Selbstverwaltung im Gesundheitswesen wehrt sich gegen Reformen
Berlin: (hib/MPI) Die im Zuge der Gesundheitsreform geplanten organisatorischen Veränderungen bei der Selbstverwaltung von Ärzten, Krankenhäusern und Krankenkassen stoßen bei den Betroffenen auf schroffe Ablehnung. Bei der zweiten Anhörung zu der von der Koalition geplanten Gesundheitsreform stand am Montagnachmittag vor allem das Vorhaben in der Kritik, den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) zum 1. Januar 2008 unter eine Rechtsverordnungsermächtigung des Bundesgesundheitsministeriums zu stellen. Auch die Einsetzung von neun hauptamtlichen Mitgliedern wurde bemängelt. Der Vorsitzende des G-BA, Rainer Hess, appellierte an die Abgeordneten: "Zerstören Sie nicht das System der Selbstverwaltung." Bislang sei die Selbstverwaltung des Gesundheitswesens "von unten nach oben" aufgebaut worden. Im G-BA, dem zentralen Gremium der Selbstverwaltung, sei ein Interessenausgleich der unterschiedlichen Akteure von Ärzten bis Kassen herbeigeführt worden. Der nun geplante "Interessenausgleich per Rechtsverordnung" könne nicht funktionieren. Der G-BA ist unter anderem zuständig für den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV).
Die Vorstandsvorsitzende des Verbandes der Angestelltenkrankenkassen (VdAK), Doris Pfeiffer, monierte, die Umstrukturierung des G-BA sei "ein weiterer Baustein zur Verstaatlichung und Vereinheitlichung" des Gesundheitssystems in Deutschland. Dies treffe im Übrigen auch auf den im Gesetzentwurf von Unions- und SPD-Fraktion ( 16/3100) geplanten Zusammenschluss der bislang sieben Spitzenverbände der Krankenkassen zu einem neuen Spitzenverband Bund zu. Der Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Hans Jürgen Ahrens, fügte hinzu, mit der Bildung des Spitzenverbandes Bund werde das Ziel der Reform, für mehr Wettbewerb im Gesundheitssystem zu sorgen, "konterkariert". Künftig würden 70 Prozent der Kassenleistungen von dem Spitzenverband bestimmt. Pfeiffer betonte, damit würden die Möglichkeiten der einzelnen Kassen, ihre Spielräume im Wettbewerb zu nutzen, eingeengt. Laut Entwurf entfällt für die bisherigen Spitzenverbände der Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts.
Kaum Einwände hatten die Vertreter der Spitzenverbände gegen die geplante Erleichterung von Kassenfusionen. Nach dem Entwurf sollen vom 1. April 2007 an sich Orts-, Betriebs-, Innungs- und Ersatzkassen sowie die See-Krankenkasse auch über die Kassenartengrenze hinweg fusionieren dürfen. Union und SPD halten es laut Entwurf für "wünschenswert, dass sich die Krankenkassen zu größeren Einheiten zusammenschließen, die auf Dauer wettbewerbs- und leistungsfähig sind". Dem hielten die Spitzenverbände zwar entgegen, "dass größere Versicherungsträger keinesfalls automatisch niedrigere Verwaltungskosten pro Kopf haben als kleinere Krankenkassen". Der Vorstandsvorsitzende des BKK Bundesverbandes, Wolfgang Schmeinck, hob aber hervor, dass die Möglichkeit zu kassenartenübergreifenden Fusionen durchaus "ein gutes Mittel" sein könne, "um Kassen aus einer Verschuldungssituation zu bringen".
Der Ausschuss für Gesundheit setzt die Anhörungen zur Gesundheitsreform am Mittwoch, dem 8. November, fort. In der Zeit von 11 bis 15 Uhr soll es im Sitzungssaal der CDU/CSU-Fraktion (3 N 001 im Reichstagsgebäude) um die private Krankenversicherung (PKV) gehen.