Parlamentspräsidentenkonferenz
Konferenz der Präsidenten der Parlamente der Europäischen Union in Budapest, 6. - 7. Mai 2005
Einleitende Bemerkungen
- Die Konferenz der Präsidenten der Parlamente der
Europäischen Union fand am 6. und 7. Mai 2005 in der
ungarischen Nationalversammlung in Budapest statt. Teilnehmer der
Konferenz waren die Präsidenten der nationalen Parlamente der
Mitgliedstaaten der EU, des Europäischen Parlamentes, der
beiden beitrittswilligen Länder und der beiden
Kandidatenländer. Die Präsidenten der nationalen
Parlamente der Staaten des westlichen Balkans waren eingeladen, am
zweiten Tag der Konferenz beizuwohnen. Die
Parlamentspräsidentenkonferenz fand unter dem Vorsitz der
Präsidentin der ungarischen Nationalversammlung, Katalin
Szili, statt. Der ungarische Ministerpräsident, Ferenc
Gyurcsány, betonte in seiner Rede vor der Konferenz, dass im
Hinblick auf die Erhaltung und Stärkung der europäischen
Werte die Wettbewerbsfähigkeit Europas deutlicher zum Tragen
kommen müsse.
- Die Präsidenten erörterten folgende Themen: die
interparlamentarische Koordinierung, die Zusammenarbeit zwischen
der Europäischen Kommission und den EU-Parlamenten, die
Rationalisierung der europäischen interparlamentarischen
Organisationen, die EU-Parlamente und die finanzielle Vorausschau
für den Zeitraum 2007 - 2013, die Ratifizierung des Vertrags
für eine Verfassung für Europa, den Beitrag der
EU-Parlamente zur Stärkung der globalen Rolle der EU, die
parlamentarischen Beziehungen zwischen der EU und dem westlichen
Balkan.
- In ihrer Eröffnungsansprache fasste die Präsidentin
der ungarischen Nationalversammlung, Katalin Szili, die Erfahrungen
mit den neuen Koordinierungsmechanismen zusammen und berichtete der
Konferenz über die Umsetzung der Haager Richtlinien.
- Die Vizepräsidentin der Europäischen Kommission,
Margot Wallström erläuterte
die kurz- und langfristigen Ziele der Kommission, deren Ziel eine
Stärkung der Zusammenarbeit mit den nationalen Parlamenten
sei. Die Kommission sei bereit, eine aktive Rolle als "Wegbereiter"
bei der wichtigen Arbeit des elektronischen Austausches
EU-bezogener Informationen zwischen den nationalen Parlamenten
unter Einsatz insbesondere des IPEX-Netzes zu
übernehmen.
- Wolfgang
Thierse, der Präsident des Deutschen Bundestages, befasste
sich in seiner Rede mit den Hauptergebnissen des Fragebogens
über die "Rationalisierung unserer interparlamentarischen
Zusammenarbeit". Er vertrat die Ansicht, dass die Aufgaben und
Ziele der Versammlungen darin bestehen sollten, die Ziele der
einschlägigen Organisationen der Öffentlichkeit
nahezubringen und zu fördern und die Einhaltung der jeder
einzelnen Organisation zugrunde liegenden Prinzipien zu
überwachen und zu einer verbesserten Kontrolle der
Regierungsarbeit beizutragen.
-
Lubomir Zaoralek, der Präsident des Abgeordnetenhauses der
Tschechischen Republik, umriss die Rolle, welche die nationalen
Parlamente beim Prozess des Abschlusses der finanziellen
Vorausschau übernehmen sollten. Josep Borrell, der
Präsident des Europäischen Parlamentes, erläuterte
die Rolle des Europäischen Parlamentes beim Abschluss der
finanziellen Vorausschau.
- Gegenstand der Ausführungen von Herman de Croo,
dem Präsidenten des belgischen Abgeordnetenhauses, war der
Vertrag über eine Verfassung für Europa und die
Einstellung der Öffentlichkeit in Bezug auf die Verfassung.
Dabei ging er auf verschiedene Möglichkeiten ein, wie das
Bewusstsein der Bürger in der Union für diese
Notwendigkeit sensibilisiert werden könne und stellte
Überlegungen an, welche Rolle die nationalen Parlamente in
dieser Hinsicht übernehmen könnten.
- In Bezug auf den Beitrag der EU-Parlamente zur Stärkung
der globalen Rolle der EU betonte Pier Ferdinando Casini, der
Präsident des italienischen Abgeordnetenhauses, wie wichtig
die internationalen Aktionen der EU Parlamente seien und welchen
zusätzlichen Nutzen sie böten. Casini sprach die
Möglichkeit der Einsetzung einer Arbeitsgruppe an, die sich
mit Aktivitäten der technischen Unterstützung für
Parlamente befassen solle. Er werde dem Gastgeber der nächsten
Konferenz, dem Dänischen Folketing, einen ausführlichen
Vorschlag vorlegen.
