In Frauenheftromanen folgen Familiendarstellungen eigenen Gesetzen
Im Frauenheftroman jedoch gibt es kein Leid, das nicht zu überwinden wäre. In einer willkürlichen Auswahl von Heften, die in den vergangenen Monaten erschienen sind, sahen sich die Heldinnen unter anderem mit folgenden Lebenskatastrophen konfrontiert:
Weitere Probleme, die relativ häufig in den Romanheften angesprochen werden, sind unvollständige Familien, uneheliche Geburt, Krankheit, Behinderung, Tod nahe stehender Menschen, unfreiwillige Kinderlosigkeit, ausgesetzte Kinder, Arbeitslosigkeit, Vermögensverlust und Armut mit all ihren Folgeerscheinungen, soziale Ausgrenzung, Vorurteile und alle Arten von Beziehungsschwierigkeiten vom Liebeskummer bis zum Vertrauensbruch. All diese Beeinträchtigungen werden durchaus real bedrohlich geschildert. Sie werden aber auf die eine oder andere Art im Verlaufe der Romanhandlung gelöst, sodass das jeweilige Ende der Geschichte wirklich nur als "glücklich" bezeichnet werden kann.
Dem Ziel, ein Lebens in Harmonie, wird im Frauenheftroman alles andere untergeordnet, notfalls sogar die "große Liebe". Unumgänglich für ein harmonisches Leben ist dabei die Einbettung der Heldin in eine ideale Familie. Selbst junge Frauen, deren Geschichte mit der Hochzeit endet, definieren sich häufig über ihre Mutterrolle. Sie sagen gerne Sätze wie: "In einem Jahr sind wir hoffentlich schon zu dritt." Oder, und dabei blicken sie hinaus in den Schlosspark: "Bald werden hier unsere Kinder herumtollen." Häufig zeigt die an sich abgeschlossene Geschichte in einem Anhang die Geburt des ersten Kindes; denn ein Baby in der Wiege ist im Frauenheftroman ein Beweis für eine glückliche Ehe und eine Belohnung für die Anstrengung bei der Lösung allfälliger Schwierigkeiten.
Die Gesellschaft im zeitgenössischen trivialen Frauenheftroman hat ihre eigene Sozialstruktur, die sich von derjenigen Deutschlands vor allem dadurch unterscheidet, dass die Mehrzahl der Protagonisten den beiden obersten Sozialschichten angehören. Im Heftroman sind das die obere Mittelschicht und eine spezifische, für den Frauenheftroman typische Oberschicht. Der oberen Mittelschicht sind Akademiker zuzurechnen, Bankiers, mittelständischer Unternehmer oder nichtadelige Gutsbesitzer. Die Oberschicht wird ausschließlich durch Adelige vertreten.. Politiker oder Unternehmer von internationaler Bedeutung spielen zumindest im deutschen Frauenheftroman keine Rolle.
Die ideale Familie des Frauenheftromans lebt glücklich und mit möglichst mehreren Kindern ohne finanzielle Probleme in einem geräumigen Haus in idyllischer Lage. "Angela dachte: Wie in einem Bilderbuch: Efeu, ein hübscher Garten. Richtig schmuck." (Arzt-Roman Nr. 693, S. 59). Da nicht davon auszugehen ist, dass die Romanheftverlage sich als Propagandisten der Mehrkind-Familie verstehen, muss diese Schilderung genau das sein, was die Leserinnen erstreben und in ihrem realen Leben meist vermissen. Diese Grundstruktur findet sich in Romanheften, die in den vergangenen Wochen auf den Markt kamen, ebenso wie in solchen, die bereits 50 Jahre alt sind.
Konkret wünscht sich die Romanheldin einen fürsorglichen Mann, der gleichzeitig ein zärtlicher Liebhaber und ein guter Vater ist. Dazu kommen zwei oder drei wohlgeratene Kinder, deren Lebensmittelpunkt zwar die Mutter ist, die ihr aber niemals mit störenden Ansprüchen zur Last fallen. Dabei ist der Lebensspielraum überraschend klein und eng gefasst. Obwohl die Helden selten älter als 35 Jahre sind (die Heldinnen meist sieben bis acht Jahre jünger), sind sie zumeist bereits Vollwaisen und haben auch keine Geschwister. Ihre eigenen Kinder kennen also im Allgemeinen weder Onkel und Tanten noch Großeltern. Zudem dürfen Held und Heldin in einer Notsituation auf keinerlei verwandtschaftlichen Rückhalt rechnen. Leben die Großeltern noch, so sind sie oft entweder feindselig, weit fort oder uralt und kränklich.
