Josep Borrell ist neuer Präsident des Parlaments
Die beiden großen Fraktionen verfügen zusammen über 468 Abgeordnete, die Liberalen über 88. Auch der Franzose Francis Wurtz, der Fraktionsvorsitzende der Vereinigten Linken, die nur über 41 Mandate verfügt, konnte noch 51 Stimmen auf sich vereinen.
Seinen Erfolg im ersten Wahlgang verdankt Borrell, Nachfolger des Iren Pat Cox, einer Absprache zwischen den beiden größten Fraktionen, der christdemokratischen EVP (268 Mitglieder) und den Sozialdemokraten (200). Beide Gruppen wollen sich die fünfjährige Präsidentschaft aufteilen, da der Parlamentspräsident ohnehin traditionsgemäß nur jeweils für zweieinhalb Jahre gewählt wird. Obwohl die Sozialdemokraten nicht zu den Siegern bei der Europawahl gehörten, erhielt ihr Kandidat den Vorrang, weil der EVP-Vorsitzende Hans-Gert Pöttering, wie es aus der Fraktion heißt, seine mehr als 25-jährige Karriere als Europapolitiker zum Abschluss in zweieinhalb Jahren mit dem Präsidentenamt krönen möchte.
Für den neuen, aus Katalonien stammenden Präsidenten Josep Borrell ist das Straßburger Parlament zwar eine völlig neue Bühne, nicht aber die Europapolitik. Unter Ministerpräsident Felipe Gonzalez bekleidete er bereits mehrere Kabinettsposten, zunächst sehr erfolgreich als Staatssekretär im Finanzministerium und später als Minister für Verkehr und Infrastruktur. Von daher kennt er die Arbeitsweise des EU-Ministerrats. Als Vertreter seiner in die Opposition geratenen Partei im spanischen Parlament hatte der 57-Jährige im EU-Verfassungskonvent mitgearbeitet. Der Sohn eines Bäckers studierte Ingenieurwesen und Volkswirtschaft, bevor er mit 30 Jahren in die Regionalregierung von Madrid gewählt wurde. Borrell verdankt sein Comeback dem Wahlsieg der spanischen Sozialisten sowohl bei den nationalen als auch den Europawahlen.
Dem zum sechsten Mal direkt von den EU-Bürgern gewählten Europäischen Parlament gehören 732 Abgeordnete aus 25 Ländern an. Deutschland entsendet mit 99 Parlamentariern das größte Kontingent, mit Abstand folgen Frankreich, Großbritannien und Italien mit je 78 Deputierten. Von den neuen Ländern stellt Polen mit 54 die meisten Deputierten, Malta hat mit fünf Sitzen die wenigsten Abgeordneten. In den Reihen der Abgeordneten aus den einzelnen Ländern gibt es ungewöhnlich viele neue Gesichter - mehr als je zuvor bei einer Europawahl. Ihr Anteil beträgt 51 Prozent.
Die geringste Zahl neuer Parlamentarier weist mit 20 Prozent Großbritannien auf, Griechenland mit 83 Prozent den größten Anteil. Auch in den neuen Ländern Osteuropas wurden mehr als die Hälfte der erst im Mai in Straßburg eingezogenen Parlamentarier bereits wieder ausgetauscht.
Der bisherige Stolz der Straßburger Versammlung, besonders fortschrittlich bei der Gleichbehandlung von Frauen und Männern zu sein, hat auch wegen der Erweiterung einen Dämpfer erhalten. Der Frauenanteil ist im neuen Parlament mit rund 31 Prozent etwas niedriger als in der vorangegangen Legislaturperiode. Führend ist Schweden mit einem Anteil von 58 Prozent, aber auch Luxemburg glänzt jetzt mit 50 Prozent. Frankreich rangiert mit 44 Prozent ebenfalls weit über dem Durchschnitt, Deutschland liegt fast genau auf dem EU-Mittelwert. Überhaupt keine weiblichen Volksvertreter kommen aus Zypern und Malta, aber auch Polen mit nur 13 Prozent Frauen steht blamabel da. Bei den Altmitgliedern der EU bildet Italien mit einem Frauenanteil von nur 19 Prozent das unrühmliche Schlusslicht.