Verhandlungen im Atomstreit mit dem Iran stehen vor dem Scheitern
Die Entscheidung war lange angekündigt und dennoch zeigten sich die europäischen Regierungen überrascht. Noch in den letzten Tagen seiner Amtszeit hatte der ausscheidende Präsident Mohammad Khatami angekündigt, der Iran werde seine Arbeiten zur Urananreicherung wieder aufnehmen, sollten die europäischen Verhandlungspartner die Vorlage ihres Angebotes weiter verzögern oder sollte es nicht zur Zufriedenheit Teherans ausfallen. Aus Teherans Sicht schaffte das Paket, in dem die Europäer wirtschaftliche Anreize und Unterstützung bei der zivilen Nukleartechnologie mit politischen Angeboten wie einem Nichtangriffspakt verknüpften, die zweite Hürde nicht. Die Europäer, für die Großbritannien, Frankreich und Deutschland die Verhandlungen führen, verlangen weiterhin die Einstellung des Anreicherungsprogramms. Der Iran hatte seit Beginn der Gespräche im November letzten Jahres darauf beharrt, dass ein Verzicht auf das Recht zur Urananreicherung nicht zur Disposition stehe.
Am 8. August begannen iranische Techniker, die Anlage für Uranumwandlung in Isfahan wieder in Betrieb zu nehmen. Bei der Umwandlung wird aufbereitetes Uranerz erhitzt und dadurch in einen gasförmigen Zustand konvertiert. Dieses Gas wiederum ist der Grundstoff, der dann in einem zweiten Prozess in einer zweiten Anlage im 200 Kilometer entfernten Natanz zu angereichertem Uran weiterverarbeitet wird. Produziert werden kann dann in der zweiten Stufe entweder Brennstoff für zivile Nuklearreaktoren oder die kritische Substanz für eine Atombombe.
Die Iraner achteten streng darauf, dass diese Entmottung von Isfahan, das als freiwilliges Zugeständnis an die Europäer seit November letzten Jahres mit einer kurzen Unterbrechung stillgestanden hatte, nach den Regeln internationaler Abkommen geschah. Die Anlage steht unter der Kontrolle der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) in Wien. Es wurde gewartet bis Inspekteure vor Ort waren, bevor die Siegel der Behörde gebrochen wurden. Alles geschah streng nach Vorschrift, um jeden Eindruck zu vermeiden, es geschehe etwas Verbotenes.
Die Entscheidung, Isfahan wieder in Betrieb zu nehmen, fiel zeitlich mit dem Amtsantritt des neuen iranischen Präsidenten Mahmoud Ahmadinejad zusammen. Anders als sein Vorgänger Khatami gilt er als ein Mann, der die Möglichkeit, mit dem Westen einen Kompromiss in der Atomfrage zu finden, sehr skeptisch gegenüber steht. Er gehört zu dem Flügel im konservativen Lager, der immer noch von den Zielen und ideologischen Grundsätzen der islamischen Revolution von vor 26 Jahren stark geprägt ist. Aus dieser Sicht ist die Politik des Westens grundsätzlich darauf angelegt, den Iran im eigenen Interesse zu dominieren und ihn an seiner Entwicklung zu hindern.
Mit Ahmadinejad verschieben sich die Akzente im iranischen Machtapparat. Die Richtlinien in der Nuklearfrage steckt Staatsoberhaupt und Revolutionsführer Ayatollah Ali Khamene'i ab. Er zählt ideologisch ebenfalls eher zu den Hardlinern, aber unter ihm kämpfen verschiedene Fraktionen um Einfluss. Zu Zeiten von Reformer Khatami hatte die Überwindung der internationalen Isolierung des Irans und eine vorsichtige Öffnung gegenüber dem Westen im Vordergrund gestanden. Ahmadinejad stellt dagegen die Stärkung der Eigenständigkeit des Landes in den Mittelpunkt, die es erlaubt, politische Ziele auch gegen den Widerstand und Druck des Westens durchzusetzen. Eine offene Konfrontation mit dem Westen wird nicht gesucht, notfalls aber in Kauf genommen.
Ahmadinejad verlor wenig Zeit sicherzustellen, dass diese kompromisslosere Linie auch in den Gesprächen mit den Europäern verfolgt wird. Der bisherige Verhandlungsführer Hasan Rohani wurde durch Ali Ardashir Larijani abgelöst. Larijani hatte zuvor das alte Verhandlungsteam mehrfach als zu kompromissbereit kritisiert. Er würde eine Perle gegen ein paar Süßigkeiten eintauschen, warf er seinem Vorgänger Rohani vor.
So unterschiedlich die Positionen der verschiedenen Fraktionen in der Haltung gegenüber dem Westen sind, so eint doch alle Lager der grundsätzliche Standpunkt, dass der Iran nicht auf das Recht auf eine eigene Urananreicherung verzichten kann.
