Bundestagsnachrichten
Berlin: (hib/MIK) "Auschwitz ist Chiffre, kein Ort." Mit diesem
Zitat der jüdischen Publizistin Grete Weil hat
Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU/CSU) am
Freitagvormittag im Plenum des Deutschen Bundestages seine Rede
anlässlich des Holocaust-Gedenktages eröffnet, an dem die
Abgeordneten des Deutschen Bundestages aller Opfer des
Nationalsozialismus gedenken. Das Konzentrations- und
Vernichtungslager Auschwitz, das vor 61 Jahren durch Soldaten der
Roten Armee befreit wurde, sei Stätte und Symbol für den
von Deutschen begangenen millionenfachen Mord vor allem an Juden,
aber auch für die Vernichtung anderer Volksgruppen sowie von
Personen, die wegen ihrer ablehnenden Haltung gegenüber dem
Nationalsozialismus zu Verfolgten wurden. "Wie sehr nicht nur wir
Deutsche dieses Gedenktages bedürfen, zeigten uns die letzten
Wochen. Mit Bestürzung haben wir zur Kenntnis nehmen
müssen, dass heute sogar Staatsoberhäupter den Holocaust
mit Nachdruck als ‚Märchen' bezeichnen und sich zu
antisemitischen Äußerungen steigern", erklärte der
Bundestagspräsident weiter. Er erinnerte daran, dass wegen
diesen "unfassbaren, wiederholten Erklärungen des iranischen
Präsidenten" der Deutsche Bundestag im Dezember 2005
fraktionsübergreifend das Existenzrecht Israels als eine
deutsche Verpflichtung bekräftigt und sich entschieden gegen
all jene gewandt habe, die den Holocaust leugneten. "Wir
müssen, wollen und werden weiterhin bereit sein, Lehren aus
unserer Geschichte zu ziehen", so Lammert weiter. Deshalb werde
auch zukünftig der Deutsche Bundestag offenen Antisemitismus
und Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz anprangern,
verurteilen und bekämpfen. "Dass sich Auschwitz nicht
wiederholt, ist in unser aller Verantwortung", betonte der
Bundestagspräsident. Auch der Publizist Professor Ernst
Cramer, der nach der Reichspogromnacht im Konzentrationslager
Buchenwald inhaftiert war, sagte, dass Auschwitz vor allem ein
Symbol sei. Zwar sei Judenhass das Hauptmotiv des
Nationalsozialismus gewesen, neben den Juden seien aber auch unter
anderem unzählige Sinti, Roma, Homosexuelle, Zwangsarbeiter
aus dem Osten und Widerstandskämpfer in den
Konzentrationslagern umgebracht worden. "Juden waren damals nicht
die alleinigen Leidtragenden, aber die Hauptbetroffenen", sagte er.
Für das jüdische Volk sei dies schlimmer gewesen als die
Zerstörung des Tempels durch die Römer im Jahr 70 und die
Vertreibung von der iberischen Halbinsel im Zusammenhang mit der
Inquisition. Diese "grauenhafteste Heimsuchung" für die Juden
sei zugleich der größte, wenn auch selbstverschuldete
Tiefpunkt der deutschen Geschichte gewesen. "So tief war
Deutschland noch nie gesunken", betonte er. Cramer wies darauf hin,
dass sich jetzt in Deutschland wieder vermehrt jüdische
Gemeinden entwickelten und erinnerte an die politischen Beziehungen
Deutschlands zum jüdischen Staat Israel. Wenn es auch immer
wieder Antisemitismus gebe, bestehe kein Grund zu Sorge, wenn "wir
alle wachsam bleiben", betonte Cramer.