinale Genickschuss" sei der EU-Verfassung erspart geblieben. Außenminister Jean Asselborn formulierte bescheidener: "Europa hat eine Erkältung. Aber wir haben nun eine gute Tasse mit etwas Honig am Bett serviert."
Doch bei EU-Diplomaten gilt als fraglich, dass das Luxemburger Votum nun im Jammertal der grassierenden EU-Verfassungsratlosigkeit neue Hoffnung zu spenden vermag. Denn mit seiner Rücktrittsdrohung ("Ich kann nicht erkennen, wie ich nach einem Nein die Anliegen meines Landes auf EU-Ebene in Zukunft weiter glaubwürdig vertreten kann") hat der überaus populäre Juncker seine Bürger vor eine Wahl gestellt, bei der das Neinsagen schwer fallen musste. Schließlich gilt Junck-er nach zehn Jahren im Amt des Regierungschefs, in denen er zugleich Finanzminister war, auch als Garant des Wohlstands in dem kleinen Land zwischen Deutschland und Frankreich. Und das ist ein Pfund, mit dem keineswegs jeder seiner Kollegen wuchern kann.
Nicht weniger als acht EU-Staaten haben seit dem Scheitern der Verfassungsreferenden in Frankreich und den Niederlanden den Ratifizierungsprozess erschrocken zunächst auf Eis gelegt. Sie machten damit von der beim EU-Krisengipfel im Juni beschlossenen Möglichkeit Gebrauch, eine "Bedenkzeit" im Ratifizierungsprozess einzulegen. In Tschechien, Dänemark, Irland, Polen, Portugal und Großbritannien sind Volksabstimmungen bereits verschoben worden oder ist deren Verschiebung zu erwarten, in Finnland und Schweden wurden die parlamentarischen Verfahren vorerst gestoppt.
Die erste Reaktion kam vom EU-Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso. Unmittelbar nach Bekanntgabe des Ergebnisses ließ er unter den wartenden Journalisten eine Erklärung verteilen, in der er rühmte, dass es nun mit 13 ratifizierungswilligen Staaten eine "Mehrheit" im Kreis der 25 EU-Mitglieder gebe. Zugleich freilich räumte er ein, dass dies herzlich wenig bedeute. Wegen der geforderten Einstimmigkeit in Verfassungsfragen sei die Zukunft der Verfassung "ungewiss". Nun sei "Plan D" gefragt: Dialog, Diskussion und Demokratie.
Allerdings war seit dem EU-Gipfel vom Juni noch niemand in Brüssel in der Lage, zu erläutern, was dies konkret bedeuten könnte und wie dies die Zaudernden, Zögernden und Zweifelnden zur Zustimmung bewegen könnte. "Das wird jenen, die an das europäische Projekt glauben, Auftrieb geben", sagte Juncker im Licht der Scheinwerfer nach der Abstimmung. "Wenn es anders gelaufen wäre, dann wären wir jetzt in einer ultra-schweren Krise. Aber nach den Niederlagen in Frankreich und den Niederlanden haben schon Zypern, Malta und jetzt Luxemburg dafür gestimmt. Der Ratifizierungsprozess wird weitergehen."