- Unter aktiver Beteiligung der Präsidenten der Parlamente
des westlichen Balkans erörterten die Präsidenten die
Beziehungen zwischen der EU und dem westlichen Balkan. Andreas Khol, der
Präsident des österreichischen Nationalrates, wies darauf
hin, dass die Integration der Staaten des westlichen Balkans in die
EU zu einer Zone der Stabilität führen und die globale
Rolle der EU stärken werde. Beitrittswillige Länder
müssten sich mit ihrer eigenen Vergangenheit auseinandersetzen
und eine innenpolitische Debatte hierüber führen und sich
zu den Werten, für die die EU stehe, bekennen.
- Die Konferenz nahm folgende Dokumente zur Kenntnis:
- eine Stellungnahme über den in Libyen eingeleiteten Prozess gegen bulgarisches und palästinensisches medizinisches Hilfspersonal, eingebracht von der slowakischen Delegation;
- eine Stellungnahme über die Lage der im Irak entführten Journalisten, eingebracht von der rumänischen Delegation.
Schlussfolgerungen der Präsidentschaft
- Die Konferenz hob die Bedeutung einer weiteren Stärkung
der Beziehungen zwischen der Europäischen Kommission und den
nationalen Parlamenten hervor sowie die Umsetzung der konkreten
kurz- und langfristigen Ziele, die von der Vizepräsidentin der
Kommission, Margot Wallström, erläutert worden
waren.
- Die interparlamentarische Zusammenarbeit müsse als ein
realer Prozess funktionieren; zwischen den Parlamenten müsse
es einen regelmäßigen Dialog in der Zeit zwischen den
Parlamentspräsidentenkonferenzen geben. Die Beziehungen
zwischen der Parlamentspräsidentenkonferenz und den anderen
interparlamentarischen Treffen der EU sollten gestärkt werden.
Im Einklang mit den Haager Richtlinien sollte die Konferenz eine
führende Rolle bei der Festlegung vorrangiger Bereiche
für die Zusammenarbeit übernehmen. Der Zeitplan der
interparlamentarischen Aktivitäten der EU für das Jahr
2005, zusammengestellt von der ungarischen Nationalversammlung,
stelle eine gute Grundlage und ein nützliches Instrument
für die Planung der Arbeit der Parlamente dar. Die
Kontinuität der interparlamentarischen Koordinierung sollte
durch das Gastparlament der nächsten Konferenz sichergestellt
werden. Frühere und zukünftige Gastgeber sollten bei
diesen Aktivitäten Unterstützung anbieten.
- Die Präsidenten stellten mit Befriedigung das
Funktionieren des neuen Sprachenregimes fest.
- Die Konferenz begrüßt die "Erklärung über
die Rolle der nationalen Parlamente in der europäischen
Debatte: Stärkung des nationalen europäischen
Bewusstseins", das von der Konferenz der Ausschüsse für
Gemeinschafts- und Europa-Angelegenheiten der Parlamente der
Europäischen Union (COSAC) verabschiedet worden war. Die
Konferenz fordert die nationalen Parlamente auf, vorzugsweise im
Rahmen einer Plenarsitzung einmal jährlich eine Debatte
über das jährliche Gesetzgebungs- und Arbeitsprogramm der
Europäischen Kommission unter gebührender
Berücksichtigung ihrer internen Arbeitsprogramme, des
gesetzlichen Rahmens und der Traditionen abzuhalten. Die Konferenz
bittet die nächste Präsidentschaft der Konferenz, die
notwendigen Konsultationen aufzunehmen zur Festlegung eines
angemessenen Zeitrahmens für die Umsetzung der Erklärung
und der Konferenz über die Erfahrungen bei der Umsetzung der
Erklärung zu berichten.
- Die Präsidenten vereinbarten, dass im Rahmen des
Frühwarnsystems, das mit der Verfassung eingeführt werden
soll, die sechswöchige Frist, die den nationalen Parlamenten
zur Subsidiaritätskontrolle zur Verfügung steht, dann
beginnen solle, wenn das spezielle Gesetzesvorhaben in alle
offiziellen Sprachen der EU übersetzt worden sei. Die
Präsidenten begrüßten die kooperative in dieser
Hinsicht von der Vizepräsidentin der Kommission, Margot
Wallström, zum Ausdruck gebrachte Bereitschaft.
