Innenausschuss (Anhörung)
DEFIZITE DES BUNDES BEI DER REGELUNG VON VIDEOÜBERWACHUNG
Berlin: (hib/WOL-in) Defizite bei der Regelung von Videoüberwachung gibt es beim Bund sowohl für den öffentlichen Bereich von Bundesreinrichtungen als auch vor allem bei der Überwachung privaten Raums mit öffentlichen Zugang nach dem "Hausrecht".
Dies erklärte
Klaus-Rainer Kalk, Landesbeauftragter für den Datenschutz von Sachsen-Anhalt, im Rahmen einer öffentlichen Anhörung des Innenausschusses am Mittwochnachmittag.
Dagegen sei die Polizeigesetzgebung für Videoüberwachung seit langem festgelegt, auch wenn eine Angleichung unterschiedlicher Länderregelungen nötig sei.
Den unterschiedlichen Spielraum privater und polizeilicher Videoüberwachung erläuterte Kalk am Beispiel von Leipzig.
Dort habe es wochenlange Diskussionen um eine Videokamera der Polizei auf dem Bahnhofsvorplatz gegeben, während 100 Videoüberwachungssysteme auf dem Bahnhofsgelände ohne Diskussion installiert und in Betrieb genommen worden seien.
Regelungsbedarf des Bundes sieht auch Tilo Weichert vom Unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein für die Videoüberwachung nichtöffentlicher oder privater Räume mit öffentlichen Zugang im Rahmen des Hausrechts.
Mit einer pauschalen "Gewährleistung der öffentlichen
Sicherheit" seien Videoaufnahmen, -aufzeichnungen oder
-übertragungen nicht zu begründen.
Videoüberwachung müsse gesamtgesellschaftlich einwandfrei gesetzlich geregelt und durch Kontrollinstanzen des Datenschutzes reguliert werden.
Eine automatische Löschung von Aufzeichnungen sei unabdingbar für die Akzeptanz und die Transparenz der Vorgänge bei Bürgern und Aufsichtsbehörden. Intensive
Öffentlichkeitsarbeit hält auch Professor Stephan von der Polizeihochschule Villingen-Schwennigen für notwendig, da sonst der Sicherheitsbonus der Bürger durch Misstrauen ersetzt werde.
"Maßvoller Einsatz entscheidet über Fluch oder Segen der Videoüberwachung". Anlass zu Spekulationen über Missbrauch gebe es dennoch nicht.
Auch beim Internet "würde niemand wegen ein paar hundert idiotischen Beiträgen im Netz den hundertmillionenfachen Nutzen anzweifeln".
Videoüberwachung dürfe aber nicht überschätzt werden. Sie sei ein Hilfsmittel und ersetze die Polizei nicht, sondern ergänze sie.
Eindeutig geklärt werden müsse ein Zugang durch autorisierte Personen und eine automatische Löschung nach zwei Stunden. Videoüberwachung durch die Polizei sei in der
Zuständigkeit der Länder allerdings weitgehend geregelt. Dagegen sei die Kompetenz des Bundes bei der privatrechtlicher Nutzung dringend gefragt.
Wesentlich längere Sicherungsfristen von Videoaufzeichnungen forderte Winfried Roll vom Landeskriminalamt Berlin.
Als Praktiker in der präventiven Verbrechensbekämpfung rechne er die automatische Datenlöschung nicht in Stunden, sondern in Wochen.
Auch konstatierte Roll positive Erfahrungen in Großbritannien und in Leipzig, wo es einen Rückgang der Straftaten um bis zu zwei Drittel gegeben habe, ohne dass die Straftaten in einen anderen, nicht videoüberwachten Bereich angestiegen seien.
In England habe die Videoüberwachung nach dem ersten Modellversuch im Seebad Bournmouth einen Siegeszug durch englische Kommunen genommen.
Derzeit würden über 85 Prozent aller englischen Städte im Citybereich mit Video überwacht. Roll zitierte dazu den britischen Chef-Inspektor Herman mit den Worten, "ich sehe nicht viel Verbrechen in Berlin".
1998 verglich Hill 80 Fälle von Handtaschenraub in fünf Wochen in Gesamt-Berlin (890 Quadratkilometer) mit der gleichen Anzahl Straftaten auf der 2,5 Kilometer langen Oxfort-Street in nur einer Woche - vor der Videoüberwachung.
Zunehmend kritisch sah Roland Bachmaier vom Bundesbeauftragten für Datenschutz die Videoüberwachung. Zwangsläufig würden Bürger - ob gewünscht oder nicht - von Videogeräten aufgenommen.
Die Art der Erfassung, Aufzeichnung oder Zweck sei ihnen dabei nicht ersichtlich. Bevor eine Situation eintrete, "bei der Bürger nicht wissen können, wer was wann über wen weiß" müsse im Hinblick auf Sicherheit eine angemessene Abstimmung der Interessen erfolgen und eine unbefugte Weitergabe von Aufzeichnungen unter Strafe gestellt werden.
Besonders problematisch sei es, "wenn Private den öffentlichen Raum beobachten". Für das "private Hausrecht" von beispielsweise Kaufhäusern sei eine Rechtsregelung durch den Bund absolut vorrangig.
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