Berufstätigkeit wird von den Heldinnen des trivialen Frauenheftromans zumeist nur geschätzt, wenn keine Kinder zu betreuen sind. Ausnahmen bilden in der Regel nur Künstlerinnen und solche Frauen, deren Berufstätigkeit nicht schnödem Gelderwerb, sondern karikativem Einsatz dient. Dabei ist zu berücksichtigen, dass diese Frauen trotz ihres fordernden Berufes nie müde oder missgelaunt sind, Zeit für alle möglichen anderen Aktivitäten haben, von verständnisvollen Ehemännern und einsichtigen Kindern umfassend unterstützt werden und ihnen für alle häuslichen Routinearbeiten geschultes Personal zur Verfügung steht. Dass durch Arbeit Geld verdient wird und in Grenzen unabhängig macht, wird kaum einmal erwähnt.
Die Romanheldin ist aber nicht nur Mutter meist mehrerer Kinder, sie hat auch eine wichtige Aufgabe als Erzieherin ihres männlichen Gegenübers. Viele Helden benehmen sich über weite Strecken der Romanhandlung hinweg ihren Mitmenschen gegenüber erstaunlich arrogant, kaltherzig, boshaft und bisweilen schlicht unerträglich. Oder aber sie sind feige und entscheidungsscheu, bequem und verantwortungslos. Dabei unterwirft die Heldin sich zumeist allen, auch den verschrobensten Wünschen des Helden aus Liebe; es sei denn, sie sind kriminell oder richten sich gegen das Wohl eines Kindes. "‚Ferdl, ich mein es sehr ernst', sagte sie leise und eindringlich. ‚Wenn du bei dieser Meinung bleibst, dann werde ich zu meiner Schwester fahren. Ich lass mir net mein Kind nehmen. Von niemandem. Auch net von dir.'" (Der Bergdoktor Nr. 1188, S. 53).
Die Liebe ist zwar allmächtig, aber die Liebe zu Kindern wird letzten Endes höher eingeschätzt als die zum altersadäquaten Partner. Jede liebende Frau wird ihrem Mann einen Ehebruch verzeihen, aber nicht die Vernachlässigung seines Kindes. Egoistische Männer, die nicht durch die Liebe einer edlen Heldin geläutert werden können, entlarven sich durchweg durch ihre mangelnde Kinderliebe; zum Partner der Heldin eignen sie sich nicht, mögen sie auch noch so reich, kultiviert, zärtlich, weltmännisch, tolerant und als Liebhaber zu empfehlen sein. Kinderliebe ist der Prüfstein, der gute und weniger gute Menschen voneinander scheidet.
In der Regel gelingt aber die Umerziehung des Helden. Die Heldin macht aus einem unerträglichen, arroganten Widerling einen Mann, der sich ihrer würdig erweist - allein kraft ihrer Liebe, die sich zumeist in Opfern, weniger in Taten zeigt. Das ist ein gefährlicher und auch gefährdender Anspruch, weil er Frauen vorspiegelt, die Opferrolle sei ihnen nicht nur angemessen, die Größe der Liebe zeige sich vielmehr vor allem in der Größe des Opfers. Ein solches Denken führt zur Hilflosigkeit gegenüber jedem noch so unangemessenen Anspruch und bisweilen sogar zu einer verqueren Art von Stolz auf die eigene Leidensfähigkeit. Viele Heldinnen zeigen sich dabei hilflos wie Kinder, vor allem dann, wenn ihnen persönlich ein Unrecht geschieht oder wenn sie haltlosen Anklagen des Helden ausgesetzt sind.
Wenn der Held sich letzten Endes dazu herablässt, sein Unrecht einzusehen, und die Heldin endlich für ihre oft übermenschlichen Anstrengungen und Opfer belohnt wird, ist sie dankbar wie ein nach langen Leiden endlich durch Mutterliebe erlöstes Kind. "Er sah die geliebte Frau an. ‚Verzeih...' Dorothea ließ ihn nicht ausreden. Zärtlich legte sie einen Finger auf seine Lippen. ‚Es ist vorbei, Volker', flüsterte sie. ‚Für immer vorbei. Jetzt sind wir zu Hause.' Ihre Hände fanden sich und ließen sich nicht mehr los" (Fürstenroman Nr. 1033, S. 64).
Obwohl in trivialen Frauenheftromanen Scheidungen heute durchaus üblich sind und auch nicht generell moralisch verurteilt werden, endet im Regelfall die Trennung des Heldenpaares mit einer Versöhnung; es ist recht erstaunlich, was dem abtrünnig gewordenen Ehepartner (in der Mehrzahl der Fälle dem Helden) dann alles verziehen wird. Die trennungswilligen Partner schrecken etwa nicht davor zurück, gemeinsame Kinder zwischenzeitlich längerfristig in ein Heim zu geben oder ihre Geliebte in der ehelichen Wohnung schalten und walten zu lassen, während die Ehefrau schwer verletzt im Krankenhaus liegt. So kommt es zu grotesken Situationen: Ein Mann verlässt seine hochschwangere Frau und seine beiden noch nicht schulpflichtigen Kinder. Die Verlassene ist voller Verständnis und schämt sich ihrer Verzweiflung. "Silvia wischte sich die Tränen fort. Seit dem schrecklichen Nachmittag weinte sie fast ununterbrochen. Dabei hatte sie Jonas versprechen müssen, tapfer zu sein und nicht zu weinen. Aber wie stellte er sich das nur vor? Ach, Jonas, warum musstest du gehen, warum hast du mir nicht noch eine Chance gegeben?" (Dr. Monika Lindt Nr. 130, S. 6). In dieser Art verzeihender Liebe üben die Heldinnen sich früh. Bereits Kinder werden in trivialen Frauenheftromanen auf dieses Ziel hin erzogen.
