EXPERTEN BEFÜRCHTEN NEGATIVE AUSWIRKUNGEN DES GLOBALBUDGETS
Berlin: (hib/KER-ge) Sowohl Kritiker als auch Befürworter der GKV-Gesundheitsreform haben am Donnerstag Nachmittag bei der Öffentlichen Anhörung des Gesundheitsausschusses die Befürchtung geäußert, dass das geplante Globalbudget zu negativen Auswirkungen bei der medizinischen Versorgung der Patienten führen könnte. Basis der noch andauernden Anhörung ist der Gesetzentwurf von SPD und Bündnis 90/Die Grünen zur Reform der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ab dem Jahr 2000 ( 14/1245). Die Einzelexperten gaben zunächst eine grundsätzliche Bewertung der Initiative ab. Professor Michael Arnold erklärte, alle Ressourcen im Gesundheitswesen seien endlich, so dass es keine "Unendlichkeit der Leistungsgewährung" geben könne. In allen Ländern, die ein funktionierendes Krankenversicherungssystem haben, gebe es entweder beständige Knappheit und Rationierung oder kontinuierliche Reformen. Deshalb sei es auch für die Bundesrepublik nötig, eine offene Diskussion über "sozialverträgliche Leistungskürzungen" zu führen. Die Größe des Sozialsystems verhindere eine "Lösung aus einem Guss". Hauptproblem sei die Einkommensabhängigkeit der Beiträge.
Ulrike Haufe, Frauenbeauftragte des Landes Bremen, legte dar, sie begrüße ausdrücklich die Präambel des Gesetzentwurfs, die fortschrittlich und zukunftsorientiert sei. Es stelle sich aber die Frage, ob der Gesetzentwurf tatsächlich erfülle, was er im Vorfeld ankündige. Gerade für die Frauen sah Haufe negative Auswirkungen der Initiative. Gerade der Versuch, weniger stationär und mehr ambulant zu behandeln, um Spareffekte zu erzielen, treffe vor allem Frauen. So sei zu befürchten, dass ein großer Teil der ambulanten Hilfe in die Familien verlagert werde und somit vor allem die Frauen belaste. Professor Axel Azzola von der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern verwies auf die weiterhin bestehende "Gerechtigkeitslücke" im Gesundheitssystem, da die Ärzte in den neuen Bundesländern noch immer nur 75 Prozent der Leistung ihrer Kollegen in den alten Ländern erhielten. Auch nach zehn Jahren Wiedervereinigung gebe es noch immer eine "Sozialmauer". Er plädierte deshalb dafür, den Risikostrukturausgleich beizubehalten. Eine sachgerechte Ausrichtung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) bedeute eine gleichberechtigte Teilhabe aller am medizinischen Fortschritt. Durch den Gesetzentwurf werde dies jedoch nicht erfüllt, so dass das Reformwerk abzulehnen sei.
Auf positive Aspekte der Gesundheitsreform verwies Privatdozent Dr. Hagen Kühn. So sei unter anderem zu begrüßen, dass Prävention und Gesundheitsförderung einen größeren Stellenwert erhielten. Es müsse jedoch abgewartet werden, wie sich dies im Rahmen des gesamten Kontextes entwickele. Mit Blick auf das Globalbudget erklärte er, Länder mit erfolgreicher Ausgabenkontrolle hätten alle ein Globalbudget oder etwas ähnliches. Es sei aber nicht auszuschliessen, dass ein Globalbudget möglicherweise zu einer Leistungeinschränkung führen könne. Die wirtschaftlichen Risiken der Versorgung im Gesundheitsbereich würden mit der Initiative auf den Anbieter übertragen. Dies sei auch der "Sinn der Sache". Es müsse jedoch aufgepasst werden, dass kein Versorgungsrisiko für den einzelnen Patienten entstehe, der sich individuell nicht dagegen wehren könne. Kühn forderte deshalb einen verstärkten Patientenschutz, der unter anderem durch die Errichtung eines "regionalen Patientenbeauftragten", vergleichbar mit dem Datenschutzbeauftragten erreicht werden könne. Eine prospektive Finanzierung ohne Patientenschutz sei abzulehnen. Dr. Bernd Lang begrüßte zwar die mit der Initiative angestrebte integrative Versorgung, kritisierte aber auch das Globalbudget. Wer budgetiere, "rationiert auf Dauer". Kritisch zu betrachten sei ferner die geplante Öffnung von Krankenhäusern für ambulante Versorgung, da dies zu teuer sei. Es solle lediglich eine "Mitbestimmung stationärer Behandlung aus dem ambulanten Bereich" heraus geben. Dies bedeute aber auch eine höhere Belastung derer, die das Solidarsystem am meisten brauchen. Diese Reform schaffe neue Probleme, ohne die alten zu beseitigen. Lang appellierte daher an die Politiker, den Zeitdruck aus der Initiative herauszunehmen. Professor Rolf Rosenbrock führte aus, das GKV-Modell habe sich als erfolgreich erwiesen. Es sei zu begrüßen, dass die neue Bundesregierung das Solidarprinzip schützen wolle. Eine politisch und demokratisch legitimierte Steuerung sei nötig, um das Solidarprinzip aufrechtzuerhalten. Wer gegen dieses Solidarprinzip handele, handele gegen die Interessen des Einzelnen. Auf Dauer, so Rosenbrock, sei die Erweiterung des Risikostrukturausgleichs nötig. Problematisch sei aber die Bindung des Systems an die Lohngrundsumme. Dadurch werde in einem "unterproportional rationalisierungsfähigen Bereich" ein "überproportionaler Sparbeitrag" verlangt. Mit Blick auf das Gesamtsystem sei vor allem wichtig, für mehr Transparenz zu sorgen und die Patienten besser zu informieren.
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