Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe (Anhörung)
EXPERTEN: SCHUTZ DER OPFER VORRANGIG - DEUTSCHLAND ISOLIERT SICH
Berlin: (hib/KER-mr) Die Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) aus dem Jahre 1951 zielt vorrangig auf den Schutz der Flüchtlinge ab, unabhängig davon, ob sie Opfer staatlicher oder nichtstaatlicher Verfolgung sind.
Das betonten die Experten von amnesty international (ai) und vom Hohen Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) am Montag in einer öffentlichen (noch andauernden) Anhörung des Ausschusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe zu nichtstaatlicher Verfolgung.
Der Vertreter des UNHCR Deutschland, Jean Noel Wetterwald, hob hervor, Deutschland habe sich mit der immer weiter gehenden Ausgrenzung der nichtstaatlichen Verfolgung aus dem Schutzbereich der Genfer Flüchtlingskonvention zunehmend von der Praxis der Mehrheit der Vertragsstaaten isoliert.
Bei einer an völkerrechtlichen Interpretationskriterien ausgerichteten Auslegung des Flüchtlingsbegriffs sei nicht der Urheber der Verfolgung entscheidend, sondern die Möglichkeit, staatlichen Schutz in Anspruch nehmen zu können.
Das Bundesverwaltungsgericht habe allerdings in den vergangenen Jahren eine Rechtsprechung entwickelt, die Opfer nichtstaatlicher Verfolgung, insbesondere wenn sie aus Kriegs- oder Krisengebieten geflohen sind, weitgehend vom internationalen Schutz nach den Vorschriften der GFK ausschließe.
Deshalb sei es nötig, so Wetterwald weiter, dass Deutschland seine Anerkennungspraxis hinsichtlich der nichtstaatlichen Verfolgung an die internationalen Standards anpasst. Ein möglicher Schritt sei die Änderung des Asylverfahrensgesetzes.
Auf die Frage aus den Reihen der Union, wie es zu dieser Rechtsprechungspraxis in der Bundesrepublik entgegen der in anderen EU-Staaten kommen konnte, erklärte der UNHCR, die Rechtsprechung in Deutschland habe sich im Laufe der Jahre "klar festgelegt” und sich damit "im Konsens mit dem politischen Umfeld der damaligen Regierung” befunden.
Zu der Frage der SPD, inwieweit staatliche von nichtstaatlicher Verfolgung überhaupt klar getrennt werden könne, legte der UNHCR-Vertreter dar, eine Differenzierung sei äußerst schwierig. Erachte man den Flüchtlingsschutz als vorrangig, sei eine Differenzierung aber auch nicht ausschlaggebend.
Auch Professor Christian Tomuschat von der Humboldt Universität Berlin erklärte, die deutsche Rechtsprechung gebe sich "der Illusion hin”, wenn sie glaube, diese Trennung vollziehen zu können. Im Übrigen sei es ohnehin sehr schwer, die Realität in fernen Ländern von deutschem Boden aus zu beurteilen.
Tomuschat plädierte deshalb dafür, die "Fixierung” auf staatliche Verfolgung aufzugeben. Ob es möglich sei, die Rechtsprechung durch innerstaatliche Gesetzgebung zu verändern, beurteilte er eher skeptisch. Die deutschen Richter betrachteten die GFK als Völkerrecht, dessen Auslegung nicht durch innerstaatliche Gesetzgebung beeinflusst werden könne.
Die ai-Vertreterin, Stephanie Farrior, und die unabhängige Expertin der UN-Menschenrechtskommission für Somalia, Mona Rishmawi, setzten sich ebenfalls für die Vorrangigkeit des Schutzes der Opfer ein, egal, woher die Verfolgung resultiere.
Oft verweigere der Staat den Schutz bei Personen, die als weniger schutzwürdig gelten. Dies könne aus rassistischen Gründen erfolgen oder weil die Personen Frauen sind. Rishmawi und Farrior waren sich darin einig, dass die Genfer Flüchtlingskonvention auch Schutz vor geschlechtsspezifischer Verfolgung biete.
In diesem Zusammenhang verwiesen die Sachverständigen zudem auf das GFK-Gebot der "Nichtzurückweisung” von Personen, deren Leben und körperliche Unversehrtheit im Heimatstaat gefährdet ist. Auf Nachfrage des Ausschusses erläuterte Farrior, es wäre nicht gut, den Status des Verfolgers in der GFK festzuschreiben. Die Flüchtlingskonvention sei "gut ausgearbeitet und durchdacht”.
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