Kontroverse um Regulierung bei Investitionen in neuen Märkte
Berlin: (hib/VOM) Die Unterscheidung zwischen neuen Märkten und neu entstehenden Märkten ("emerging marktes") hat die Sachverständigen bei einer öffentlichen Anhörung des Wirtschaftsausschusses am Montagvormittag beschäftigt. Gegenstand war der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Telekommunikationsrechts ( 16/2581) und hier vor allem der geplante neue Paragraf 9a. Er sieht vor, dass die Bundesnetzagentur als Regulierungsbehörde in "neuen Märkten" künftig nur noch eingreifen darf, wenn ansonsten langfristige Wettbewerbsbehinderungen eintreten würden. In der Öffentlichkeit war diese Regelung auch als "Lex Telekom" bezeichnet worden, weil der Marktführer für den Aufbau des neuen Glasfaser-Hochgeschwindigkeitnetzes (VDSL) für eine gewisse Zeit von Eingriffen der Bundesnetzagentur freigestellt würde. Die Deutsche Telekom AG hat in ihrer Stellungnahme den Begriff "Lex Telekom" allerdings zurückgewiesen und betont, auch die übrigen Netzbetreiber wie die Kabelgesellschaften oder alternative Anschlussnetzbetreiber von der Regelung erfasst würden. Da die EU-Kommissarin für Informationsgesellschaft und Medien, Viviane Reding, die geplante Umsetzung de EU-Rechtlinie durch den Paragrafen 9a scharf kritisiert hat, äußerten sich die Sachverständigen vor allem zur Auslegung des EU-Rechts und zur Vereinbarkeit der Regelung im Telekommunikationsgesetz mit diesen Vorgaben.
Professor Christian Kirchner von der Berliner Humboldt-Universität schlug eine Änderung der strittigen Regelung in dem Sinne vor, zwischen "neuen Märkten" und "sich entwickelnden Märkten" zu unterscheiden. Damit könne die Umsetzung EU-konform gemacht werden, weil die Richtlinie nur von "emerging markets" spreche. Kirchner schlug vor, beide Begriffe im Gesetz zu definieren. Unternehmen, die in die erforderlichen Netze investieren, um Innovationen auf Dienstleistungsmärkten herbeizuführen, sollten ein Antragsrecht auf eine zeitlich befristete Freistellung von der Regulierung eingeräumt werden. Entscheidungen der Bundesnetzagentur über solche Anträge sollten erst nach einer bestimmten zeitlichen Frist für eine Überprüfung offen sein, so Kirchner. Ziel müsse es sein, so der Experte weiter, dass den betreffenden Unternehmen die Anreize für die Infrastrukturinvestitionen nicht dadurch genommen werden, dass die Zugangsregulierung dann zugreift, wenn der neue Markt entsteht. "Ein Vorreiter investiert nur, wenn er Vorreiter-Vorteile hat", so Professor Kirchner. Die EU-Richtlinie gebe dazu keine Regelung vor und überlasse dies dem nationalen Gesetzgeber. Dieser müsse Klarheit darüber schaffen, dass der Vorreiter-Investor diese Vorteile für einen gewissen Zeitraum nutzen kann.
Karl-Heinz Neumann vom Wissenschaftlichen Institut für Infrastruktur und Kommunikationsdienste hielt den Wunsch, von Regulierungseingriffen freigestellt zu werden, bei bestimmten breitbandigen Dienstangeboten für überzeugend, bei der Bereitstellung der VDSL-Anschlüsse allerdings für wenig begründet. Die Botschaft des Paragrafen 9a sei, dass eine Vorab-Regulierung neuer Märkte noch höheren Hürden unterliegen soll als eine Vorab-Regulierung generell. Es hätten gerade jene Länder eine besonders hohe Investitionsquote, die wettbewerbsfreundliche Regulierungsvorgaben getroffen hätten. Ähnlich argumentierte Professor Arnold Picot von der Ludwig-Maximilian-Universität München. Das Ziel, Anreize für Investitionen und Innovationen zu schaffen, lasse sich bereits durch die vorhandenen Vorschriften erreichen. Die Herausnahme neuer Märkte aus der Regulierung sei "kaum praktikabel" und "fachlich wenig überzeugend", so Picot.
Peter Heinacher von der Deutschen Telekom AG verwies auf Untersuchungen aus den USA, wo investiert werde, weil der Breitbandmarkt nicht reguliert sei. Auf die Frage, ob ein Risikozuschlag als Investitionsanreiz geeignet wäre, sagte Heinacher, dies wäre eine unfaire Vorgehensweise, weil die Wettbewerber teilhaben könnten und der "Pioniervorteil" des Investors schwinde. Das Risiko eines Verlustes der Investitionen würde die Telekom dann allein tragen müssen. Auch sei es "höchst problematisch", einen solchen Risikozuschlag gesetzgeberisch umzusetzen.