Diese Kinder werden häufig auffallend zwiespältig geschildert: einerseits erwachsen und vernünftig (hilfsbereit, selbständig), andererseits kindlich und hilflos (dankbar, gehorsam). Dabei kennt die erwachsene Vernunft - sobald das Kind zu sprachlicher Kommunikation fähig ist - keine Altersgrenze nach unten.
Ebenso wenig kennt die kindliche Hilflosigkeit eine Altergrenze nach oben (Beschreibung einer Sechzehnjährigen in Dr. Monika Lindt Nr. 232: "Beatrix hockte wie ein Häuflein Elend auf die Knie gestützt am Boden, als der Vater endlich gegangen war und die Familie Lindt sich erleichtert im Wohnzimmer versammelte. Ihre Schultern bebten von heftigem Weinen ... ‚Aber das wollte ich nicht. Was soll denn jetzt aus mir werden? Ich wollte den Streit mit Papa nicht. Was mache ich denn jetzt?'").
Romankinder sind sich in ihren Verhaltensweisen erstaunlich ähnlich, unabhängig davon, ob das jeweilige Kind zwei oder elf Jahre alt ist, ob es sich um ein Mädchen oder um einen Jungen handelt, ob es in einem Zigeunerwagen oder einem Fürstenschloss aufwächst. Sie sollen bei aller kindlichen Dankbarkeit, bei allem widerspruchslosen Gehorsam und bei aller Einsicht darein, dass Held und Heldin am besten wissen, was für ein Kind gut, förderlich und richtig ist, stets auf erwachsene Weise vernünftig denken und handeln, und sie verhalten sich in der Regel auch so. Jedes andere Benehmen und jeder andere Anspruch könnten die ersehnte Harmonie der Romanfamilie trüben, die zwangsläufig am Ende des Romans stehen wird.
Wie wichtig diese Harmonie für die Protagonisten der Romanhefte ist, zeigt sich an den Opfern, die gebracht werden, um letztlich ein harmonisches Zusammenleben zu erreichen. Nach dem Unfalltod ihres tyrannischen Ex-Ehemannes reagiert die Heldin so: "Cornelius, ich kann dir gar nicht sagen, wie erleichtert ich bin, dass von ihm keine Gefahr mehr ausgeht. Jetzt bin ich wirklich frei. Ich bin frei - frei für dich, frei für Chrissie und unser neues, wundervolles Leben." (Kinderschwester Angela Nr. 215, S. 64.).
Meist sind es böse Gegenspieler, die das Ende des Romans nicht erleben, aber manchmal müssen auch Kinder sterben, um die zerbrechliche Idylle nicht zu gefährden. Keine Verlogenheit wird gescheut: Ehebrüche werden lächelnd verziehen, ebenso eklatante Vertrauenslosigkeit, offensichtliche Lügen oder ein Verhalten, das zuvor die ganze Familie in Not und Elend stürzte. Die Heldin ist stets bereit, ungewöhnliche Opfer zu bringen, um die Familienidylle zu erhalten oder ihr den Weg zu ebnen.
Die Zwangsläufigkeit einer harmonischen Lösung aller Konflikte und Schwierigkeiten führt dazu, dass jedes den Heldenfiguren während des Romanverlaufs zustoßende Unglück oder begegnende Leid umkehrbar sein muss. Zerbrechende Ehen führen zur Bildung neuer, glücklicherer Partnerschaften; Gestorbene werden - bisweilen sogar überstürzt schnell - durch ebenso geliebte andere Menschen ersetzt; charakterliche Schwächen und Persönlichkeitsstörungen des Helden verschwinden durch die liebevolle und opferbereite Anteilnahme der Heldin binnen kurzer Zeit spurlos; Behinderungen heilen auf wunderbare Weise. Die alltägliche Erfahrung, dass es Probleme gibt, die sich nicht lösen lassen, dass das Leben dennoch gemeistert werden kann, findet im Frauenheftroman keinen Raum. "Sie lagen sich in den Armen, wollten sich gar nicht wieder loslassen und aufhören sich zu küssen. ‚Siehst du', sagte der Großvater zu seinem Enkel. ‚Irgendwie wird immer alles gut, wenn man nur will! Bloß manchmal dauert's eben…'" (Der Bergdoktor Nr. 1129, S. 64).
Sabine Gries ist Sozialwissenschaftlerin und Dozentin an der Ruhr-Universität Bochum.