- Das IPEX Projekt wurde seit seiner Einführung im Jahre
2001 stufenweise weiterentwickelt. Ein ständiger Rahmen
für die zukünftige Arbeit von IPEX war von den
Generalsekretären vereinbart und den Präsidenten zur
Kenntnis zugeleitet worden, welcher eine effektive Arbeitsweise
vorsieht. Nach der Budapester Konferenz wird die Testphase der
neuen IPEX-Website beginnen und damit der Weg für die
Erweiterung der elektronischen Zusammenarbeit zwischen den EU
Parlamenten bereitet werden.
- Die Präsidenten vertraten die Ansicht, dass der Vertrag
über eine Verfassung für Europa als die Fortsetzung eines
Integrationsprozesses gesehen werden könne, der seit mehr als
50 Jahren voranschreite. Sie sind der Ansicht, dass es wichtig ist,
den Ratifizierungsprozess im Jahre 2006 abzuschließen.
- Die Union sollte über die notwendigen Ressourcen im
Hinblick auf die Erfordernisse der erweiterten Union verfügen.
Die Prinzipien der Solidarität, des wirtschaftlichen und
sozialen Zusammenhalts und der effizienten und wirtschaftlichen
Nutzung der Finanzmittel sollten sichergestellt sein.
- Die Präsidenten hoben hervor, dass die Effizienz der
interparlamentarischen Aktivitäten durch die Rationalisierung
der bestehenden Organisationen und nicht durch Schaffung
zusätzlicher Organisationen verbessert werden sollte. In
dieser Frage begann auf der Budapester Konferenz eine interessante
Debatte. Es wurde vereinbart, dass die Konferenz eine
Schlüsselrolle bei der Ausarbeitung von Vorschlägen
für die Rationalisierung der europäischen
interparlamentarischen Zusammenarbeit übernehmen solle, dass
es zum jetzigen Zeitpunkt jedoch noch nicht möglich sei,
Vorschläge zu vereinbaren. Der Gastgeber der nächsten
Konferenz, das Dänische Folketing, wurde gebeten, eine
Arbeitsgruppe einzusetzen, die die Debatte über die
Rationalisierung der europäischen interparlamentarischen
Organisation weiter verfolgen werde. Die Arbeitsgruppe solle damit
beauftragt werden, die europäischen interparlamentarischen
Organisationen unter dem Aspekt ihrer Funktionen zu analysieren, um
möglicherweise einen Vorschlag für Rationalisierung und
Effizienz vorzulegen. Die Arbeitsgruppe kann die Möglichkeit
der Zusammenarbeit zwischen Delegationen der EU-Parlamente am Rande
der Treffen der interparlamentarischen Organisationen
prüfen.
Die Arbeitsgruppe wird in Zusammenarbeit mit den Troika-Parlamenten (Ungarn und Slowakei), dem Parlament des Berichterstatters (Deutschland) sowie mit allen denjenigen, die sich an dieser Aufgabe beteiligen wollen, eingerichtet. Die Arbeitsgruppe wird ihre Empfehlung auf der nächsten Konferenz in Kopenhagen im Juni 2006 vorlegen.
- Die Konferenz unterstrich die Notwendigkeit einer
Fortführung der Debatte darüber, wie die EU-Parlamente
ein koordinierteres und effizienteres Auftreten der Union auf
weltweiter Ebene fördern könnten. In diesem Zusammenhang
sollten die parlamentarischen Aktivitäten von der
Parlamentspräsidentenkonferenz auf der Grundlage eines
regelmäßigen Meinungsaustausches überwacht
werden.
- Die Konferenz erklärte, dass die Integration der Staaten
des westlichen Balkans in die Europäische Union weiter
gestärkt werden solle. Die EU-Parlamente sollten eine aktive
Rolle beim Transformationsprozess der Region spielen, indem sie
ihre Erfahrungen mit den Parlamenten des westlichen Balkans
teilten. Es sei besonders wichtig, dass die EU-Parlamente den
Parlamenten der Region die notwendige Unterstützung zukommen
ließen. In dieser Hinsicht sollten sowohl bilaterale als auch
multilaterale Formen der Zusammenarbeit zum Tragen kommen, wie der
Austausch von parlamentarischen Sachverständigen oder die
Veranstaltung parlamentarischer Treffen über spezielle Themen
mit einer erkennbaren Weiterverfolgung.
- Die nächste Konferenz der Präsidenten der Parlamente der Europäischen Union wird im Juni 2006 in Dänemark stattfinden. Der Nationalrat der slowakischen Republik bot an, Gastgeber der Parlamentspräsidentenkonferenz im Jahre 2007 zu sein.
Quelle:
http://www.bundestag.de/internat/interparl_orga/ppk/ppk_bud/