Die Europäer, die von der Entscheidung kaum überrascht gewesen sein dürften, reagierten auf die Wiederinbetriebnahme von Isfahan öffentlich mit einer Mischung aus Alarm und Druck. Der französische Außenminister Philippe Douste-Blazy sah "eine schwerwiegende internationale Krise" am Horizont heraufaufziehen. In einem gemeinsamen Brief der drei europäischen Verhandlungsführer wurde mit einem Abbruch der Gespräche und einer Überweisung des Falles Iran an den UN-Sicherheitsrat gedroht.
Die europäischen Verhandler waren von Beginn an in einer schwierigen Situation. Ihr Ziel war es, durch den Abschluss einer Vereinbarung mit dem Iran eine erneute Eskalation eines Konfliktes im Mittleren Osten nach dem Muster des Iraks zu vermeiden. Sie hatten aber aus eigenen Möglichkeiten wenig Attraktives zu bieten, das einen Handel für den Iran wirklich lohnenswert machen würde. Im Hintergrund standen immer die USA, die letztlich entscheiden konnten, was machbar und was nicht machbar ist.
Jedes größere Engagement ausländischer Firmen im Iran wird immer noch durch die Sanktionsgesetze der Vereinigten Staaten bedroht, die Präsident George W. Bush autorisieren, die entsprechenden Unternehmen mit Strafen zu belegen. Keine europäische Firma kann beispielsweise einen Leichtwasserreaktor - wie von den Verhandlern angeboten - an den Iran liefern,
ohne sich in Washington rückzuversichern, dass sie damit nicht ihre weit lukrativeren Geschäfte in den USA gefährden. Auch das Angebot der Europäer, mit dem Iran ein Gewaltverzichtsabkommen abzuschließen, ist bestenfalls eine freundliche Geste. Wirklich bedeutungsvoll wäre eine entsprechende Erklärung der USA und vielleicht sogar ein verbindlicher Verzicht auf die Politik des "Regimewechsels". Dies konnten die Europäer am Verhandlungstisch aber nicht bieten.
Während die europäischen Drei auf der einen Seite dem Iran Zugeständnisse abzuringen versuchen, bemühten sie sich zur gleichen Zeit um ein größeres Entgegenkommen der USA. Viel erreicht haben sie in den Verhandlungen mit Washington nicht. Die Bush-Regierung, bemüht nicht als Kriegstreiber dazustehen, erklärte zwar öffentlich ihre Unterstützung für die Verhandlungen, bot an Zugeständnissen aber nicht mehr als die mögliche Lieferung von Flugzeugteilen und die Aufgabe der Blockade der Mitgliedschaft des Irans in der Welthandelsorganisation (WTO). Beides ist es aus iranischer Sicht kaum Wert, die nukleare Unabhängigkeit des Landes aufzugeben.
Auch die Drohung mit Strafen erwies sich schnell als weit weniger beeindruckend, als die Europäer glaubhaft machen wollten. Der Iran nutzt sehr geschickt internationales Recht, um Sympathien für seine Haltung zu gewinnen. Alles, was derzeit geschieht, entspricht den Vorschriften des Atomwaffensperrvertrages, das jedem Unterzeichner das Recht auf die Entwicklung ziviler Technologie garantiert. Mit welcher Legitimation soll der Iran also bestraft werden?
Die Europäer mussten deshalb auf die vergangenen Verfehlungen des Irans zurückgreifen, um Staaten wie Südafrika oder Argentinien, die eigene atomare Ambitionen hegen, dazu zu bewegen, in der letzten Woche eine Resolution des Gouverneursrates der IAEO zu unterstützen, in der Teheran zum erneuten Stopp der Arbeiten in Isfahan aufgefordert wird.
Selbst wenn es gelingt, den Iran vor den UN-Sicherheitsrat zu bringen, dann ist es alles andere als sicher, dass es dort tatsächlich zu einer Entscheidung für Sanktionen kommt. China hat bereits öffentlich erklärt, dass es eine solche Entscheidung mit seinem Veto verhindern werde.
Schließlich ist die Palette möglicher Sanktionen stark begrenzt. Wirklich treffen würde Teheran ein Boykott iranischen Erdöls, aber dies würde den Weltmarktpreis noch weiter in die Höhe schießen lassen und verbietet sich deshalb im eigene Interesse. Für Deutschland beispielsweise ist der Iran ein nicht unbedeutender Handelspartner.
Dies weiß man auch in Teheran, aber auch in Washington hat man offensichtlich erkannt, dass neben der immer wieder ins Gespräch gebrachten "militärischen Option" kaum sinnvolle Alternativen zur Fortsetzung der Verhandlungen existieren. Auch die neuen Hardliner im Iran haben erklärt, dass sie nicht alle Türen zuschlagen wollen. Weitere Verhandlungen sind möglich, aber zu ihren Bedingungen: Isfahan ist wieder in Betrieb und wird nicht mehr gestoppt.
In den USA wurde in der letzten Woche eine neue Geheimdienststudie bekannt, in der die bisherige Schätzung, wann der Iran technisch über eine Atombombe besitzen könnte, von fünf auf zehn Jahre nach oben korrigiert wurde. Es besteht also noch Zeit, eine Verhandlungslösung zu finden.