Reformvorschläge zur EU-Agrarpolitik müssen noch modifiziert werden
Berlin: (hib/POT) Die Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft, Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen), hält eine Verabschiedung der von der EU-Kommission im Januar 2003 im Zuge der Agenda 2000-"Halbzeitbilanz" vorgelegten Reformvorschläge für die gemeinsame Agrarpolitik bis zum Ende der griechischen Ratspräsidentschaft im Juni 2003 für möglich. Darauf wies die Ministerin anläßlich der Beratung von Anträgen der Koalitionsfraktionen, der CDU/CSU und der FDP zu den von EU-Agrarkommissar Franz Fischler vorgelegten Vorschlägen hin. Die Reform der gemeinsamen Agrarpolitik sei notwendig, um die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Landwirtschaft dauerhaft zu erhalten und zu verbessern, so Künast. Bei der Tagung des Agrar- und Fischereibeirats zu Beginn dieser Woche in Brüssel hätten die Mitgliedstaaten eine Reihe von Änderungen bei der geplanten Reform angemahnt. Die von der EU-Kommission vorgeschlagene vollständige Entkoppelung der Beihilfen von der Produktion und die Einführung einer Betriebsprämie wird den Angaben der Ministerin zufolge von der Mehrzahl der Mitgliedstaaten so nicht mitgetragen. Deutschland trete für eine schrittweise, an der Fläche orientierte Einführung der Entkoppelung in einem Zeitraum von fünf Jahren ein. Derzeit würden verschiedene Modelle durchgerechnet, die auch die Interessen der Grünlandstandorte angemessen berücksichtigen.
Mit der von der EU-Kommission vorgeschlagenen Einführung einer obligatorischen Modulationsregelung zur Finanzierung der Mittelumschichtung zugunsten der zweiten Säule der gemeinsamen Agrarpolitik ab 2007 müsse bereits vorher begonnen. Zudem müsse der Einstiegsansatz von einem Prozent erhöht werden, da ansonsten insbesondere in kleinen Mitgliedstaaten der Verwaltungsaufwand den Nutzen für die ländlichen Räume übersteige, so die Ministerin weiter. Darüber hinaus machte Künast deutlich, dass die vorgesehenen Modulationsmittel in dem Mitgliedstaat verbleiben müssten, in dem sie aufgebracht werden. Hinsichtlich des von der EU-Kommission vorgeschlagenen verpflichtenden Beratungssystems für Erzeuger, die mehr als 15 000 Euro in Form von Direktzahlungen erhalten oder einen Umsatz von mehr als 100 000 Euro im Jahr verzeichnen, plädierte die Verbraucherschutzministerin für ein zweistufiges System, das zunächst eine freiwillige Beratungsmöglichkeit vorsehen und erst nach Prüfung in eine verpflichtende Regelung überführt werden solle.
In der Diskussion kritisierte die Union, dass die Reformvorschläge der EU-Kommission zu erheblichen Einkommenseinbußen in der Landwirtschaft, insbesondere im Bereich der Milchwirtschaft, führen und einen drastisch erhöhten Verwaltungsaufwand bei der Erfüllung der umfassenden Vorschriften von Umwelt-, Tierschutz-, Lebensmittelsicherheits- und Bewirtschaftungsstandards nach sich ziehen würden. Es sei daher ein Fehler gewesen, dass die Ministerin die Vorschläge von EU-Agrarkommissar Fischler grundsätzlich begrüßt habe und nun versuchen müsse, zahlreiche Änderungen durchzusetzen. Die Liberalen befürworteten, die Entkoppelung stärker an der Fläche zu orientieren - wie von der Ministerin vorgeschlagen -, lehnten aber im übrigen das verpflichtende Beratungssystem strikt ab. Die Koalitionsfraktionen begrüßten bei aller im Detail notwendigen Kritik die Vorschläge der EU-Kommission grundsätzlich, da sie auch für die begonnenen Verhandlungen über die Liberalisierung des Agrarhandels in der Welthandelsorganisation neue Perspektiven und Möglichkeiten eröffneten.
Der Ausschuss nahm den Antrag der Koalition ( 15/462) zur Reform der gemeinsamen Agrarpolitik gegen die Stimmen der Opposition an. Die Anträge von CDU/CSU ( 15/422) und FDP ( 15/435) wurden dagegen abgelehnt.