Zum 75. Geburtstag von Helmut Kohl gab es im Deutschen Historischen Museum ein großes Fest
Der Innenhof des Deutschen Historischen Museums (DHM) in Berlin war unlängst beim Staatsbesuch der britischen Königin Elizabeth zum Ort eines großen Empfangs durch den Bundespräsidenten gewählt worden. Der prächtige Bau mit seinem berühmten Fries sterbender Krieger von Andreas Schlüter entpuppte sich jetzt erneut als idealer Ort, um den - glaubt man der großen Schar illustrer Gäste und den überaus peniblen Sicherheitsvorkehrungen - "ungekrönten König der Bundesrepublik Deutschland" zu feiern. Altbundeskanzler Helmut Kohl war vor wenigen Tagen 75 Jahre alt geworden, und ihm zu Ehren gab es im DHM, den alten Zeughaus, einen großen Empfang und ein Symposium, das die Konrad-Adenauer-Stiftung ausgerichtet hatte.
Man wollte unter sich feiern, und so sah man zumindest beim Symposium am vergangenen Dienstag unter den 800 Gästen keinen Vertreter des rot-grünen Regierungsestablishments. Die freundliche Grundstimmung, die von Anfang an zu spüren war, ließ kritische Fragen aus der Vergangenheit wie Spendenaffäre oder Schäuble-Nachfolger gar nicht erst aufkommen. Der Jubilar sollte gefeiert und sein Lebenswerk - die deutsche Einheit und die Verankerung der europäischen Integration - gewürdigt und in den großen historischen Zusammenhang der Überwindung der Ost-West-Spaltung eingebracht werden.
Alle Redner brachten in ihren Würdigungen viele persönliche Erlebnisse mit Kohl zur Sprache. Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel - sie attestierte ihrem Vorgänger, "immer in langen Linien gedacht" zu haben - erinnerte sich, wie verdutzt sie ziemlich am Anfang ihrer politrischen Karriere auf Kohls Frage reagiert habe, ob sie "auch mit Frauen" umgehen könne. Ebensoviel Beifall erhielt dann nach ihr der frühere US-Außenminister Henry Kissinger; bewundernswert, wie er "nicht in deutsch, aber in fränkisch" sprach. In wenigen Strichen skizzierte er die europäische Nachkriegsentwicklung, Beginn und Ausbau der atlantischen Partnerschaft, die nicht auf Taktik, "sondern auf der Grundlage gemeinsamer Werte" beruht habe.
Kissinger einnerte daran, dass alle verantwortlichen Politiker, "auch die zwei bemerkenswerten Kanzler der anderen großen Volkspartei", europäische und atlantische Integration vorantrieben: "Amerika erkennt die große Friedensleistung der europäischen Integration, die ganz wesentlich von Helmut Kohl geformt worden ist, ausdrücklich an." Heute stehe der Westen am Scheideweg: Entweder wieder eine vertrauensvolle atlantische Politik oder ein Rückfall in alte Konkurrenzkämpfe, "aus denen die unzähligen Tragödien des 20. Jahrhunderts entstanden sind". Abschließend verlas Kissinger einen Geburtstagsbrief von US-Präsident Bush, der dem Altbundeskanzler für eine "lange und erfüllende Freundschaft" dankte.
Voller Dynamik und energiegeladen wie eh und je sprachen der frühere Kommissionspräsident Jacques Delors, der zwischen Deutschland und Israel immer wieder vermittelnde Lord George Weidenfeld und der unermüdlich um das deutsch-polnische Verstehen bemühte Ex-Außenminister Wladyslaw Bartoszewski. Der Zeithistoriker Hans-Peter Schwarz schließlich rühmte Kohl als "Chefarchitekten Europas" und schoss genüsslich einige Pfeile gegen Nicht-Anwesende ab, so wenn er die Journaille ("die selten einen Schmäh vermeidenden Journalisten") und Minister gewordene 68er ("die heute als grau gewordene Arrivierte an ihren Sesseln kleben") aufs Korn nahm.
Vollends zur Familienfeier wurde das Treffen mit dem Auftritt des früheren spanischen Ministerpräsidenten Felipe Gonzales. Dieser hatte vor Jahren bei der Trauerfeier für Willy Brandt im damals noch nicht umgebauten Reichstag seinem Companero in der Sozialistischen Internationale ein bewegendes "Adios amigo Willy" nachgerufen. Jetzt würdigte er in warmherzigen Worten seinen "amigo Helmut" und forderte ihn auf, auch weiter Europa voranzutreiben. Ähnlich dann der gegenwärtige Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker aus Luxemburg; er, von dem man weiß, dass er Kollegen schon mal das Haar zaust und ihnen die Luft abwürgt, rühmte Kohls Verständnis für die kleinen EU-Staaten. Den Zuhörern wurde auf einmal bewusst, wie dankbar das Großherzogtum die deutsch-französische Aussöhnung verfolgt hat.
Nach sechs Stunden dann der Jubilar selbst. Seine Rührung nicht verbergend ("Dankbarkeit ist die Erinnerung des Herzens") sagte er: "Deutschland ist unser Vaterland, Europa unsere Zukunft. Dafür zu kämpfen lohnt sich!" Standing ovations. Strahlende Gesichter rundum.